Vor 5250 Jahren fiel der Ötzi in Südtirol in einen Gletscher und wurde 1991 als Gletschermumie gefunden. Man weiß heute einiges über den Ötzi, aber nicht, warum er so weit oben in den Alpen mit einem Pfeil im Rücken in den Gletscher fiel. Felix Randau machte aus dem Vorfall eine Rache-Story, die Jürgen Vogel als Ötzi in eine lange Verfolgung durch archaische Landschaften treibt. Endlich mal ein Abenteuerfilm aus deutscher Produktion, ohne Pferd, Gangs und Großstadtgedöns.
Regie: Felix Randau
Darsteller: Jürgen Vogel, André M. Hennicke, Axel Stein, Franco Nero
Artikel von Kai Kinnert
Die Story um den Ötzi verspricht einen schönen, europäischen Abenteuerfilm zum Thema Steinzeit. AM ANFANG WAR DAS FEUER (1981) ist die letzte nennenswerte Produktion in diesem Gebiet und so wurde es auch endlich mal Zeit für eine Erneuerung. Dafür schickte Felix Randau Jürgen Vogel in die Steinzeit zurück und machte aus ihm den Familienvater Kelab, der mit Frau und Kind in einem kleinen Dorf lebt. Das Dorf sind sechs Hütten, man lebt in kleiner Gemeinschaft zusammen.
Das Leben ist direkt, Leben und Tod liegen dicht beieinander, die Natur ist bestimmend – all das bringt der Film schnell auf den Punkt und so knattert Kelab gerade seine Frau während sein Sohn im gleichen Raum auf einer primitiven Flöte spielt. Just wird man unterbrochen, eine Frau stürzt herein, in der Hütte nebenan wird gerade ein Kind geboren. Schnell macht man sich auf, Kelab schnappt sich das Heiligtum der Gemeinschaft und ist rechtzeitig zur Geburt da, es ist ein Mädchen, scheinbar Kelabs Kind.
Danach wird das Baby durch Kelab mit dem Heiligtum, hier eine Schatulle mit einem sehr seltenen Gestein, quasi getauft und in die Gemeinschaft aufgenommen. Es gibt zwar eine Sprache, aber sie ist reduziert und unverständlich. Das Leben der Gemeinschaft in einem Tal der Alpen scheint gut zu laufen. Das Baby wächst bei seiner Frau auf und Kelab geht in die Berge um Wild mit Pfeil und Bogen zu jagen. Derweil fällt eine Truppe von sechs Kerlen ins Dorf ein und will das Heiligtum erbeuten. Dabei ist man nicht zimperlich und tötet alle, bis auf Kelabs Sohn, der mit dem Baby entkommen kann. Kelab riecht im Wald den Rauch und macht sich zurück ins Tal auf, wo er schon die Hütten brennen sieht. Doch er kommt zu spät, sieht aber noch die Gruppe von Männern, die das Dorf überfallen haben.
Seine Frau ist tot, die Kinder weg, das Heiligtum futsch, Kelab ist verzweifelt. Er macht sich auf die Suche nach seinem Sohn und findet ihn tot mit dem weinenden Baby im Arm. Nach einer Begräbniszermonie macht sich Kelab dann mit Ziege, Baby und Beil an die Verfolgung der Übeltäter. Für seine Rache wird er durchs Gebirge der Alpen klettern und hart entschlossen fünf seiner Gegner töten. Bis es ihn an einen Wendepunkt führt, der noch nicht die Gletscherspalte ist.
Als sich Jürgen Vogel mit Vollbart und Pelzmantel wie Itto Ogami in OKAMI (1972) in die Berge an die Verfolgung macht, möchte man ihm noch einen Colt reichen, denn DER MANN AUS DEM EIS wird im zweiten Akt der Handlung zum Italowestern, der auch noch DER TEXANER (1976) schrammt. Vogel passt optisch wie die Faust aufs Auge und macht seine Sache über weite Strecken ziemlich gut. Zwar bedient sich der Film hier und da einiger CGI Effekte erkennbarer Art, aber das stört eigentlich nicht weiter. Die ersten Minuten des Films überlegt man noch, ob Winnetou gleich um die Ecke geritten kommt, denn der Film besitzt hier noch eine gewisse Künstlichkeit, die er leider nicht immer abstreifen kann. Optisch überrascht der Film mit einigen längeren, schönen Kamerafahrten und einer gelungenen Inszenierung der Umgebung. Rache ist ein klares Motiv, seine Emotionen lassen sich ohne Worte filmisch in Dynamik umsetzen und Randau hält sich über weite Strecken daran.
Jürgen Vogel beweist sich als Profi des Überraschungsangriffs und führt den Film in trockene Härten, die souverän umgesetzt werden. Fast grüßt hier noch ein weiterer Aspekt des italienischen Filmschaffens neben dem Italo Western durch, nämlich der leichte Wink eines Lucio Fulcis. Hier kotzt zwar niemand sein Gedärm aus, aber tatsächlich werden einem Schwerverletzten, als wäre es nicht genug, auch noch die Augen eingedrückt.
Während man teilweise noch die Schönheit der Landschaft und die Eleganz einer Gletscherhöhle bestaunt, fällt einem plötzlich auf, das Kelab fünf Leute in Einzelkämpfermanier umlegte und THE REVENANT (2015) gar nicht so fern ist. Das Drehbuch läßt Kelab nicht ohne eine Lehre aus seinem Handeln zurück und gibt dem Film zum Ende noch eine moralische Tiefe, was aber irgendwie nicht nötig gewesen wäre. Der Anfang des Films wirkt etwas künstlich, wechselt dann in einen starken, spannenden Mittelteil, um im letzten Drittel wieder etwas zu zerfransen. So ist der Film nicht ganz rund, aber dennoch spannend und mit einer guten Kamera versehen, die Jürgen Vogel gekonnt in Szene setzt.
Natürlich kriegt Kelab am Ende den Pfeil in den Rücken und fällt in eine Gletscherspalte. Und man bedauert es, denn man hätte Kelab gewünscht, das er es schafft. Obwohl eine gewisse Seichtigkeit dem Film anheftet, schafft er es doch den Zuschauer bei der Stange zu halten. DER MANN AUS DEM EIS ist somit ein überraschend gelungener Abenteuerfilm, dem man seine Schwächen verzeihen kann. Sogar Franco Nero als Bauer Ditob tritt auf und wirkt dabei wie eine Version aus Moses und Django. Das Alternative Ende greift hier noch einmal Franco Nero auf und war wohl für einen Insert nach dem Abspann gedacht.
Wer THE REVENANT gut fand und einen ernsthaften Abenteuerfilm aus deutscher Produktion sehen möchte, darf hier bedenkenlos zuschlagen. Ob das frühzeitliche Leben damals wirklich so war, sei dahingestellt, spannend bleibt der Rachefeldzug Kelabs allemal. Dazu gibt es die schöne, alpine Landschaft und einen passenden Jürgen Vogel. Das Bild der BD ist klar und satt, als Extras gibt es ein Making Of, Interviews, Aufnahmen der Kampfproben und das Alternative Ende.