Koch Films wird nicht müde und schenkt den Genre-Fans eine weitere Veröffentlichung eines ehemaligen Index-Titels. Mit „Das Haus der Vergessenen“ (1991), spendiert das Label einem eher wenig populären Film von Altmeister Wes Craven eine schicke Mediabook-Variante. Wir haben uns den augenzwinkernden Horrorfilm noch einmal angesehen und verraten euch, ob sich das Gesamtpaket lohnt.
Originaltitel: The People Under the Stairs
Drehbuch & Regie: Wes Craven
Darsteller: Brandon Adams, Everett McGill, Wendy Robie, Ving Rhames, A.J. Langer, Bill Cobbs…
Artikel von Christopher Feldmann
Als Wes Craven im August 2015 verstarb, hinterließ er im Horror-Genre eine klaffende Lücke. Der US-amerikanische Autor und Regisseur hat, wie kaum ein anderer, eine Karriere hingelegt, in der sich Hits und Flops die Klinke in die Hand geben. Und trotzdem bleibt sein Vermächtnis beachtlich, denn immerhin hat er mit Filmen wie „The Last House on the Left“ (1971) und „The Hills Have Eyes“ (1977) das Terrorkino der 70er Jahre geprägt und mit „A Nightmare on Elm Street“ (1984) einen Kultfilm geschaffen, dessen Bösewicht Freddy Krueger mittlerweile fest zur Popkultur gehört. Und wir wollen natürlich nicht „Scream“ (1996) vergessen, mit dem er das Slasher-Genre, welches er mitgeprägt hat, noch einmal satirisch behandelte und den größten Erfolg seiner Karriere hinlegte. Trotzdem gibt es immer noch Filme in Cravens Vita, die noch auf eine Neuentdeckung der breiten Masse warten. Einer dieser Filme, ist sicherlich „Das Haus der Vergessenen“ (1991), der gut und gerne mal vergessen wird, wenn man sich mit Cravens filmischen Schaffen auseinandersetzt. Nachdem der satirische, sowie sozialkritische Schocker 25 Jahre auf Liste B der BPjM herumdümpelte, wurde er im Januar dieses Jahres endlich entlassen und mit einer Freigabe ab 16 Jahren versehen. Grund genug für die Gönner von Koch Films, dem Streifen eine angemessene VÖ im Mediabook zu schenken. Er hat es sich redlich verdient!
Handlung:
Der schwarze Junge Pointdexter (Brandon Adams), genannt „Fool“, steckt in Schwierigkeiten. Seine Mutter ist schwer krank und kann die Miete für die Wohnung, mitten im Ghetto der Stadt, nicht mehr bezahlen. Dies macht sich Leroy (Ving Rhames), der Zuhälter seiner Schwester, zu Nutzen und rekrutiert den Jungen für einen Einbruch ins Haus der Robesons (Everett McGill & Wendy Robie), die zudem die Vermieter der meisten Wohnungen im Ghetto sind. Der kleine Beutezug entwickelt sich jedoch schnell zum Alptraum, denn hinter der Fassade des festungsähnlichen Hauses, entpuppen sich die Besitzer als mordlüsterne Psychopathen, die vor Nichts zurück schrecken. Für „Fool“ beginnt ein Kampf ums Überleben!
„Das Haus der Vergessenen“ stellt einen besonderen Film dar, denn mit Diesem besann sich Wes Craven wieder auf seine Frühwerke, die weniger phantastisch waren, sondern die Realität und ihre Missstände als das wahre Grauen skizzierten. Der Vergleich zum Debüt „The Last House on the Left“ (1971) drängt sich am ehesten auf, denn auch Hier geht es um menschliche Abgründe, um das Grauen im Unscheinbaren und um die Gesellschaft, mit all ihren Bösartigkeiten. In „The People Under the Stairs“, so der Originaltitel, sind es die minder privilegierten Afro-Amerikaner, welche getrennt von der besseren Schicht, in heruntergekommenen Wohnungen hausen müssen. Es geht primär um das Streben nach besserer Lebensqualität und das Anprangern der gesellschaftlichen Missstände, sowie Rassismus. Plädoyers, die Craven in den 80ern etwas abhandengekommen sind und hier wieder umso stärker in Erscheinung treten. Die Weißen leben in ihren hermetisch abgeschotteten und bestens ausgestatteten Bunkern, während die Unterschicht bezahlen muss und ausgequetscht wird. Das Ganze verpackt der Regisseur in ein groteskes Horrormärchen, welches vor Kreativität nur so sprüht, denn das böse Haus, die „Prinzessin die es zu retten gilt, und ein Schatz im Keller haben doch etwas märchenhaftes an sich. Natürlich werden aber am ehesten die Horrorfreunde bedient, denn In bester Genre-Manier lässt der Drehbuchautor und Regisseur den Wahnsinn los und konstruiert ein wahnwitziges, wie auch gewalttätiges Katz- und Mausspiel, welches nicht nur Schocker bietet, sondern auch bewusst etwas überkandidelt und schwarzhumorig um die Ecke kommt. Craven setzt im Laufe des Films immer noch einen drauf und zieht die Spannungsschraube konsequent an, was deutlich zum fiesen Sehvergnügen beiträgt.
Während Brandon Adams in seiner Rolle als, über sich hinauswachsender, „Fool“ bestens funktioniert, sind doch Wendy Robie und Everett McGill die eigentlichen Stars des Films. Die beiden Schauspieler, die bereits in David Lynchs Kult-Serie „Twin Peaks“ als Ehepaar zu sehen waren, entpuppen sich als perfekte Besetzung des psychopathischen Paares. Die Beiden harmonieren auf eine perverse Art und Weise und dürfen kräftig chargieren. Bewusst überzeichnet, lassen McGill und Robie mit Bravour die rassistisch kapitalistischen, sowie egozentrischen Monster heraushängen. Zudem können die Beiden auch die besten Gags für sich verbuchen. Spätestens wenn McGill im „Hinkebein“-Gedächtniskostüm durch das Haus rennt, bleibt man nicht mehr ruhig sitzen. Auch der Rest der Besetzung ist stimmig, besonders Ving Rhames macht Freude als Zuhälter. Der Fokus liegt aber bewusst auf den Robesons, denen Craven ordentlich Spielraum bietet. Das ist auch der Grund, warum die Gore-Effekte zwar zahlreich vorhanden, aber nie im Vordergrund zu finden sind. „Das Haus der Vergessenen“ ist kein exploitativer Videotheken-Schocker, sondern sehr viel mehr. Ein Film, der sich verschiedener Tonalitäten bedient, und daraus ein stimmiges Süppchen kocht, während Craven den Film noch mit ordentlich Tempo veredelt, denn langweilig wird es hier nicht.
Nach 25 Jahren auf dem bösen Index, haben auch BPjM und FSK erkannt, dass „Das Haus der Vergessenen“ der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden sollte. Denn obwohl der Film ein finanzieller Erfolg war, genießt der Streifen nicht den Status, den er eigentlich verdient. Mit neuer Freigabe ab 16 Jahren und einer breiten VÖ von Koch Films, kommen nun auch mehr potentielle Fans in den Genuss dieses verkannten Klassikers. Auch wenn das Mediabook lediglich die, bereits vom Label 2014 veröffentlichte, Blu-Ray enthält, bekommt der Fan zumindest neues Bonusmaterial geboten. Als Extras sind im Set zwei Audiokommentare, mehrere Interviews, ein Making Of, sowie Bildergalerie und Trailer zu finden. Da die Preise der Koch-VÖs immer recht human sind, kann man hier bedenkenlos zugreifen.
Fazit:
Wes Cravens „Das Haus der Vergessenen“ (1991), ist ein aussagekräftiges und sozialkritisches Horrormärchen, welches neben saftig fiesen Ideen auch genug augenzwinkernde Momente bietet. Großartig besetzt und temporeich inszeniert, in der neuen Edition ein Must-Have für Genre-Fans!
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