Kennen sie Leatherface? Ja? – Haben sie schon von dem Prequel gehört, das ebenso den Namen „Leatherface“ trägt, aber so rein gar nichts mit dem dritten Teil, ebenso „Leatherface“ betitelt, zu tun hat? Turbine hat den Film in seiner ungeschnittenen Fassung mit einer SPIO / JK Freigabe durchgeboxt, und bringt diesen in unzähligen Variationen uncut in den Handel. Die gekürzte und um knapp 1 1/2 Minuten entschärfte Variante kommt über EuroVideo.

Originaltitel: Leatherface

Regie: Alexandre Bustillo, Jean Maury

Darsteller: Stephen Dorff, Vanessa Grasse, Lili Taylor, Sam Strike, Sam Coleman, Jessica Madsen

Artikel von Victor Grytzka

Das „TCM“ Franchise ist mir ja die liebste Terror-Reihe. Als dann „Leatherface“ angekündigt wurde war ich natürlich heiß drauf. Nun konnte ich ihn sehen, den neuesten Streich im Reich der ratternden Kettensäge. Taugt das Prequel zu Tobe Hoopers 1974er Kult-Massaker, oder sollte sich die „Lederfratze“ zur Ruhe setzen und in Zukunft nur noch Hecken trimmen?

Jed Sawyer (Boris Kabakchiev) stammt aus einer wahrlich kaputten Familie. Zu seinem sechsten Geburtstag bekommt er von Mama Verna (Lili Taylor) eine Kettensäge geschenkt, ganz echt mit Elektrorasenmäher-Knattersound und CGI-Rauchwölkchen, und soll zur Feier des Tages einen Schweinedieb in kleine Stückchen sägen. Doch der kleine Rabauke ziert sich, und so kommt es, dass seine Brüder ihm erst mal zeigen müssen wie man so etwas richtig macht. Als Opfer muss die Tochter von Sheriff Hartman (Stephen Dorff) herhalten. Da er den Sawyers aber nichts nachweisen kann nimmt er, unter dem Deckmäntelchen des Kindeswohles, den kleinen Jed hinfort und lässt ihn in eine Anstalt für Kinder aus schrägen Familien stecken. Zehn Jahre vergehen, die Krankenschwester Lizzy (Vanessa Grasse) tritt ihren Dienst in der Einrichtung an. Ein Aufstand bricht los, Lizzy muss als Geisel herhalten und macht sich mit einer Gruppe verdrehter Jugendlicher, unter ihnen auch Jed mit neuer Identität, auf eine blutige Flucht. Doch Hartman ist nicht weit.

Irgendwas hat es mit achten Inkarnationen in Horrorfranchises auf sich. Sie sind alle scheiße. Ob nun „Halloween Resurrection“, „Jason takes Manhattan“ oder der hier vorliegende „Leatherface“. Scheiße im Quadrat. Hatte man bei „TCM“ schon gedacht, der Sekten-Alien-Film mit Renee Zellweger und Matthew McConaughey (der sich laut eigenen Angaben nicht daran erinnert, jemals in TCM 4 mitgespielt zu haben) wäre der Bodensatz des Kettensägen-Schwingers, der irrt gewaltig. Der hatte wenigstens noch den „so bad it’s good“ Charakter und war locker-lustig-trashig. Doch warum ist das aktuelle Prequel so in die Hose gegangen?

Fangen wir mal bei dem Punkt an, der sofort negativ auffällt. Die Optik. Aus Budgetgründen wurde der Film in Bulgarien gedreht – und das sieht man. Nichts erinnert auch nur im entferntesten Sinne an die staubige texanische Einöde. Ein gelblicher Farbfilter über dem digital geschossenen Bild möchte da Abhilfe schaffen, klappt aber nur bedingt. Der Film soll 1955 bzw. 1965 spielen. Doch auch da wirkt das Ganze aufgesetzt und nicht wirklich überzeugend. Dazu erinnert alles irgendwie doch zu sehr an billige C-Movies aus dem Nachmittagsprogramm.

Auch bei den Charakteren möchte ich laut „FEHLBESETZUNG“ schreien. Stephen Dorff mimt einen hölzernen Sheriff, der auf den Mord an seiner Tochter total emotionslos reagiert und diesen nur vage zur Kenntnis nimmt. Trauern? Fuck it – ich bin ein harter Hund ohne Mimik! Also bitte, soll ich dem den Dreck wirklich abkaufen? So nach dem Motto: „Meine Tochter ist tot, alles klar, keine Zeit zu trauern. Lasst uns Rednecks klatschen gehen!“. Ja, sicher! Und Verna Sawyer? Die kaputte Inzuchtmaschine, die eine ganze Generation degenerierter Serienkiller aus ihrer Pflaume gepresst hat? Die tritt hier plötzlich als (zumindest in einigen Szenen) ansehnliche fast-MILF in Erscheinung? Schlagt mich und gebt mir Tiernamen! Und die Krankenschwester Lizzy? Sie trifft auf all diese abgedrehten Psychopathen, wird sogar entführt und hegt dann aber doch Sympathie für den Haufen. Irgendwann kommt sie aber drauf dass die ja doch ganz schön böse und durch sind – Halleluja! Ich brauch eine Klinikpackung Aspirin!

Die Story ist hauchdünn und saudoof. Erst sehen wir ein wenig „Rob Zombies Halloween“ in einer Irrenanstalt, dann einen Roadmovie Marke „das haben wir uns schlecht bei Tarantino abgeguckt“ und dann, für knappe 10 (!!) Minuten der Laufzeit, ein wenig – gaaaaanz wenig – etwas, das an „TCM“ erinnert. Wenn da nicht die billigen Props wären. Da hat der Set-Dekorateur wohl den Sperrmüll einer Jahrmarkt-Geisterbahn durchwühlt. Als ich dem ersten Plastikschädel tief in die Augenhöhlen sah, da wusste ich es – das Budget dieses Machwerks muss für das Catering einer bulgarischen Frittenbude drauf gegangen sein. Versucht der junge Leatherface auch den ikonischen Sprint von Gunnar Hansen zu kopieren, es sieht doch eher aus als hätte er einen großen Köttel im Unterhöschen. Auf zum nächsten Abort – wickel-wackel… Apropos Leatherface – die Autoren wussten wohl nicht so recht wohin sie mit der Figur wollten. Mal empfindet man fast so etwas wie Mitgefühl für den kleinen Knochensäger, und dann hasst man ihn wieder wie die Pest. Dabei hat man allerdings vergessen diesen Wandel in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Nach 87 Minuten und einem unspektakulären Finale bleibt beim Zuschauer lediglich ein weißes Rauschen im Köpfchen zurück.

Um das ganze Debakel zu kaschieren hat man auf den „boah, wir sind brutal“ Faktor gesetzt. Es werden Köpfe zerdrückt, Gesichter zerschossen, Bäuche geöffnet und, und, und… Teils sind die, zugegeben solide inszenierten, Kills nett anzusehen, aber kreativ war man auch nicht. Filmfreaks werden – zumindest bei zwei Schlachtszenen – sofort erkennen, bei welchen Blockbustern man sich Inspirationen geklaut hat. Schön, dass sich „Black Lava“ Anhänger darauf einen abwichsen werden, aber Fans, die auf einen würdigen Terrorfilm gehofft hatten, werden damit nicht zufrieden sein. Es gibt natürlich auch Sex, und dort hat man versucht dem lustvollen Treiben mit einem Ekeleffekt mehr Würze zu verleihen. Na ja, an dieser Stelle hab ich wenigstens mal grinsen müssen. Liebes Duo Bustillo / Maury. Ja, ihr Franzosen könnt brutal, ja, ihr Franzosen könnt Terror – also warum zur Hölle habt ihr zwar den Gewaltfaktor hoch gehalten, dabei aber die Atmosphäre vergessen?

Und auch euer Versuch einen Überraschungsmoment zu kreieren ist mächtig in die Hose gegangen. Aufmerksame Zuschauer, also die, die nicht nach den ersten 30 Minuten abgeschaltet haben, werden kaum über den Plottwist erstaunt sein. Ein Alexandre Aja wird euch dafür hoffentlich eine ratternde Kettensäge in den Arsch rammen. Ach ja, auch wenn Hooper noch als Executive Producer dabei gewesen ist, das Endergebnis wird er hoffentlich so nicht gewollt haben. Er würde sich im Grabe herumdrehen.

Turbine darf man hier allerdings keinen Vorwurf machen. Die verschiedenen Editionen (Steelbook, Mediabook, Amaray, Digipack, HD, SD…) sind pickepackevoll mit Bonusmaterial (Making of, alternative Szenen, Interviews, liebevoll gestaltete Menüs und vieeeeeles mehr). Die Gestaltungen der Cover sind durchweg abwechslungsreich und bieten für jeden etwas, Bild und Ton sind auf astreinem Niveau.

Fazit:

Ich liebte „The Texas Chainsaw Massacre“, lachte gerne über „Texas Chainsaw Massacre 2“, feierte „Leatherface – Texas Chainsaw Massacre III“, amüsierte mich über die Trashgranate „Return of the Texas Chainsaw Massacre“, fand das Reboot immerhin „okay“, mochte den überdrehten „The Beginning“ und fand wirklich Gefallen an „Texas Chainsaw (2D/3D)“. Waren diese Filme auch mal mehr, mal weniger gut, so hatten sie doch alle eine Sache gemeinsam – eine dreckig-düstere Stimmung, so wie es sich für einen Terrorfilm gehört. Aber das hier, das war ein Griff ins Klo. Einfach nur übermäßig blutig ist nicht gleich unterhaltsam. Dem Film fehlt der Biss, die Atmo und der schwarze Humor der anderen Teile. Da wird die „Geburtsstunde einer Ikone“ zu einer unschönen Fehlgeburt, die man schon in der Enstehungsphase hätte abtreiben sollen! Schämt euch, so eine Scheiße auf Zelluloid zu bannen! Das Reboot des Duos Bay / Nispel, das ich immer als meinen persönlich empfundenenTiefpunkt aus der Reihe deklariert habe, ist nach Sichtung von „Leatherface“ in meinem Ranking weit nach oben geklettert – dass ich das noch erleben darf! So hat die Sache wenigstens noch einen guten Effekt erzielt.

Trailer:

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