Freunde des skandinavischen Krimis dürfen aufhorchen. Mit dem isländischen Drogen-Thriller kommt ein nihilistisch minimiertes Crime-Drama auf den Markt, das auch gut auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck hätte laufen können, dem einzigen Festival für skandinavische Filme in Deutschland. Da lief er aber nicht, obwohl da fast alles läuft. Ob zurecht, soll nun festgestellt werden.

Originaltitel: Vargur

Regie: Börkur Sigbórsson

Darsteller: Anna Próchniak, Ingvar Eggert Siguròsson, Rúnar Freyr Gislason, Gisli Örn Porsteinsdóttir

Artikel von Kai Kinnert

Rechtsanwalt Eriks wohl situiertes Leben gerät aus den Fugen, als sein Arbeitgeber ihn für das Fehlen von 30 Millionen Euro verantwortlich macht. Sein abgewrackter Bruder Atli scheint die richtigen Verbindungen zur kriminellen Unterwelt zu haben, um mithilfe eines Drogenschmuggels den Betrag ausgleichen zu können. Doch ihr menschlicher Kurier, die junge Sofia, fliegt auf und die ungleichen Brüder sehen sich immer tiefer in einen perfiden Strudel der Gewalt gezogen. Das Netz aus Polizei, skrupellosen Finanzhaien und eiskalter Mafia scheint ihnen kein Schlupfloch mehr zur bieten. Am Ende wird Rechtsanwalt Eriks keinen Hemmungen mehr vor größter Gewalt haben, um seinen Arsch zu retten.

Wie es sich für einen skandinavischen Thriller gehört, ist die Stimmung von Anfang an gleich mies. Zurückgehalten und ohne Schnörkel präsentiert der Film die Verlorenheit der Handlung an den Figuren. Rechtsanwalt Eriks hat seinen lädierten Bruder Atli, der extrem an Ciro Di Marzio aus der ebenso nihilistischen Serie GOMORRHA (2014) erinnert, zumal sich beide Schauspieler auch noch ähnlich sehen, als Begleiter für die menschliche Transportbox Sofia eingeteilt, um so Koks nach Island zu schmuggeln. Sofia sitzt nun, vom Stress gezeichnet, in irgendeinem Hinterzimmer und wartet auf die Koks-Gummiwürste, die sie gleich verschlucken darf. Schön in Olivenöl getränkt werden es gut 30 Würste sein, die sie runter würgt, um dann mit Pass und Flugticket am Flughafen abgesetzt zu werden. Im Flugzeug überkommt Sofia aber das Kotzen und sie reiert drei Koks-Würste ins Waschbecken, die sie schnell in die Hosentasche steckt, denn die Maschine ist gleich im Landeanflug und Sofia muss zurück auf ihren Platz. Nun gibt es allerdings das Problem, das sie sich mit den drei Koks-Gummis in der Hosentasche nicht am Zoll vorbei traut und sich so erst einmal auf die Flughafentoilette verzieht. Da steigert sich allerdings das Problem mit dem Koks, denn Sofia stellt fest, das sie nur noch zwei Koks-Gummis hat. Eines hat sie wohl irgendwo verloren. Da klopft es auch schon an der Toilettentür.

Als es an der Tür klopft, springt der Film zurück und zeigt die Situation Sofias aus der Sicht Atlis, der schon im Flugzeug sieht, das Sofia ein Problem hat. Ein feiner Kniff zur rechten Zeit, denn Atli ist zwar kein Unschuldslamm in dieser Story, jedoch der Einzige, der Sofia gegenüber noch einen Rest an Moral entgegen bringt. Er wird den Zoll später ablenken, damit Sofia nach der Situation auf der Toilette ungehindert einreisen kann. Inzwischen wird das verlorene Koks-Gummi vom Reinigungspersonal gefunden und die Polizei eingeschaltet. Mit Hilfe der Überwachungskameras im Flughafen werden nun die Ermittlungen aufgenommen. Das Chaos beginnt.

Während Rechtsanwalt Eriks immer tiefer in seine selbstproduzierte Scheiße rutscht, leidet Sofia an Verstopfung. Sie kann die verschluckten Würste weder nach oben, noch nach unten hin abgeben. Das wird zu einem eskalierenden Problem werden, das im Finale zu einem rabiaten Operationsansatz und einigen wohl platzierten Blutspritzern auf weißem Hemd sorgen wird. Obwohl zuvor alles unaufgeregt vor sich hin erzählt worden ist, holt hier Regisseur Sigpórsson schnell noch mal den Hammer raus und zeigt eiskalt, das mit isländischen Krimis nicht zu Spaßen ist. Gut so, denn so findet der Film seine aufgebaute Katharsis.

DIE FRAU IM EIS ist tatsächlich nicht schlecht. Wenn man die ruhig und doch angereicherte Stimmung der skandinavischen Filme mag, bekommt man hier einen soliden Thriller, der nicht zimperlich mit seinen Figuren umgeht und sein Ende nüchtern und doch recht knackig inszeniert. Der Film könnte auch ein Spin-Off zur Serie GOMORRHA sein, denn die Figuren und Situationen sind hier in ähnlichen Situationen und in der Erbarmungslosigkeit ihrer Charakterzüge gefangen.

Ein eiskalter Thriller für den Frühling, der bis zum Ende hin böse bleibt.

Als Extras gibt es einen isländischen und einen deutschen Trailer.

Das Bild der BD ist matt und doch gut. Der Film ist eben düster und in Skandinavien scheint wohl nicht oft die Sonne. Der Ton ist satt.

Trailer:

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