Ganze zehn OSCAR-Nominierungen konnte THE FAVOURITE – INTRIGEN UND IRRSINN (2018) in diesem Jahr verbuchen. Auch bei anderen renommierten Preisverleihungen fand der dritte englischsprachige Film von Yorgos Lanthimos regen Anklang. Nun erscheint der opulente Kostümfilm im Heimkino, weshalb auch wir uns zur Audienz am königlichen Hof eingefunden haben, um einen amüsanten Blick hinter die Kulissen der Macht zu erhaschen.

Originaltitel: The Favourite

Drehbuch: Deborah Davis, Tony McNamara
Regie: Yorgos Lanthimos

Darsteller: Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone, Faye Daveney, Emma Delves…

Artikel von Christopher Feldmann

Bereits mit seinem Erstlingswerk DOGTOOTH (2011) rockte der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos zahlreiche internationale Festivals. So sehr, dass sein Weg direkt nach Hollywood führte und ihn an die Spitze einer neuen Welle kreativer Newcomer beförderte, deren Filme alles andere als Mainstream sind und von ihren eigenwilligen Motiven leben. Lanthimos hat sich in den letzten Jahren darauf spezialisiert, die Absurdität in vermeintlich alltäglichem aufzuzeigen, und wer seine beiden beliebten englischsprachigen Werke THE LOBSTER (2016) und KILLING OF A SACRED DEER (2017) gesehen hat, weiß wie das gemeint ist. Mit THE FAVOURITE hat sich der visionäre Filmemacher nun, überraschenderweise, einem Terrain zugewandt, welches man wohl nicht erwartet hat. Statt in die Gegenwart einzutauchen, zieht es den Griechen in die Vergangenheit. THE FAVOURITE ist ein eigenwilliger Kostümfilm geworden, ein opulentes Lustspiel über Macht, Intrigen, Zuneigung und an der Perversion grenzende Dekadenz.

Handlung:
Am englischen Königshof des frühen 18. Jahrhunderts regiert die Königin Anne (Olivia Colman) mehr schlecht als recht. Durch ihre schwere Krankheit gezeichnet mangelt es ihr an entschlossenem Handeln. Sie ist emotional schwach und leicht manipulierbar, was ihre Beraterin Herzogin Sarah Churchill (Rachel Weisz) schamlos ausnutzt, um die wichtigsten Entscheidungen zu treffen. Durch eine heimliche Liebschaft mit der Königin steht sie in deren Gunst und regiert das Land quasi selbst. Während das Volk, durch den anhaltenden Krieg mit den Franzosen eidet, wird der Adel mit rauschenden Festen bei Laune gehalten. Erst als Sarahs Cousine Abigail (Emma Stone) am Hof eintrifft, um eine Anstellung zu bekommen, beginnt das Machtkonstrukt zu bröckeln. Durch ihre einfühlsame Art macht sie langsam Sarahs Posten streitig und es entbrennt ein intrigantes Spiel um die begehrte Position.

Eigentlich birgt die zeitliche Verortung von THE FAVOURITE den nötigen Stoff für ein packendes Historiendrama in Mitten eines großen Krieges. Ein Volk das leidet und ein Königshaus, welches vor schwierigen Entscheidungen steht, die passenden Zutaten für ein politisches Kabinettsstück. Jeder andere Regisseur hätte daraus wahrscheinlich ein ähnlich zähes Vergnügen gemacht, wie die Gary Oldman-Show THE DARKEST HOUR (2017). Doch Yorgos Lanthimos schlägt einen anderen Weg ein, indem er sich nicht mit politischen Diskussionen und prestigeträchtiger Geschichtsaufarbeitung beschäftigt, sondern seinen Blickwinkel ganz gezielt auf das lenkt, was wahrscheinlich in keinen Büchern steht. THE FAVOURITE ist ein Lustspiel mit dramatischer Komponente, welches sich mit den Absurditäten des Adels auseinandersetzt. Während das Volk hungert, frisst dich die Obrigkeit die Plauze voll, veranstaltet Rennen mit Enten und feiert rauschende Feste im Ballsaal. Wichtige Entscheidungen werden erstmal vertagt, wenn die Königin gerade keine Laune hat. Und auch wenn das Geld in der Staatskasse knapp ist, ein Schloss für die geliebte Freundin ist immer noch drin. Lanthimos demontiert ganz gekonnt den Mythos des strengen und gesitteten Königshauses, denn hier geht es recht frivol zur Sache. Nackte Tortenschlachten und lesbische Rendezvous scheinen wichtiger zu sein.

Inmitten dieses Sujets zelebriert das Skript von Deborah Davis und Tony McNamara genüsslich eine Dreiecksbeziehung, die kleine Mädchen in der Grundschule führen. Wer ist die bessere Freundin? Wer ist beliebter? Wer darf aktiv mitspielen und wer ist am Ende raus? Diese Banalitäten werden bis ins absurde überhöht und entfalten so eine gewisse gewollte Komik, die aber auch nicht immer zündet. Der Humor des Films ist so eine Sache für sich, eigentlich wie in jedem Lanthimos-Film. Es sind weniger die Worte, sondern mehr die Momente und die Zusammenhänge, die den Witz von THE FAVOURITE ausmachen. Wenn zusammengekauerte Bedienstete gezeigt werden, für die Luxus ein Fremdwort ist, und gleichzeitig ein nackter Lord gegengeschnitten wird, der sich freudestrahlend mit Essen bewerfen lässt, dann ist das irgendwo auch plakativ, aber auch effektiv für das, was der Film sein möchte. Und trotzdem übertreibt das Drehbuch an manchen Stellen auch. Manche Dialoge, sogar ganze Szenen, werden oftmals bis zum Äußersten der Erträglichkeit in die Länge gezogen. Lanthimos versucht einfach zu oft das Ganze auf skurril zu bürsten, dem Zuschauer alles zu erklären, was den Film immer mal wieder etwas ausbremst.

Allerdings macht das Wetteifern um die Gunst der Königin an sich trotzdem ziemlich viel Spaß, was vor Allem an den schönen Wortgefechten und den hervorragenden Schauspielleistungen liegt. Olivia Colman, die für ihre Rolle als Königin Anne den OSCAR als beste Hauptdarstellerin einheimste, brilliert als lädierte Herrscherin, die eigentlich gar nicht mehr regierungsfähig, sondern nur noch ein Schatten ihres Selbst ist. Sie ist der Motor, der die weiteren Charaktere antreibt. Rachel Weisz ist ebenso famos als intrigante Herzogin, die ihre Position deutlich genießt. Emma Stone macht die größte Entwicklung durch und wandelt sich vom kleinen Dienstmädchen zur ebenbürtigen Gegnerin, die selbst irgendwann zu gemeinen Hilfsmitteln greift.

Auch die Ausstattung weiß im höchsten Maß zu gefallen. Die Kulissen, die Kostüme, alles erste Sahne. Hier wurde wirklich auf Detailtreue geachtet, weshalb THE FVOURITE schon optisch ein wahrer Schmaus für jeden Filmfan ist, der sich gerne in üppigen Kulissen verliert. Was mich allerdings den ganzen Film über etwas auf Distanz gehalten hat, sind die kühlen Bilder, in die Lanthimos die Szenen taucht. Das Geschehen wirkt oft steril und macht den Eindruck, als war Christopher Nolan längerfristig am Set als Berater unterwegs. Keine Frage, die Kamera ist großartig aber allein die Optik ist nicht meine Tasse Tee. Sie hat mich daran gehindert, mich in der Ausstattung zu verlieren. Wenn man die Vorgängerwerke des Regisseurs gesehen hat, weiß man, was man geboten bekommt.

Bei den OSCARS konnte THE FAVOURITE nicht alle Erwartungen erfüllen und ging, angesichts der Nominierungen, ziemlich leer aus. Trotz allem war der Kostümfilm ein finanzieller Erfolg, spielte er doch bei Produktionskosten von knapp 15 Millionen US-Dollar stattliche 95 Millionen US-Dollar wieder ein. Bei einem Film dieser Art, kann das wohl als ein gutes Ergebnis gewertet werden. TWENTIETH CENTURY FOX bringt den Kritikerliebling nun auch hierzulande ins Heimkino. Während Bild- und Tonqualität erwartungsgemäß erste Sahne sind, bekommt der Filmfan neben dem Originaltrailer und entfallenen Szenen auch ein interessantes Making-Of im Bonusmaterial geboten.

Fazit:
Yorgos Lanthimos dritter englischsprachiger Film THE FAVOURITE – INTRIGEN UND IRRSINN (2018) ist einer der ganz großen Lieblinge der vergangen Award-Season. Vollends begeistert bin ich nicht, verleiden mir die krampfhaften Skurrilitäten, die in die Länge gezogenen Gags, sowie die optische Kälte immer wieder die Seherfahrung. Allerdings machen die großartigen Darstellerinnen, das charmante Intrigenspiel, sowie die tolle Ausstattung das Alles fast schon wieder wett. Ein Film, der nicht jedem gefallen wird aber eine Sichtung sollte man auf alle Fälle wagen!

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