Die Pokémon zogen damals, als sie das deutsche Fernsehen und die GameBoy Bildschirme eroberten, komplett an mir vorbei. Zu dieser Zeit hatte ich mehr Interesse an Parties, Bier und Bu… bunten Abenteuern mit Mädels. Trotzdem habe ich am vergangenen Sonntag den Schritt in Kino gewagt – wenn auch nicht ganz freiwillig – und saß nun dort. Im Gepäck eine 17-jährige, die den totalen Durchblick hatte und rund 100 Minuten lang gebannt auf die Leinwand starrte. Ob mir das Ding wohl auch gefallen hat?
Originaltitel: Pokémon: Detective Pikachu
Regie: Rob Letterman
Darsteller: Justice Smith, Kathryn Newton, Bill Nighy, Chris Geere, Ken Watanabe, Ryan Reynolds
Artikel von Victor Grytzka
„Oooooh, Pikachu ist voll süß!“ – „Aha!“. Das war so in etwa meine Reaktion, als das Tochterkind mit Entzückung in den Augen von den Pokémon erzählte. Für mich waren diese abgedrehten Knuddeldinger immer ein Mysterium. Alles was ich wusste – die haben spezielle Fähigkeiten und treten in Kämpfen gegeneinander an. Und die Begeisterungsshow ging weiter: „Der hier ist das stärkste Pokémon, das da ist eigentlich voll nutzlos, dem da explodiert der Kopf wenn er sich aufregt….!“ – „Aha, aha…“.
Detective Harry Goodman kommt bei einem Anschlag ums Leben. Sein Sohn Tim (Justice Smith) reist nach Ryme City, eine Stadt, in der Pokémon und Menschen im Einklang leben, um die Habseligkeiten seines Vaters abzuholen. Nach einem Treffen mit Harrys Boss Yoshida (Ken Watanabe) überschlagen sich die Ereignisse. Ein Pikachu (Ryan Reynolds), ehemaliger Partner von Harry, taucht auf und möchte gemeinsam mit Tim den Anschlag aufklären und zugleich sein Gedächtnis wieder erlangen, welches nach den Geschehnissen ausgelöscht zu sein scheint. Dazu bekommt Tim eine Substanz namens „R“ in die Finger, die aus friedlichen Pokémon unberechenbare Bestien macht. Schnell wird klar, dass die Ereignisse um seinen Vater mit diesem seltsamen Mittel im Verbindung stehen. Mit Hilfe der Bloggerin Jodie Blank und ihrem Pokémon „Enton“, beginnen sie die Untersuchungen. Die Spuren führen zu Roger Clifford (Chris Geere), Sohn von Howard Clifford (Bill Nighy), der ein großer Befürworter des Zusammenlebens zwischen Pokémon und Menschen ist, und mit seiner Company Therapien forscht, die den Menschen von Krankheiten heilen und perfektionieren sollen.
Da saß ich nun und konnte mich tatsächlich sofort an einigen Dingen der Produktion erfreuen. Zunächst gefiel mir die düstere und dreckige Optik von „Ryme City“ bei Nacht, die einen Hauch Steampunk mit sich bringt, und dabei einen Hauch von „Blade Runner“ versprüht, dabei allerdings weniger endzeitlich daherkommt. Grelle Neonreklamen, trostlose Straßenzüge bei Nacht… Gefällt mir. Die Pokémon, ein fester Bestandteil dieser Gesellschaft, wirken wie „aus einem Guss“, und fügen sich so perfekt in eine gelungene Grundstimmung ein.
Der Plot präsentiert sich als Mix aus Action, Comedy und Film Noir. Dabei wird jedem der Stilrichtungen der nötige Platz eingeräumt, so dass auch hier eine homogene Masse entsteht, die vor Tempo und Witz nur so sprüht. Die Gags sind dabei von familienfreundlich bis hin zu eindeutig zweideutig verteilt. Dies dürfte sowohl das junge Publikum, als auch die älteren Zuschauer ansprechen, so dass man hier wirklich von einem Film für die ganze Familie sprechen kann. Dabei ist das gesamte Konstrukt allerdings nicht zu kindisch geraten. Ich selbst war überrascht, wie schnell die 100 Minuten doch vergingen und mich dabei jederzeit bei der Stange halten konnten. Erfreulich sind auch die gelungenen Effektschlachten, die sich zu keiner Zeit zurückhalten mögen. Sei es nun ein bombastischer Kampf der Pokémon im Untergrund, eine Infiltration einer Forschungsanlage, oder eine spektakuläre Flucht durch einen „lebendigen Wald“.
Vielleicht sind es aber auch die sympathischen Charaktere, die mich begeistern konnten. Tim Goodman ist ein Hasenfuß mit Herz, der sich im Laufe der Geschichte zu einem wahren Helden wandelt, und dabei die schwierige Beziehung zu seinem Vater aufarbeitet, Jodie ist eine ambitionierte Nachwuchs-Reporterin, die hinter ihrem niedlichen Auftreten doch eher ein kleiner Hitzkopf ist, Pikachu ist zum brüllen komisch, wenn er mit großer Klappe und einer ausgeprägten Kaffeesucht durch die Gegend brettert und Enton, ja, Enton war seltsam. Nervig, totaaaaal nervig, aber irgendwie cool. Dazu gesellen sich (zwar) eindimensional gezeichnete „Bad Guys“, die so ziemlich jedes Klischee bedienen, das man in solch einem Film erwartet.
Wenn man dem Film etwas negativ anrechnen möchte, dann ist es der Plot. Dieser bietet zwar (wie oben erwähnt) eine ausgewogene Mischung und kommt temporeich daher, ist aber im Grunde dennoch simpel gestrickt. Wenig Überraschungen gibt es, und die Plot-Twists sind für ältere total durchschaubar, so dass der gewisse „Aha-Effekt“ ausbleibt. Jüngere Zuschauer werden nicht so schnell durchsteigen, weshalb ich diesen Umstand ein Stück weit verzeihen kann. Denn ich bin mit meinen 34 Lenzen definitiv nicht die angepeilte Zielgruppe. Dementsprechend wird der Zuschauer natürlich mit einem Happy End belohnt, das sich trotzdem irgendwie gut und richtig anfühlt. Denn „Meisterdetektiv Pikachu“ ist ein Abenteuer, das in vielen Punkten auch auf Emotionen aufbaut.
In wie weit man dabei „true“ zur Vorlage, bzw. zum Serienuniversum geblieben ist, das vermag ich nicht zu beurteilen. Zumindest habe ich einige Pokémon kennengelernt und festgestellt, dass die Viecher irgendwie doch ganz cool sind. Jetzt werde ich mich doch mal ein wenig mit der Materie beschäftigen. Einfach um zu verstehen, warum der Hype um die kleinen Monster schon so viele Jahre anhält. Irgendwas muss ja dran sein. Töchterchen war auf jeden Fall begeistert, und hatte bis zum Abspann einen Blick in den Augen, wie ein Kind am Weihnachtsabend.
Bei „Meisterdetektiv Pikachu“ handelt es sich um optisch beeindruckendes Actionkino, das einen Familienausflug ins Kino rechtfertigt, und sich bei Heimkinorelease auch in jeder Blockbuster-Sammlung gut machen wird. Kurzweilig, witzig, spannend – so muss Popcorn-Unterhaltung sein. Ich habe den Besuch im Kino nicht bereut, und das Pokémon-Universum interessiert mich jetzt doch irgendwie. Aus „Aha“ wurde am Ende „Oho“. Mission geglückt!
Trailer: