Während der US-Godzilla noch über unsere Leinwände stapft, haut Anolis Entertainment einen Klassiker aus der Ur-Reihe raus, inszeniert von Ur-Regisseur Ishirō Honda und einer noch Ur-bösen Echse, die sich gegen Ur-Weltraupen zur Wehr setzt. Außerdem am Start: Ur-Zeitmotte Mothra. Alles mit Ur-komischen Effekten aus der japanischen Mottenkiste. Da vergeht die Zeit auf der U(h)r wie im Fluge.
Originaltitel: Mosura tai Gojira
Regie: Ishirō Honda
Darsteller: Akira Takarada, Yuriko Hoshi, Hiroshi Koizumi, Haruo Nakajima
Artikel von Christian Jürs
Neulich in Japan: Durch einen tobenden Sturm wird ein Riesenei an die Küste eines frisch errichteten Siedlungsgebietes getrieben. Die Presse ist außer sich vor Aufregung. Ganz nebenbei wird ein kleines, radioaktives Dingsbums angeschwemmt, dass verdächtig nach einem Godzillaforunkel ausschaut. Doch nur das Ei spielt im Fortlauf der Handlung noch eine Rolle. Dieses reißen sich die windigen Gechäftsmänner Kumayama (Yoshifumi Tajima) und sein Partner Torahata (Kenji Sahara) unter den Nagel. Doch sie wollen nicht etwa den Rekord im Riesenomelett braten brechen, sondern schlicht mit der Attraktion einen Haufen Kohle scheffeln.
Der Journalist Ichiro Sakai (Akira Takarada) sowie seine Fotografin Junko Nakanishi (Yuriko Hoshi) und Professor Miura (Hiroshi Koizumi) finden das gar nicht fein und versuchen, die geldgierigen Geschäftsleute zum Umdenken zu bewegen. Hilfe erhalten sie von zwei zwergenhaften Damen (Emi und Yumi Itô), deren Körpergröße in etwa einer Barbiepuppe entspricht und die natürlich auch eine Gesangseinlage mitgebracht haben. Diese stammen von einer Südseeinsel und warnen vor dem Zorn Mothras, einer Riesenmotte, die auf dieser Insel haust und ihr Ei unbedingt wieder haben möchte. Sie würde alles daran setzen, dieses zurück zu erobern. Doch nicht nur der putzige Falter möchten das Ei für sich, auch unsere liebste Riesenechse steigt plötzlich aus dem Sand des Neubaugebiets empor. Scheinbar hat Godzi da ein langes Verdauungsschläfchen gehalten, was den Bauarbeitern des Wohngebietes nicht aufgefallen ist. Die selben Männer arbeiten übrigens gerade am Berliner Flughafen. Godzi ist jedenfalls ein Morgenmuffel und hat nichts besseres vor, als das Ei und die üblichen Hochhäuser, die ihm nebenbei begegnen, zu vernichten. Ob Mothra den Menschen trotz ihrer Habgier helfen wird?
Der vierte Godzillafilm überhaupt war der Letzte der sogenannten Showa-Reihe, in der die Echse noch als böses Monster dargestellt wurde. Noch im selben Jahr half er dann, als eines von Frankensteins Monstern im ersten Kampf gegen Ghidorah. Ein Kampf, der bis heute andauert, wie Kinogänger ja aktuell wissen. Tatsächlich war Godzi damals noch nicht das ganz große Kultmonster, was seine Namensnennung an zweiter Stelle im Originaltitel verrät.
In meiner Kindheit war dieser Film so etwas wie ein Mythos. Bereits mit sieben Jahren mutierte ich, dank der ersten Videothek in Lübeck, zum Fan der Riesenechse. Doch mein Universum begann erst mit dem 1966 entstandenen FRANKENSTEIN UND DIE UNGEHEUER AUS DEM MEER. Bis auf ein weiteres, fehlendes Werk (GODZILLA – ATTACK ALL MONSTERS), begleiteten mich alle Folgefilme der Showa-Staffel durch meine Grundschulzeit. Vielleicht ist dies der Grund, warum ich immer mehr zum Team Jun Fukuda, denn zu Honda tendierte. Ein Klassenkamerad schilderte mir dann Mitte der Achtziger von den URWELTRAUPEN, die er wohl mal im Fernsehen gesehen hatte. Fortan bagab ich mich auf die erneute Suche, wurde aber niemals fündig, da der Film nie auf Video erschien und lediglich im Kino aufgeführt wurde.
Doch seit es der Film, damals noch von Label ASTRO, in einer bescheidenen Qualität, auf den Markt geschafft hatte, wurde aus dem Mythos endlich Realität. Und was soll ich sagen? Der Film macht einfach Spaß, auch wenn er weit hinter Fukuda Heulern wie FRANKENSTEINS HÖLLENBRUT und KING KONG GEGEN GODZILLA zurückbleibt. Honda drehte halt ernstere Monsterfilme. Es gelingen ihm dabei auch tolle, handgemachte Effekte (Achtung, liebe Kinder, dies ist ein alter Film, da wurde noch alles von Hand gebaut, ganz ohne Computer) und seine Figuren tragen neben der Monsteraction noch den Film (im Gegensatz zum aktuellen Beitrag aus den USA). Doch ist es auch keine ganz große Nummer im Godzi-Universum geworden. Es beginnt bei seinem Aussehen. Irgendwie sieht es aus, als trage er Theo Waigels Augenbrauen, was recht bizarr wirkt. Besonders schwach ist leider der Kampf „angepisste Echse gegen puschelige Plüschmotte“, der eigentlich nur aus wirrem herumgezappel besteht. Godzilla verhält sich wie ein Lappen und geht verdient K.O. in der zweiten Runde.
Ware Fans werden um diese Veröffentlichung jedoch trotzdem nicht herumkommen, denn einmal mehr ist es ANOLIS gelungen, das Möglichste aus Film, Bonuscontent und Design herauszuholen. Der Film liegt in der ungekürzten, japanischen Kinofassung und der gestrafften, deutschen Version vor. Bild (2,35:1) und Ton (japanisch und deutsch in 2.0) sind bei beiden Versionen fabelhaft. Der Vorspann der deutschen Version hat allerdings ordentlich gelitten und ist voller Kratzer, was jedoch den Charme noch mehr ausmacht. Ich bevorzuge diese Version, da der Film dann komplett in deutscher Sprache genossen werden kann. Die Synchronisation ist nämlich ganz ausgezeichnet und wird von Sprechern wie Arne Elsholtz, Wolfgang Völz, Gerd Martienzen, Edgar Ott und Gerd Duwner veredelt.
Das Bonusmaterial kann zudem mit zwei deutschsprachigen Audiokommentaren zur japanischen Schnittfassung punkten. Beim Ersten kommen Kultregisseur und größter, deutscher Godzilla-Fan Jörg Buttgereit, zusammen mit Bodo Traber und Alexander Iffländer zu Wort. Den Zweiten Audiokommentar bestreitet Florian Bahn, von dem ich vorher nie etwas gehört habe, im Alleingang und gibt dabei viele interessante Hintergrundinformationen zum Besten. Des weiteren gibt es ein Interview mit Hauptdarsteller Akira Takarada, sowie Werbematerial wie Bilder und Trailer, sowie die Super-8-Fassung für Leute, die es ganz eilig haben. Ein 19 seitiges Booklet rundet die Sache ab.
Auch wenn der Film nicht zu meinen Favoriten gehört (Florian Bahn sieht das ganz anders), ist diese Edition erneut zwingend empfehlenswert.So liebevoll präsentiert wie hier bekommt man selten eine Veröffentlichung. Außerdem ist das Metalbook mal wieder streng limitiert und dürfte in ein paar Monaten bereits saftige Preise erzielen. Deshalb lieber nicht lang fackeln, sonst besuchen dich die penetrant singenden Zwillingszwergenmädchen.
Trailer: