Oh wie schön! Diesen Klassiker des 80er Kinos mochte ich immer gerne, denn er ist der einzige Film, der den Look von Michael Manns MIAMI VICE (1984), der die Filmlandschaft prägte, übertrifft. William Friedkin lief nach FRENCH CONNECTION (1971) zur künstlerischen Höchstform auf und inszenierte einen beinahe makellosen Neon-NewWave-Actionthriller aller erster Kajüte. Zeit also, sich diesen Film noch einmal anzusehen. Ich bin gespannt, ob der Streifen heute noch so gefällt, wie vor ein paar Jahren.
Originaltitel: To Live an Die in L.A.
Regie: William Friedkin
Darsteller: William Petersen, Willem Dafoe, Debra Feuer, John Turturro, Dean Stockwell, Steve James
Artikel von Kai Kinnert
Die erste Staffel von MIAMI VICE (1984) ist nicht zu unterschätzen.
Wie lange musste ich darauf warten, einen Artikel mit diesem Satz beginnen zu dürfen. Lange.
Michael Mann begann mit DER EINZELGÄNGER (1981) eine Bildsprache, die Licht und Farben, Bildeinteilung und Musik in einen kühlen Einklang brachte. Das Konzept wurde dann durch MIAMI VICE mit Palmen und Pastelltönen auf eine hellere Ebene gehoben und wurde so enorm erfolgreich und stilprägend. Die Staffel 1 von MIAMI VICE ist also aus technischen Gründen nicht zu unterschätzen. Sie ist die teuerste Staffel gewesen, da Michael Mann die Serie wie einen Kinofilm behandeln und dem entsprechend Ausleuchten und Filmen lies.
Mit Musik, Farben und einer starken Kamera die Action und Spannung zu erzählen, war der beste Filmlook, den die 80er hervorgebracht haben. Michael Mann machte so Elemente des Musikvideos im Film populär und William Friedkin holte sich den Wim Wenders Kameramann Robby Müller und kondensierte so diesen Stil in LEBEN UND STERBEN IN L.A. auf die nächste Ebene. Der Kameramann von PARIS, TEXAS (1984) ist hier jederzeit Herr der Lage und weiß um die richtigen Blickwinkel und Weiten für diesen nihilistischen Actionthriller. Das machen schon die ersten Minuten des Films klar. Die Kamera schwingt sich im Laufe des Films zu zeitlos gelungenen Einstellungen auf, da könnte man sich glatt einiges als Poster ausdrucken. LEBEN UND STERBEN IN L.A. ist rein optisch die souveräne Antwort auf Michael Manns MIAMI VICE Kosmos und zugleich künstlerisch eigenständig.
Dazu kommt die Musik der britischen NewWave Band WANG CHUNG, deren bester Song gleich mehrmals im Film eingesetzt wird. Die Titelsequenz von LEBEN UND STERBEN IN L.A funktioniert bis heute treibend gut. Neben der Hitze der Stadt vermittelt die videoclipartige Sequenz den Fluss des Falschgeldes durch den Alltag der Straße und etabliert den Moloch L.A. als Stadt ohne Übersicht. Friedkin verzichtete bewusst auf die ikonografische Skyline von Los Angeles und versucht dem Zuschauer die Orientierung zu nehmen, ähnlich wie seine Hauptfiguren, die mit lauter falschen Motiven die Story bevölkern. Eine weitere, mitreißend gute Sequenz gibt es, als Willem Dafoe bei seiner Arbeit als Geldfälscher vorgestellt wird. Das ist einfach cool, zumal der Vorgang zeigt, wie man wirklich Geld fälscht. Solche Szenen sind sichtbar authentisch und bereichern die Professionalität des Umfeldes, in dem die Story spielt. Michael Mann ging 1981 in DER EINZELGÄNGER ähnlich bei dem Einbruch in einen großen Tresor vor. Auch dort wurde unter Anleitung echter Experten real Vorgegangen.
Der Secret-Service-Agent Richard Chance (William Petersen) findet seinen Kollegen tot in einem Müllcontainer und schwört Rache. Agent Chance lebt sowieso am Limit und ist ständig auf der Suche nach Gefahr, um so sein Schicksal herauszufordern. Da kommt der Tod seines Kollegen ja gerade richtig. Wie besessen macht er sich auf die Jagd nach dem wirklich niederträchtigen Geldfälscher Eric Masters (Willem Dafoe), den er für den Mord an seinen Partner verantwortlich macht. Sein erbitterter Feldzug führt Chance schnell an die Grenzen der Legalität – und so greifen er und sein neuer Partner John Vukovich (John Pankow) mehr und mehr zu den blutigen und korrupten Methoden, die sie eigentlich tagtäglich bekämpfen…
William Friedkin machte daraus seinen vielleicht künstlerisch besten Film, der auf rein formaler Ebene mit zu den besten Filmen der 80er gehört. Hart, blutig und stilsicher wurde der Film für gerade mal 10 Millionen Dollar als Guerillafilm teilweise spontan mitten in den Straßen von L.A. gedreht und zeigt viele lebendige Szenen, in denen Friedkin die Kamera einfach weiter laufen ließ und die Schauspieler improvisieren mussten. Ein Stil, den er in FRENCH CONNECTION auch schon anwendete. Natürlich gibt es auch hier eine Autoverfolgungsjagd, die wirklich top ist und sich dabei noch dramaturgisch steigert. Die Agents sind gerade ihren Verfolgern entkommen, als sie plötzlich von allen Seiten durch eine Überzahl angegriffen werden und erneut Gas geben müssen.
Überhaupt gibt es ein paar harte Nummern in dem Streifen. Dabei war ich überrascht, wie blutig Friedkin zwei oder drei Einschüsse an Opfern inszenierte. Das hatte ich gar nicht mehr so auf dem Zettel. Da flogen schon die Fetzen.
LEBEN UND STERBEN IN L.A. ist auch heute noch ein guter, harter Actionthriller. Er ist stilsicher gefilmt, hat den richtigen Soundtrack und mit Willem Dafoe einen harten Hund als Bösewicht. Wer Filme dieser Art sammelt oder auch mal einem älteren Actionfilm eine Chance geben möchte, wird hier nicht enttäuscht werden. Der Film hat eine tolle Kamera, eine treibende Musik, gute Schauspieler und genügend Härte, um bis heute ein Klassiker seines Genres zu sein. Ein Muss für die Sammlung.
Das Mediabook ist schön gemacht. Das 24-seitige Booklet ist informativ und wirklich hübsch im Layout. Man hat sich in der Gestaltung wirklich Mühe gegeben. Es gibt eine Menge interessanter Extras, wie zB ein Making Of, einen Audiokommentar von William Friedkin, interessante Interviews (uA. mit dem Stuntkoordinator und der Band Wang Chung), entfallene Szenen, Trailer und ein alternatives Ende. Die Sache mit dem alternativen Ende ist ganz spannend und man bekommt es nach einer Einführung komplett mit Abspann zu sehen.
Das Bild ist kräftig und mit einer angenehmen analogen Körnung und einem guten Ton. Der Streifen präsentiert sich in Topqualität.
Trailer: