Hey, das sieht nach einem echten Gangsterfilm alter Schule aus! John Travolta spielt den berüchtigten Mafiaboss John Gotti, dem Kopf der Gambini Familie, die bis Anfang der 90er New York fest im Griff hatte. Es dauerte lange, bis die US Justiz Gotti hinter Gittern bringen konnte – und dort karrte man ihn tatsächlich wie Hannibal Lecter auf einer Sackkarre durch den Knast, so groß war die Angst vor seiner Flucht. Travolta passt für die Rolle, also wende ich mich frohen Mutes dem Film zu.

Regie: Kevin Connolly

Darsteller: John Travolta, Spencer Lofranco, Stacy Keach, Kelly Preston

Artikel von Kai Kinnert

Der Film beginnt mit dem sterbenden John Gotti im Knast. Eigentlich beginnt er aber damit, das John Travolta vor der Skyline New Yorks steht, auf den Hudon River sieht und sich dann zur Kamera umdreht und mit dem Zuschauer spricht. Gotti wird uns fortan als Erzähler durch die Rückblicke seiner Biografie begleiten und er beginnt mit dem Ende. John Gotti bekommt im Knast Besuch von seinem Sohn John Gotti Jr., der schon in jungen Jahren in die Fußstapfen seines Vaters trat und mit Mitte 20 ein „gemachter Mann“ war, dH er hatte bis dahin schon schwerste Straftaten begannen, denn die Gottis sind ein echter Mafia-Clan, der ganz nach den Regeln des „Systems“ lebte. Der Bengel besucht also Daddy, der gerade auf einer Sackkarre ins Besucherzimmer gefahren wird. Sein Sohn wird ihm im Laufe des Besuchs von einer Entscheidung berichten, die sich folgenschwer auf den Clan auswirken wird. Die Entscheidung von Gottis Spross beendete faktisch die Macht der Gambinis. In dieser Szene zu Anfang des Films hat Travolta auch gleich seinen besten Auftritt. Den einzig guten im ganzen Film.

Alt und mit Glatze, wahrscheinlich nahm man ihm nur das Toupet für die Aufnahmen ab, verstrahlt Travolta den herben Charme einer alternden Tom-Highway-Fresse und man nimmt ihm in diesem Augenblick ab, das er zur Not auch Kinder fressen würden, sollten es die Gesetze des Clans verlangen. Das Gespräch zwischen Vater und Sohn wird immer wieder durch Rückblicke auf den Aufstieg Gottis und seiner Familie unterbrochen und gibt sich von der Idee her wie ein Film von Scorsese, wie eine Art GOODFELLAS II. New York und die Mafia zwingen wahrscheinlich jeden Regisseur dazu, sich lang und breit bei Martin Scorsese zu bedienen, denn der hat maßgeblich den Look für solche Filme geprägt. Ausstattung und Bilder bemühen sich um eine breite Optik, die irgendwo zwischen Spät-60er und Mitte-90er angesiedelt ist. Dazu hat der Filmkomponist einen funky Soundtrack komponiert, der mit seinen trendigen HipHop-Anleihen voll am Bild vorbei dudelt. Seit Quentin Tarantino den musikalischen Stilmix einführte, kommt kein hipper Regisseur mehr daran vorbei es ihm gleichzutun. Nur leider leider, das muss man sagen, hat Tarantino eine große Plattensammlung und auch Musikgeschmack – etwas, was dem Regisseur und dem Komponisten völlig abgehen.

Als Paul Castellano, Führungsmitglied der Cosa Nostra, 1986 auf offener Straße erschossen wird, rückt Gotti, der den Mord selber in Auftrag gegeben hat, zum Mafia Boss von New York auf. Während Ehefrau Victoria (Kelly Preston) ihm den Rückhalt in einem scheinbar bürgerlichen Leben gibt, scheint Gotti auf lange Zeit unantastbar zu sein, weswegen er auch den Spitznamen „Teflon Don“ bekommen hatte, da alle Versuche, ihn einzubuchten, spurlos an ihm abperlten. Doch allmählich beginnt das Imperium zu wackeln. Am Ende wird er doch ins Bundesgefängnis einfahren und von dort aus sein Imperium steuern. Doch dann kommt es zu dem Besuch seines Sohnes, der eine folgenschwere Entscheidung getroffen hat.

So weit, so gut.

Doch der Streifen ist, man ahnt es langsam, stringent durchzogen von einer gewissen kreativen Unfähigkeit des Regisseurs, der vorher Erfüllungsgehilfe bei Serien wie ENTOURAGE (2010) oder SNATCH (2018) war. Dazu muss man wissen, das die US-Regisseure bei TV Serien nichts zu sagen haben, sie sorgen nur für den technisch sauberen Ablauf, die eigentlichen Chefs am Set sind die Drehbuchautoren. Und genauso wirkt GOTTI. Als hätte ein Regie-Automat nur „Action!“ und „Cut!“ gerufen und das war´s. Nicht nur das die Musik ein uncooles Grauen aus den Voreinstellungen des Synthesizers aus dem Keller von Jay-Z ist, sondern alles, wirklich alles an diesem Film, wirkt müde und uninspiriert. Wahrscheinlich haben sich alle vor dem Dreh nochmal GOODFELLAS und CASINO reingepfiffen und sofort begriffen, das niemand im Team das jemals hinbekommen wird. Leider hat niemand diese Erkenntnis dem Regisseur mitgeteilt, der unverdrossen fest an sich glaubte und GOTTI als Digitalproduktion herunterhämmerte. Befreit von jedem Charisma und jeder vernünftigen Bildsprache, zerschlunzt sich der Film tatsächlich innerhalb der ersten Minute. Wie Travolta vor New York steht und sich zum Zuschauer umdreht ist die Dekonstruktion eines Mediums innerhalb von Sekunden. Es sieht einfach nicht gut aus, so künstlich und so phlegmatisch gespielt, das man sofort weiß: Adieu!

Und es bewahrheitet sich. Alle Darsteller spielen unendlich müde, nichts bringt Schwung oder Dichte in den Streifen, nicht eine Sekunde kommt GOTTI in die Nähe seiner filmischen Vorbilder. Alles wirkt künstlich und bemüht, findet kein Timing und wird vom kreativen Desinteresse des Regisseurs zum lauen Abschreibungsprojekt für die nächste Netflix-Auswertung. Erst dachte ich, die deutsche Synchronisation ist schuld an diesem müden und zähen Mafiafilm und habe auf den englischen Ton umgeschaltet. Irrtum. Sie reden alle tatsächlich müde und ohne Schwung.

GOTTI wirkt wie ein Film, bei dem der Regisseur während des Drehs an seiner eigenen, fehlenden Kreativität verstorben ist. Scheinbar saß er schon ab dem vierten Drehtag tot im Regiestuhl und alle haben das für in sich gekehrte Zustimmung gehalten und so weiter gemacht, wie sie angefangen haben. Man muss schon harter John-Travolta-Fan und/oder Scientologe sein, um diesen Streifen als Sammelobjekt ins Regal zu stellen. Es tut mir leid, das ich das so deutlich sagen muss, aber GOTTI ist kein gestandener Mafiafilm, wie ich zuerst vermutet hatte. Er war so langweilig, das ich hinterher erst einmal zum Holz hacken gehen musste, um auf andere Gedanken zu kommen.

Das ist schade für den Film, aber gut für einen lauen Winterabend vor dem Kamin.

Als Extras gibt es ein Making Of, Trailer und eine Bildergalerie. Bild und Ton sind gut.

Trailer:

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