Clint Eastwood ist eine der letzten noch lebenden Legenden und wohl die coolste Sau im Filmuniversum. Seine zweite Regiearbeit, ein düsterer Western mit Horrorelementen, ist jetzt, nach aufgehobener Indizierung, bei Capelight im Mediabook erschienen. Wir haben mal reingeschaut.
Originaltitel: High Planes Drifter
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, Verna Bloom, Marianna Hill, Geoffrey Lewis
Artikel von Christian Jürs
Wenn beim Namen des Regisseurs CLINT EASTWOOD geschrieben steht, dann ist die Messlatte, dank Meisterwerken wie „Millon Dollar Baby“, „Erbarmungslos“ oder „Gran Torino“ ziemlich hoch angesetzt. Selbst seine schwächeren Werke, wie der etwas dröge „J. Edgar“ oder der Rentnergag „Space Cowboys“ wiesen eine sichere und durchdachte Inszenierung auf.
Seine ersten Regiesporen verdiente er sich am Set von „Dirty Harry“, wo er den erkrankten Don Siegel ersetzen musste. Die Inszenierung der legendären Selbstmörderszene, für die ursprünglich zwei Nächte Dreh angesetzt wurden, war innerhalb einer Nacht im Kasten. Clint ist nämlich ein Fan des ersten Shots. Wenn dieser geglückt ist, nimmt er ihn, da er überzeugt ist, dass ein Schauspieler diesen immer am glaubwürdigsten spielt. Mit Costner bekam er sich am Set von „Perfect World“ aus diesem Grunde mehrfach in die Haare, denn Costner gehört zu den Regisseuren, die gerne ausprobieren. Doch hier geht’s im „Ein Fremder ohne Namen“, also Film ab…
Wir befinden uns in dem staubigen, kleinen Wüstenkaff Lago, einem Ort, an dem man nicht einmal begraben sein möchte. Die Stadt ist zudem in der Hand einer Gaunerbande. Wie aus dem Nichts erscheint ein Reiter (Eastwood himself) – ein namenloser Reiter. Wir werden seinen Namen erst am Ende erfahren…mit extremen Unterschieden zwischen der deutschen- und der englischen Sprachfassung, aber dazu später mehr.
Zunächst begibt er sich in eine Situation, in die sich auch Henry Fonda in „Mein Name ist Nobody“ begab. Er geht zum Barbier (der an deutlichen Zuckungen im Handgelenk leidet), nur um dort von drei ekelhaften Gangstern gestört zu werden. Wenige Augenblicke später fahren die Typen zur Hölle – für 1973 recht blutig und brutal. Doch damit nicht genug, denn wer den typischen strahlenden Westernhelden erwartet, wird kurz darauf geschockt sein.
Der Fremde wird auf der Straße nämlich plötzlich von einer Frau namens Callie (Marianna Hill) beschimpft und bespuckt. Und wie reagiert so ein typischer Held? Richtig – er zieht sie in die nächstgelegene Scheune und vergewaltigt sie!
Richtig gelesen! Der Fremde ist kein strahlender Held, sondern ein zunächst ziemlich unsympathisches Kerlchen. Die verängstigten Bewohner des Goldgräberkaffs jedenfalls wittern durch ihn die Chance, drei weitere Gangster, die sie bedrohen, loszuwerden. Doch der Preis, den der Fremde verlangt, ist hoch. Alle müssen quasi nach seiner Pfeife tanzen, was zu teils abstrusen Forderungen führt. So darf der Hotelbesitzer nur noch Zimmer an den Fremden vermieten und seine Frau gleich mit. Höhepunkt ist jedoch der Moment, in dem die Einwohner alle Häuser rot anmalen müssen. Warum? Nun, hier geschieht nichts ohne Grund.
Denn der Fremde ist keinesfalls ein Bösewicht. Er handelt aus einem bestimmten Grund, den wir durch einige Rückblicke zunächst erahnen können. Man findet schnell heraus, dass die Bewohner Lagos keine wirklich weiße Weste haben und das der Fremde aus genau diesem Grunde hier ist.
Dabei schafft es Eastwood, das tolle Setting der Stadt Lago, trotz greller Farben der Wüstensonne, immer kühl und düster wirken zu lassen. Insbesondere die rot gestrichene Stadt wirkt wie die Hölle – und das soll sie auch…
Was genau hier einst geschah, müsst ihr selbst sehen. Hierbei sollten Synchronfans unbedingt den letzten Dialog des Filmes im englischen Original genießen, da hier die deutsche Fassung und kompletten Sinn des Filmes auf den Kopf gestellt hat. Hierbei machen Bilder und vor allem auch die Musikuntermalung nur im Original wirklich Sinn.
Zur ansonsten gelungenen Synchronfassung (Gerd „Ernie“ Duwner, Christian Brückner) gibt es noch zu sagen, dass nicht Klaus Kindler hier für Eastwood sprach, sondern, wie damals häufiger geschehen Michael Cramer. Klingt nicht halb so cool wie Kindler, hat aber trotzdem gute Arbeit geleistet.
Erst Mitte letzten Jahres purzelte dieser Film von der Liste der jugendgefährdenden Filme. Bei erneuter Ansicht kann ich sogar sehr gut verstehen, warum Jugendschützer mit diesem Film so ihre Probleme haben. Frauen werden wie Dreck behandelt, es gibt reihenweise Folter und blutige Shoot Outs und die Atmosphäre ist durchweg unangenehm. Im Jahr 1985 entstand mit „Pale Rider“ ein quasi Remake vom Meister himself. Der Film geriet bei ähnlicher Geschichte jedoch weit positiv gestimmter.
Bislang gab es „Ein Fremder ohne Namen“ von Universal auf DVD und BluRay zu einem ziemlich hohen Preis, da die Indizierung eine große Vermarktung unmöglich machte. Jetzt kam just das Mediabook von Capelight in den freihen Handel. Dies überzeugt mit dem hübschen Kinoplakat-Cover und einem wirklich tollen Booklet mit schicken Bildern und einem wie immer informativen Text von Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Auch Bild und Tonqualität sind sehr gut (war bei der Universalveröffentlichung nicht anders). Der Ton liegt jetzt übrigens sowohl in 2.0, sowie in einem 5.1 Upmix (auch auf Deutsch) vor. Ich persönlich bin kein Fan solcher Updates und habe den Film weitestgehend in 2.0 geschaut. Stichprobenartig hörte ich in den 5.1 Upmix hinein und musste feststellen, dass dieser relativ gut gelungen ist und auch wenig aufdringlich daher kommt. Trotzdem rate ich zur 2.0 Variante. Leider hat es sich, bis auf Trailer und Werbetrailer somit auch mit dem Bonusmaterial erledigt (Universal hatte nicht einmal Trailer). Da wäre mehr drin gewesen.
Grandios düsterer Horror(!)-Western von und mit Leinwandlegende Clint Eastwood. Wer diesen Film noch nicht in der Sammlung hat, MUSS zugreifen. Besitzer der Universal BluRay müssen abwägen, ob das schicke Cover und das Booklet eine Neuanschaffung wert sind. Der Preis für das Mediabook liegt übrigens ziemlich niedrig, weswegen man das Risiko durchaus eingehen kann.