Ich wette, jeder unserer Leser war als KInd irgendwann schonmal zu Gast in Bullerbü, besuchte die Villa Kunterbunt, begleitete Karlsson aufs Dach, lebte im Wald mit Ronja oder schaute, während er aufs Christkind wartete, Michel aus Lönneberga bei seinen Streichen zu. All diese Geschichten entstammen der kindlichen Phantasie der großen Astrid Lindgren, deren Biopic just beim Label dcp erschien. Wir haben uns den Film angeschaut und sagen Euch, ob der Film der Heldin aller Kinder gerecht wird.
Originaltitel: Unga Astrid
Regie: Pernille Fischer Christensen
Darsteller: Alba August, Trine Dyrholm, Henrik Rafaelsen, Björn Gustafsson
Artikel von Christian Jürs
Der Streifen beginnt 1987, an Astrid Lindgrens (Maria Fahl-Vikander) 80. Geburtstag. Einsam haust die alte, zittrige Dame in ihrer Wohnung und öffnet ihre zahlreiche Geburtstagspost, die sie von Kindern und sogar ganzen Schulklassen erhält und ein wenig Licht in das triste Leben der alten Dame bringt. Jeder dieser Briefe enthält große Dankbarkeit für die vielen schönen Geschichten, mit denen Frau Lindgren seit Jahrzehnten Kinderherzen höher schlagen lässt. Zurecht, immerhin wurden von ihren Büchern mehr als 165 Mio Exemplare an den Mann (bzw. das Kind) gebracht.
Immer wieder werden wir im Laufe des Filmes Kinderbriefe dieser Art vorgelesen bekommen, doch die eigentliche Handlung spielt in den zwanziger Jahren. Wir lernen die junge Astrid Ericsson (Alba August) kennen, die mit sechzehn Jahren als eines von vier Geschwistern auf einem Pfarrhof bei Vimmerby lebt. Die junge Dame mit ihren zwei Zöpfen ist nicht gerade ein Hingucker, weswegen sie bei Tanzveranstaltungen auch niemals von den jungen Männern aufgefordert wird. Doch in Astrid schlummert bereits ein klein wenig Pipi Langstrumpf, weswegen sie auch alleine ausgefallen mittanzt und sich auf dem Heimweg gerne die Seele aus dem Leib brüllt. Sehr zum Leidwesen ihrer Mutter Hanna (Maria Bonnevie), die die christlichen Werte des Pfarrhofs sehr stark verinnerlicht hat. Astrids Vater Samuel (Magnus Krepper) ist, ganz im Gegensatz zu der Vaterfigur Michels aus Lönnebergas, der eher lockere Elternpart, der der schreibbegeisterten jungen Dame einen Job als Volontärin bei der hiesigen Zeitung verschafft. Diese wird von Magnus Krepper (Henrik Rafaelsen) geführt, einem Herrn mittleren Alters, der getrennt von seiner Frau, jedoch noch nicht in Scheidung lebt. Die junge, etwas naive Astrid findet schnell gefallen an ihrem Arbeitgeber, lässt sich eine moderne Frisur verpassen und verführt schließlich ihren Chef. Als plötzlich Astrids Periode ausbleibt, wird die Situation auf dem chrislichen Pfarrhof brenzlig…
„Basierend auf Ereignissen aus Astrid Lindgrens Leben“ heißt es zu Beginn, was soviel bedeutet, dass man sich hier und da künstlerische Freiheiten ließ. Doch während man in Hollywood sicherlich die Dramatik des Ganzen mehr ausgekostet hätte, bleibt der Film unter der Regie von Pernille Fischer Christensen typisch skandinavisch unaufgeregt. In ruhigen Bildern ohne allzuviel Dramatik folgen wir der jungen Astrid beim Erwachsenwerden und dem Kampf um ihren Sohn Lasse, der aus der Affaire mit dem Zeitungsverleger resultiert. Eine schöne, authentische Erzählung, die vor allem von der hervorragenden Alba August in der Rolle getragen wird. Dank Ihrer Leistung und den entspannten Bildern Schwedens in den Zwanzigern vergehen die zwei Stunden ASTRID wie im Fluge.
Doch irgendwie wäre hier auch mehr drin gewesen. Der Film folgt dem Einmaleins des Biopics mit seiner gelegentlichen Sicht auf die alte Astrid an ihrem Schreibtisch in einer Wohnung voller Bücher. Doch irgendwie bleibt hinterher das Gefühl, dass man hier mehr hätte erzählen können. Mag sein, dass Astrid Lindgren nicht allzuviel aufregendes oder dramatisches mehr in ihrem immerhin 94 Jahre andauernden Leben widerfahren ist, doch hätte man gerne noch gesehen, wie sie ihr erstes Buch schreibt. Der Film hätte mit der Veröffentlichung ihres ersten Buches im Jahre 1939 enden dürfen, doch im Jahre 1930 ist für den Zuschauer bereits Feierabend. Auch Astrids späteren Ehemann Sture Lindgren (Björn Gustafsson) bekommen wir nur beiläufig vorgestellt. Das letzte Tüpfelchen auf dem „i“ bleibt uns somit verwehrt.
Bild und Tonqualität sind, wie bei einem neuen Film nicht anders zu erwarten, hervorragend. Der Film liegt in deutscher und schwedischer Sprachfassung vor, wobei man die Synchronisation als gelungen bezeichnen kann. An Bonusmaterial gibt es ansonsten leider nur ein Wendecover.
Zu guter Letzt noch ein Wort zur Altersfreigabe: Die FSK ab 6 Jahren ist mit Vorsicht zu genießen, da man eine (harmlose) Sex-, sowie eine Geburtsszene im Film zu sehen bekommt. Dies könnte hinterher Fragen aufkommen lassen.
Trailer: