NETFLIX hat mal wieder einen neuen Film produziert, der aber, zumindest in Deutschland, gar nicht auf dem Streaming-Portal erscheint. Stattdessen landet CLOSE – DEM FEIND ZU NAH (2019) hierzulande auf Blu-Ray und DVD, was man fast schon als exklusiv bezeichnen könnte. Irgendwo zwischen TAKEN (2009) und MAN ON FIRE (2004) angesiedelt, muss sich Noomi Rapace bösen Buben in den Weg stellen, um eine Industriellentochter zu beschützen. Wir haben uns das neueste Release aus dem Hause EUROVIDEO angesehen, und verraten euch ob sich eine Anschaffung lohnt.
Originaltitel: Close
Drehbuch: Vicky Jewson, Rupert Whitaker
Regie: Vicky Jewson
Darsteller: Noomi Rapace, Sophie Nélisse, Indira Varma, Huw Parmenter…
Artikel von Christopher Feldmann
Actionthriller gehen eigentlich immer, und es ist fast schon erstaunlich, dass sich das klassische EINER GEGEN ALLE-Genre immer noch nicht wirklich abgenutzt hat. Liam Neeson, Denzel Washington, Matt Damon und so viele andere haben schon ihre Physis in solchen Werken unter Beweis gestellt, so dass es gerne gesehen wird, wenn auch mal das andere Geschlecht das Ruder übernimmt. Im Fall von CLOSE hat dies aber einen durchaus nachvollziehbaren Hintergrund, denn der Film wurde von den Tätigkeiten der Leibwächterin Jacquie Davis inspiriert, die erste britische Frau, die als Bodyguard ihre Brötchen verdiente. Sie betreute nicht nur prominente Persönlichkeiten wie J.K. Rowling oder Nicole Kidman, sondern war auch in Krisengebieten unterwegs, in denen sie schon niedergestochen und angeschossen wurde. Ein bewegtes Leben, weshalb man die gute Dame fix als Beraterin für das Projekt engagierte, um den Film so authentisch wie möglich zu gestalten. Irgendwann klinkte sich NETFLIX in die Produktion ein, weshalb CLOSE schon im Januar weltweit seine Premiere feierte. In Deutschland sicherte sich EUROVIDEO vorab die Rechte, weshalb der Action-Thriller bei uns erstmal im Heimkino verwertet wird. Allerdings wäre der Weg DIRECT-TO-VOD durchaus sinnvoll gewesen, denn CLOSE wirkt von vorne bis hinten wie ein klassisches Produkt des Streaming-Giganten, bei dem die weibliche Hauptrolle für die Produzenten wohl Originalität genug war.
Handlung:
Sam (Noomi Rapace) gilt als eine der besten Personenschützer, die ihre Fähigkeiten gerne in Krisengebieten einsetzt. Für eine Summe von 10.000 Pfund, soll sie die junge Millionärs-Erbin Zoe Tanner (Sophie Nélisse) beschützen, deren Vater kürzlich ums Leben kam. Da die aufmüpfige Zoe bis jetzt jeden männlichen Leibwächter in die Kiste gelockt hat, wurde nun ausdrücklich eine Frau verlangt. Ein Job, den Sam zuerst widerwillig annimmt. Doch schon bald müssen beide um ihr Leben kämpfen, denn skrupellose Entführer haben es auf die reiche Industriellentochter abgesehen.
Schon zu Beginn gibt CLOSE eine gewisse Marschrichtung vor. Wir begleiten Sam im Nahen Osten, wie sie zwei Journalisten bei einem feindlichen Anschlag das Leben rettet. Alles klar, mit der Dame sollte man sich besser nicht anlegen. Was dann folgt, ist ein Vorspann, der sehr an Bond-Filme erinnert und auch passend melancholisch mit einer ruhigen Cover-Version von Kate Bushs „Running Up That Hill“ unterlegt ist. Jetzt fragt man sich, ob CLOSE mit dieser Referenz nicht schon etwas zu hoch greift, die Antwort fällt dabei wenig überraschend aus, denn der Thriller ist leider lediglich Ware von der Stange.
Das Drehbuch von Rupert Whitaker und Regisseurin Vicky Jewson greift tief in die Mottenkiste bekannter Versatzstücke und präsentiert dem Zuschauer eine Story, die ganz klar nach Schema F funktioniert. Sam soll Zoe beschützen, welche sich natürlich erstmal erwartungsgemäß rebellisch verhält und später durchblicken lässt, dass ihr nur der Tod des Vaters ziemlich zusetzt. Auch Sam hat ihr Päckchen zu tragen, hat sie doch eine Tochter, die keinen Kontakt zu ihr hat. Hier werden also gleich zwei Punkte auf der filmischen Checkliste abgearbeitet, denn wir haben hier nicht nur die stumpfe Göre, die sich entwickeln muss, sondern auch die gebrochene Heldin, die eher auf Einzelgänger-Modus gepolt ist. Was dann folgt, ist der klassische Handlungsverlauf, wie man ihn erwartet, denn Entführer wollen Zoe ans Leder, Sam ist jedoch Bad-Ass in Reinkultur und macht alle platt, die sich dem unfreiwilligen Duo in den Weg stellen. Im Hintergrund versucht das Skript noch den Zuschauer miträtseln zu lassen, ob am Ende doch die Stiefmutter hinter der ganzen Sache steckt. Ein weiterer Punkt, der immer wieder Fahrt aus der Geschichte nimmt, da man sich oft mit Firmenpolitik und Börsenkursen beschäftigt, die für die HASSIM MINING, die Firma, deren Anteile Zoe erbt, wichtig sind.
Auch wenn die Handlung nichts Neues hergibt, hat man es dennoch geschafft, die Charaktere einigermaßen glaubhaft in Szene zu setzen. Man sollte als Zuschauer schon darauf gefasst sein, dass hier sehr oft in die Klischeekiste gegriffen wird, trotzdem hütet man sich auf angenehme Weise vor Übertreibungen und vertraut auf Bodenständigkeit, was besonders von den Darstellern gut vermittelt wird. Auch wenn Noomi Rapace eine gewisse Klischeefigur verkörpert, tut sie dies dennoch mit Hingabe und genug Engagement, dass man ihr die Rolle abnimmt. Auch Sophie Nélisse macht einen tadellosen Job, wird sie doch als absolute Nervensäge eingeführt, die man ganz schnell hassen könnte. Allerdings schafft es die junge Schauspielerin, viele Zwischentöne in ihr Spiel einzubinden, dass aus Zoe eine nachvollziehbare Figur wird, mit der man durchaus mitgehen kann.
Was den Film allerdings etwas runter zieht, ist die recht lasche Inszenierung. Selbst für NETFLIX-Verhältnisse, sieht CLOSE arg nach B-Film aus, der mit sichtbar reduziertem Budget auskommen musste. Richtige Schauwerte bekommt man nicht zu sehen, allerdings sind die Action-Szenen allesamt auf einem soliden Niveau. Die Kämpfe sind durchaus knackig und besonders Rapace kann hier mit ihrer Physis punkten. Die Shootouts sind erfreulicherweise angemessen blutig, locken aber auch niemanden hinter dem Ofen hervor. So könnte man eigentlich den gesamten Film beschreiben, denn alles ist solides Handwerk, allerdings nie originell oder gar beeindruckend, richtig spannend aber eigentlich auch nicht. Vicky Jewson hat aber wenigstens so viel Anstand, das Ganze auf schlanke 90 Minuten zu komprimieren, weshalb sich wirkliche Längen in Grenzen halten.
EUROVIDEO hat uns den Film freundlicherweise als Video on Demand zur Verfügung gestellt, weshalb wir keine Angaben zur finalen Bild- und Tonqualität machen können. Das Bonusmaterial besteht derweil aus einem 15-minütigen Making-Of und dem Trailer.
Fazit:
Mit CLOSE – DEM FEIND ZU NAH (2019) erreicht uns ein erneutes Direct-to-Video Release, welches aus der Masse leider nicht heraus sticht. Ein handwerklich solider Genre-Film, der mit Noomi Rapace die passende Darstellerin zur Verfügung hat. Auch die restliche Besetzung macht einen guten Job, allerdings ist der ganze Film „nur“ Mittelmaß mit vorhersehbarer Story und vielen Klischees. Für zwischendurch reicht es allemal, wenn man nicht zur Scheibe greift, hat man aber auch nichts verpasst.
Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen