Es war eine der Aufsehen erregendsten Fluchtunternehmen der deutschen Geschichte, als 1979 zwei Familien, mit Hilfe eines selbstgebauten Heißluftballons über die Grenze der DDR flogen. Eine mitreißende Geschichte, die von Michael Bully Herbig für das Kino verfilmt wurde. Moment, WER? Ja, richtig, der gute alte Bully hat einen waschechten Thriller gedreht. Ob ihm diese Unternehmung ebenso geglückt ist, wie seinen Protagonisten erfahrt ihr in unserer Kritik zu BALLON (2018), der nun endlich im Heimkino erscheint.

Originaltitel: Ballon

Drehbuch: Kit Hopkins, Thilo Röscheisen, Michael Bully Herbig
Regie: Michael Bully Herbig

Darsteller: Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross, Alicia von Rittberg, Thomas Kretschmann…

Artikel von Christopher Feldmann

An Michael Bully Herbig scheiden sich die Geister. Viele lieben ihn, viele können aber auch rein gar Nichts mit ihm anfangen, denn Humor ist eben reine Geschmackssache. Humor, oder auch Comedy, ist eben immer noch das Eheste, mit dem man den deutschen Schauspieler, Autor und Regisseur assoziiert. Wir erinnern uns doch alle noch mit Freude an die BULLYPARADE, in der uns Herbig und seine Kollegen Rick Kavanian und Christian Tramitz regelmäßig auf PROSIEBEN zum Lachen brachten und uns kultige Figuren und Sketche schenkten. Nachdem die Show im Jahr 2002 endete, gelang es dem Tausendsassa erfolgreich im Kino Fuß zu fassen. Immerhin gilt DER SCHUH DES MANITU (2001) heute noch als einer der erfolgreichsten deutschen Filme aller Zeiten. Als er dann auch noch die, aus der TV-Show bekannte, Crew der TRAUMSCHIFF SURPRISE im Jahr 2004 in ein ebenso umsatzstarkes Kino-Abenteuer schickte, galt Bully als der neue Zuschauermagnet. Auch seine Adaption der Zeichentrickserie WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNER (2009) brachte einen großen Achtungserfolg. Seitdem hat er allerdings etwas Federn gelassen, denn sowohl LISSY UND DER WILDE KAISER (2007), als auch die Komödie BUDDY (2013) kamen weder bei Publikum, noch bei Kritikern so richtig gut weg. Und spätestens mit dem überflüssigen Rohrkrepierer BULLYPARADE – DER FILM (2017) habe ich das Multitalent als verbrannte Erde abgetan. Als angekündigt wurde, dass sein nächstes Projekt ein DDR-Thriller sein soll, der auf wahren Ereignissen beruht, war ich zunächst skeptisch, da ich zum einen keine Vergangenheitsbewältigung made in Germany mehr sehen möchte, und zum anderen weil ich mir die Frage stellte, ob Herbig überhaupt das richtige Gespür für einen ernsten Stoff hat. Die Antwort fällt überraschend aus, denn BALLON (2018) ist ein wirklich guter Thriller, von dem sich so manche Filmemacher hierzulande eine Scheibe abschneiden können.

Handlung:
Im kleinen Ort Pößneck, nahe der Grenze zur BRD, schmiedet Peter Strelzyk (Friedrich Mücke), gemeinsam mit seiner Frau Doris (Karoline Schuch) einen riskanten Plan. Zusammen mit der Familie von Günter Wetzel (David Kross), wollen sie aus der DDR fliehen, in einem selbstgebauten Heißluftballon. Dieser soll sie in derartige Höhen bringen, damit sie im Ernstfall dem Schießbefehl der Soldaten entgehen können. Da die Berechnungen allerdings nicht stimmen, bleiben die Wetzels freiwillig zurück und Peters Familie unternimmt einen eigenen Versuch, der jedoch scheitert. Ihnen gelingt es jedoch, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen, wieder nach Hause zurückzukehren. Allerdings werden die Überreste des zurückgelassenen Ballons von der Stasi entdeckt und unter der Leitung von Oberstleutnant Seidel (Thomas Kretschmann) beginnen diese zu ermitteln. Die, nach Freiheit dürstenden, Parteien wollen keine Zeit verlieren und arbeiten an einem neuen Ballon, der den gewünschten Erfolg bringen soll. Doch sie müssen sich beeilen, denn die Stasi ist ihnen dicht auf den Fersen.

Was habe ich mich auf BALLON (2018) gefreut, denn Bullys neuste Regiearbeit bekam bundesweit eine ziemlich gutes Kritikerecho, was ich wirklich nicht erwartet hätte. Nicht falsch verstehen, ich mag ihn wirklich für Vieles was er gemacht hat, hatte aber in der Vergangenheit das Gefühl, dass ihm die kreative Luft ausgeht. Mit BALLON hat er bewiesen, dass er weit mehr kann, als platte Blödel-Epen zu inszenieren. Mit seinem neuen Film, ist ihm ein klassischer Thriller gelungen, der es schafft bei einer Laufzeit von zwei Stunden durchweg zu fesseln. Dabei muss man sich vor Augen führen, dass die erzählte Geschichte tatsächlich so geschehen ist. Natürlich hat man für den Film ein paar kleine Schönheitskorrekturen gemacht, damit der Flow auch sitzt, dennoch bleibt man aber nah an den Fakten. Jetzt reicht eine gute Story nicht unbedingt für einen ebenso guten Film, denn man muss als Regisseur und Autor die Feinarbeit leisten, um den Zuschauer an die Geschichte zu binden, was hier allerdings sehr gut geglückt ist. Der Film hält sich nicht mit ewiger Exposition auf und schmeißt unsereins gleich in das Geschehen. Wir beginnen quasi, ohne große Vorarbeit, mit dem ersten Fluchtversuch. Somit beginnt BALLON damit, die Zügel gleich sehr stramm zu halten, ohne sie wieder zu lockern. Wo sich andere in ewigen Dialogen und Beziehungsgewusel verlieren, ist das Drehbuch zu diesem Film ziemlich tight und fokussiert sich auf das Wesentliche: Die Flucht und der Wettlauf gegen die Zeit. Es ist schon eine Kunst, einen Film dieser Art zu machen und dabei Längen zu vermeiden aber BALLON meistert dieses Kunststück mit Bravour und hat kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen. Die Dialoge sind gut geschrieben und wirken auch nicht so unfassbar „deutsch“ aufgesagt wie in anderen Produktionen.

Das liegt vor Allem daran, dass man hier eine exzellente Besetzung geboten bekommt, die die Rollen perfekt ausfüllt. Friedrich Mücke, David Kross und vor Allem Karoline Schuch sind großartig in ihren Rollen und transportieren die nötigen Emotionen an den Zuschauer, so dass man von der ersten Minute an mit den Figuren mitfiebert. Auch wenn einem das Ende der Geschichte geläufig ist, ist es umso mehr zu respektieren, wenn ein Film das auf die Kette bekommt. Der heimliche Star allerdings ist unser alter Kretsche, Thomas Kretschmann. Der mimt den Oberstleutnant Seidel und ist als Antagonist des Films eine richtige Wucht, brilliert er doch durch ein ausgeglichenes Maß an Bedrohlichkeit. Durch seine professionelle, fast schon schelmische Art, könnte man ihn glatt als den Hans Landa der Stasi bezeichnen. Diese tolle Besetzung fügt sich wunderbar in Herbigs pointierte Inszenierung ein, denn der Regisseur hat seine Hausaufgaben gemacht und hat dabei Verstanden wie man Spannung erzeugt. Ab und an übertreibt er es ein wenig und baut regelmäßig kleine Twists ein, die mit den Erwartungen des Publikums spielen sollen. Das ist ein klassischer Kniff des Genres, der gerne angewandt wird, allerdings wird dieser etwas oft eingesetzt. Das ist aber so ziemlich der einzige Kritikpunkt, den ich dem Film anlasten könnte, wenn man mal von ein paar mäßigen Digital-Shots, zum Beispiel das Brandenburger Tor, absieht, Wenn bedenkt, mit welchen Budgets Filmemacher hierzulande auskommen müssen, sei das aber verziehen. Abseits davon zeigt Bully aber sehr oft sein Gespür für gute Bilder, passende Stimmungen und effektive Szenarien. Hier hatte jemand richtig Bock und das spürt man durch die Bank. Und wenn das Happy End einsetzt, freut man sich nicht nur für die Charaktere, sondern auch für den Regisseur, dem hier wahrscheinlich der beste deutsche Kinofilm der letzten Jahre geglückt ist. Nimm DAS, Til Schweiger!

Nachdem erfolgreichen Run in den Kinos, veröffentlicht STUDIOCANAL den Film nun endlich auf Blu-Ray und DVD. Ich habe mir das Werk vor Release als VOD-Version angeschaut. Die Bild- und Tonqualität war makellos. Im Bonusmaterial der Scheibe werden noch diverse Featurettes zu sehen sein, in denen sogar Zeitzeugen zu Wort kommen werden, als auch ein Making-Of, B-Roll Footage und der Trailer.

Fazit:
Michael Bully Herbigs, auf wahren Ereignissen basierender, Film BALLON (2018), ist entgegen vieler Erwartungen, ein wirklich guter deutscher Thriller, der in Punkto Kulisse, Inszenierung und Drehbuch genauso überzeugt, wie bei der guten Besetzung. Wer mal wirklich gutes deutsches Kino, abseits vom BERLINALE-Dreck und dem Schweiger/Schweighöfer-Müll, sehen will, darf beruhigt sein, denn das gibt es noch!

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