Netflix-Eigenproduktionen sind im Serienbereich meist toll, bei den Filmen findet man leider eher selten echte Perlen. Es mag daran liegen, dass der Streamingriese ein Programm füllen muss, um seine Jünger zu befriedigen, während Kinoproduktionen nicht in aller Eile auf den Markt geworfen werden müssen. Die Netflix-Menthalität, den Regisseuren relativ freie Hand zu lassen, scheint nicht wirklich dienlich für das Endprodukt zu sein. Oftmals zerfasert durch überflüssiges Material, können so, eigentlich interessante Themen, oftmals nicht überzeugen. Doch es geht auch anders, wie ich Euch diesen Samstag mit diesem drei Jahre alten Werk in Erinnerung bringen möchte. WHEELMAN mit Frank Grillo ist schnell, cool und auf den Punkt inszeniert. Ein Film, der auch heute noch auf der Watchlist ganz oben stehen sollte.
Regie: Jeremy Rush
Darsteller: Frank Grillo, Caitlin Carmichael, Garret Dillahunt
Artikel von Christian Jürs
Hauptfigur – und beinahe Alleinunterhalter – ist in diesem, mit 82 Minuten Laufzeit recht knackig geratenen, Actionstreifen ein namenloser Fluchtwagenfahrer (Frank Grillo). Dieser kabbelt sich nicht nur über Telefon mit seiner minderjährigen Tochter Katie (Caitlin Carmichael), er soll auch zwei Bankrüber zu ihrem Tatort chauffieren. Dort angekommen erhält er, während die zwei Gangster den Coup ausführen, einen Anruf seines Auftraggebers. Dieser gibt dem verdutzten Fahrer den Befehl abzufahren, sobald die Beute im Kofferraum deponiert wurde. Die Täter soll er an Ort und Stelle zurücklassen und das Geld an einen bestimmten Ort überbringen. Zähneknirschend befolgt unser „Held“ die Anweisung, was ihn fortan in enorme Schwierigkeiten bringt.
Nicht nur, dass sich ein Motorradfahrer an seine Fersen heftet, auch der Übergabeort erweist sich als Falle. Doch der Wheelman lässt sich so schnell nicht unterkriegen und versucht herauszufinden, wer der geheimnisvolle Auftraggeber ist, der ihm das Leben schwer macht. Als dieser dann auch noch Katie und ihre Mutter zu eliminieren droht, platzt unserem „Fremden ohne Namen“ der Kragen…
Uwe Boll sagte einst, es sei doch komisch, dass Netflix zwar tolle Serien veröffentlicht, im Filmbereich jedoch nur Scheiße produziert. Blickt man auf die vielen Adam Sandler Gurken wie beispielsweise Sandy Waxler, kann man dem Godfather of Trash durchaus recht geben. Doch mittlerweile hat sich auch Sandler mit Filmen wie The Meyerowitz Stories und Der schwarze Diamant dort bewiesen und auch Boll inszeniert derweil für den Streaming-Giganten. Mit entsprechend geringer Erwartungshaltung habe ich mich damals an die Sichtung von Wheelman gemacht, der mehr als Einschlafhilfe dienen sollte, denn als Nachtunterhaltung. Doch Pustekuchen, anstatt seelig zu entschlummern, saß ich wie gebannt vor der Glotze um dem deutlich cooleren Transporter bei der Arbeit beizuwohnen und mir den Schlaf rauben zu lassen.
Dabei bedient sich der Film, der in Echtzeit erzählt wird, einem genialen Kniff. Er spielt (fast) ausschließlich im Auto des Fluchtwagenfahrers. Selbst in einem Moment, in dem Frank Grillo aus dem Fahrzeug aussteigt, verweilt die Kamera allein im inneren der Karre. Erst im letzten Drittel verlassen Held und Kameramann gemeinsam das Gefährt. Dies geschieht aus einem triftigen Grund und wird durch einen baldigen Fahrzeugwechsel wieder zum Urkonzept zurückgeführt.
Das Spielfilmdebut von Regisseur Jeremy Rush überzeugt auf ganzer Linie. Seine nächtliche Hetzjagd durch die Straßen der nicht näher definierten Großstadt drückt den Zuschauer quasi in den Sitz und lässt keine Zeit zum Verschnaufen. Einzig ein kleiner Fehlerteufel hat sich eingeschlichen, denn die Geschwindigkeitsanzeige des Autos zeigt, wenn man genau hinschaut, generell Null Meilen pro Stunde an. Ein doofer, aber verzeihbarer Filmfehler, den man auch in anderen Streifen öfters zu Gesicht bekommt.
Mit Frank Grillo wurde zudem eine echt coole Sau besetzt, wie er ja bereits in den ersten beiden The Purge – Sequels unter Beweis stellen konnte. Dies bringt mich zur deutschen Synchronfassung, etwas, was oftmals im Hause Netflix eher halbherzig abgehandelt wurde anno 2017. Doch der Streamingdienst hatte dazu gelernt und somit kann ich Entwarnung geben. Die Synchro ist tatsächlich gelungen. Zwar wird Grillo nicht von seinem The Purge-Sprecher Oliver Siebeck vertont, mit Johannes Berenz, seiner Captain America / Avengers-Synchronstimme darf man aber durchaus zufrieden sein.
Insgesamt ein kleiner, spannender Actionthriller aus dem Hause Netflix, den sich Abonnenten nicht entgehen lassen sollten. Der Transporter kann sich warm anziehen. Jetzt kommt der Wheelman – und der rockt.