Jeder hat Träume, und manchmal muss man für sie kämpfen. Dass das nicht immer ein gutes Ende nimmt, beweist das eindrucksvolle Drama HAUS AUS SAND UND NEBEL (2003), welches seinerzeit für insgesamt drei OSCARS nominiert wurde. Die Romanverfilmung ist vor Kurzem als Blu-Ray und DVD beim Label Studio Hamburg erschienen und wartet mit zwei brillanten Hauptdarstellern und einem packenden emotionalen Konstrukt auf.

Originaltitel: House of Sand and Fog

Drehbuch: Sahwn Lawrence Otto & Vadim Perelman; nach dem gleichnamigen Roman von Andre Dubus III
Regie: Vadim Perelman

Darsteller: Jennifer Connelly, Ben Kingsley, Ron Eldard, Frances Fisher, Kim Dickens…

Artikel von Christopher Feldmann

HAUS AUS SAND UND NEBEL (2003) ist kein einfacher Film, man könnte ihn auch als „schwer zugänglich“ bezeichnen, zumindest für den 08/15-Filmegucker, der sich am Abend gerne noch etwas berieseln lässt. Wer bei der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Andre Dubus III einen spannenden Thriller erwartet, sitzt auf dem falschen Dampfer, denn die klassische Tragödie betreibt ein subversives Spiel den Charakteren, ihren Träumen und ihren ethnischen Hintergründen. Der Debütfilm des gebürtigen Ukrainers Vadim Perelman erregte viel Aufsehen, allein durch die Konfrontation von Ben Kingsley und der hinreißenden Jennifer Connelly, die hier beide eine absolute Bestleistung abliefern. Und auch wenn man sich hier gegen gängige Konventionen sträubt, war ich von dieser Entdeckung äußerst angetan.

Handlung:
Kathys (Jennifer Connelly) Leben lief schon mal besser. Vom Mann sitzen gelassen und von einer Alkoholsucht gezeichnet, bleibt der Reinigungskraft nur noch das Haus, welches sie von ihrem Vater geerbt hat. Durch einen Verwaltungsfehler der Stadt San Francisco bezüglich angeblich nicht bezahlter Steuern, wird das Domizil den Behörden überschrieben, die es schließlich zum Spottpreis auf den Markt werfen. Für den ehemaligen iranischen Colonel Behrani (Ben Kingsley) der Schlüssel zu einem besseren Leben, muss er sich und seine Familie nach der Immigration in die USA doch als Tagelöhner durchschlagen. Doch auch für Kathy hat das Haus einen, nicht zu ersetzenden, Wert, weshalb es schnell zur Konfrontation der beiden Charaktere kommt, für die Aufgeben keine Option ist.

Mal davon abgesehen, dass HAUS AUS SAND UND NEBEL ein Roman zu Grunde liegt, hätten viele aus dem Stoff wahrscheinlich einen reißerischen Thriller gemacht, da sich die Prämisse des Films blendend dazu eignet, die Spannungsschraube immer weiter anzuziehen, damit man sich gegen Ende wunderbar eruptiv entladen kann. Dann hätte man das Ganze als Psycho-Thriller bezeichnet und wahrscheinlich wäre das auch ein cooler Film geworden, jedoch ist es, gerade in der heutigen Zeit, erfrischend, ein Werk zu sehen, dass mit den Erwartungen bricht und etwas gänzlich anderes macht, als man es vermuten würde. Schon die Einführung der beiden Charaktere bereitet den Zuschauer auf die Stimmung dieses tragischen Stückes vor. Behutsam werden Kathy und Behrani gezeichnet und aufgebaut. Während die Dame ein seelisches Wrack darstellt, die nicht mal ihrer Familie von ihrer gescheiterten Ehe berichten will, ist der Colonel aus dem Iran ein Träumer und ein Kämpfer, der den Mythos des amerikanischen Traums ziemlich wörtlich nimmt. Kathy ist keinen Deut besser, klammert sie sich doch verzweifelt an das, was aus ihren glücklichen Tagen übrig geblieben ist. Dabei ist das titelgebende Haus kein sonderlich schicker Prachtbunker der Luxuskategorie, sondern ein einfaches Heim in netter Lage. Es geht auch gar nicht großartig um das Haus, sondern um die Dinge, die es repräsentiert, nämlich Glück und Zufriedenheit. Zwei Dinge, nach denen sich beide Parteien sehnen.

Was den Film so besonders macht, sind sicherlich die guten Figuren, die sich gegenseitig immer weiter treiben und wegen ihrer Sturheit auch nicht dazu kommen, vernünftig miteinander zu kommunizieren. Der Knackpunkt an der ganzen Sache ist, dass beide als bodenständige Personen vorgestellt werden. Keiner ist besser als der andere, keiner ist mehr oder weniger sympathisch und beide haben auch nicht weniger recht als der jeweilige Kontrahent. Beide sind normale Menschen, wie du und ich. Dadurch fühlt sich das Gezeigte deutlich menschlicher und auch glaubwürdiger an. Eine interessante Basis für eine Spirale des Kampfes.

Keine Sorge, HAUS AUS SAND UND NEBEL mutiert nicht zum Schlachtfest, sondern ist eher Action der Emotionen. Es wäre leicht, Behrani als den Antagonisten zu stilisieren, die Züge dafür hätte er, doch der Film, beziehungsweise auch der Roman, machen tun das nicht. Stattdessen hilft er Kathy sogar, holt sie aus dem Auto in dem sie schlafen muss, versorgt sie später auch, trotz des Streits. Obwohl er von seinem Drang nach Wohlstand getrieben ist, ist Behrani kein Unmensch. Es sind die Missverständnisse und eben die Sturheit, die die Situation schließlich eskalieren lassen. Dabei bearbeitet das Drehbuch religiöse Symbolik und rechnet gezielt mit dem Kapitalismus ab, denn den Figuren wird erst spät bewusst, worum es eigentlich wirklich geht, oder zumindest gehen sollte. Ist Menschlichkeit nicht manchmal mehr wert, als materielle Besitztümer? Der Film liefert die Antwort.

Passend zu der Stimmung, ist HAUS AUS SAND UND NEBEL auch bildlich ein ruhiger Film, der sehr von seiner tristen Atmosphäre lebt. Vadim Perelman taucht die Bilder in einen doch recht grauen Look, eingestreut werden träumerische Aufnahmen der San Francisco Bridge, des titelgebenden Hauses und der Umgebung. Durch all diese Momente zieht sich ein Nebel, der erst gegen Ende verschwindet, eben wenn die Figuren klar sehen. Dazu kommt, dass Roger Deakins hier für die Kamera zuständig war und, wie so oft, tolle Arbeit abgeliefert hat. Schauspielerisch ist das Drama um jeden Zweifel erhaben, spielen sich Connelly und Kingsley doch die Seele aus dem Leib. Beide brillieren in ihren Rollen, die ihnen wie auf den Leib geschrieben zu sein scheinen. Sie sorgen dafür, dass der Konflikt behutsam entsteht, sich im Kopf des Zuschauers langsam entfaltet und schließlich zum Tragen kommt. Auch bei mir hallte dieses Werk noch nach. Da kann man auch schon mal verschmerzen, dass der Erzählstil doch recht langsam ist, manchmal fühlt es sich sogar schon etwas behäbig an und man hätte durchaus noch etwas weiter gehen können. Das liegt mitnichten am Film selbst, sondern eher an der subjektiven Wahrnehmung des Zuschauers, der anno 2019 mehr Wow-Effekte gewohnt ist.

Die Blu-Ray aus dem Hause Studio Hamburg bietet die Romanverfilmung in bester Bild- und Tonqualität an. Die Extras sind dagegen etwas mager, ist doch lediglich nur ein Trailer auf der Scheibe zu finden. Das kann man aber verschmerzen, da das Keep-Case, welches auch als DVD-Variante erhältlich ist, recht erschwinglich in jedem gut sortierten Shop vorhanden ist.

Fazit:
Vadim Perelmans Adaption des Bestsellers HAUS AUS SAND UND NEBEL (2003) ist exzellentes Schauspielkino und zugleich ein packendes Drama, welches gekonnt mit den Emotionen des Zuschauers spielt. Ein Film, den es heutzutage kaum noch gibt. Wer mal abseits des aktuellen Marktes Filme sehen will, die unkonventionell, geerdet und im wahrsten Sinne des Wortes Character-driven sind, der sollte sich dieses preisträchtige Werk ins Regal stellen. Eine klare Empfehlung!

Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen

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