Als sich der hungrige Journalist Jay Bahadur im Jahr 2008 auf eine Reise nach Somalia begab, ahnte er nicht, welche Wellen diese Unternehmung schlagen würde. Sein Buch diente als Vorlage für den Film THE PIRATES OF SOMALIA (2017), den uns nun NEW KSM ins Heimkino gebracht hat. Wir haben uns das Drama mal genauer angesehen.
Originaltitel: The Pirates of Somalia
Drehbuch: Bryan Buckley; basierend auf dem Buch „The Pirates of Somalia: Inside Their Hidden World“ von Jay Bahadur
Regie: Bryan Buckley
Darsteller: Evan Peters, Barkhad Abdi, Al Pacino, Melanie Griffith, Coral Pena…
Artikel von Christopher Feldmann
Die Piraterie in Somalia sorgte vor mehr als zehn Jahren für weltweite Aufmerksamkeit. Es begannen hitzige Diskussionen in den Medien und in der Politik, die die Piraten oft als barbarische Verbrecher klassifizierten. Eine recht einseitige Debatte, hat sich doch niemand für die Hintergründe, geschweige denn für das Volk von Somalia wirklich interessiert. Einzig Jay Bahadur, ein angehender Journalist aus Toronto, machte es sich zur Aufgabe, eine Reise in das, von Armut und Unruhen gezeichnete, Land zu unternehmen, um die Hintergründe zu recherchieren. Sein Buch THE PIRATES OF SOMALIA: INSIDE THEIR HIDDEN WORLD landete schließlich auf der Bestsellerliste der NEW YORK TIMES und half dabei, den Blickwinkel der westlichen Welt zu verändern. Regisseur Bryan Buckley hat sich das Buch zur Vorlage genommen, um die Geschichte eines investigativen Journalisten zu erzählen, der zu Beginn eigentlich keiner war. THE PIRATES OF SOMALIA wurde auf dem TRIBECA FILM FESTIVAL uraufgeführt und erhielt positive Resonanz. Eine Resonanz, die auch wir wiedergeben können. Zwar vermeidet das Drama wirklichen Tiefgang, punktet aber durch seine mitreißende Erzählweise und gute Hauptdarsteller.
Inhalt:
Jay Bahadur (Evan Peters) hat einen Traum. Er will ein angesehener Journalist werden, doch kein Verlag, geschweige denn eine Universität, will dem Kanadier eine Chance geben. Somit fasst er den Plan, seine Karriere auf eigene Faust anzutreiben. Inspiriert durch eine Zufallsbekanntschaft mit der Reporterlegende Seymour Tolbin (Al Pacino), findet er eine Herausforderung: Eine Reise in das Herz von Somalia, um ein Buch über die Menschen und die dort verbreitete Piraterie zu schreiben. Trotz der Bedenken seiner Eltern (Russell Posner, Melanie Griffith) wagt er diesen mutigen Schritt und begibt sich gemeinsam mit dem gut vernetzten Übersetzer Abdi (Barkhad Abdi) auf eine heikle Odysee, bei der er immer weiter gehen muss, um Gehör zu finden.
THE PIRATES OF SOMALIA beginnt recht vielversprechend mit einem Einblick in Bahadurs Leben als College-Absolvent, der bei seinen Eltern im Keller lebt und sich mit Marktstudien für Servietten über Wasser hält. Gleichzeitig träumt der intelligente Schreiberling von einer Karriere als investigativer Journalist, was schon daran zu erkennen ist, dass ein Poster zum Politthriller-Klassiker ALL THE PRESIDENTS MEN (1973) an seiner Wand hängt. Hier punktet der Film, da sich die Einführung Zeit lässt, die Hauptfigur zu etablieren, ohne dabei in Langatmigkeit zu abzugleiten. Sogar etwas Humor und Selbstironie finden ihren Platz, was sich als gut gewählte Elemente erweisen, die sich immer wieder unterschwellig in der Handlung wiederfinden. Keine Sorge, der Film ist mitnichten eine Komödie, sondern ein erster Film, der ernste Ereignisse behandelt, jedoch gewinnt er durch seine fluffige, erstaunlich unprätentiöse Erzählweise an Sympathie des Zuschauers. Jay Bahadur ist ein vielseitiger Mensch, der seine Aufgabe ernst nimmt und Risiken eingeht aber immer menschlich bleibt, weshalb er auch ab und an einen kessen Spruch auf den Lippen hat. Diese Tatsache nimmt dem Film an Schwerfälligkeit, was mir immer gut gefällt, da ich es nicht so gerne mag, wenn Filme mit Anlauf versuchen, mich klinisch depressiv zu machen.
Allerdings büßt THE PIRATES OF SOMALIA damit auch etwas an Tiefgang ein. Die Tatsache, dass die Geschichte komplett aus den Augen des Protagonisten erzählt wird und stark auf seine eigenen Gefühle eingegangen wird, sorgt dafür, dass manche Kernelemente über Piraterie und das Volk von Somalia etwas oberflächlich abgearbeitet werden. Trotzdem bleibt das Drehbuch von Regisseur Bryan Buckley immer noch effektiv genug, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Die Dialoge sitzen und die Locations wirken authentisch, weshalb sich der Film durchaus echt anfühlt. Auch die somalischen Menschen werden angemessen gezeichnet.
Der Film hat das Glück, mit Evan Peters, den man als Quicksilver aus den aktuellen X-MEN Filmen kennen könnte, den perfekten Hauptdarsteller gefunden zu haben. Peters bringt eine ganze Palette an Emotionen mit, die sich wunderbar in die Geschichte einfügen und nie zu übertrieben wirken. Er verleiht dem Film die nötige Seele. Ebenso überzeugen kann Barkhad Abdi als Bahadurs Begleiter, der nach und nach eine freundschaftliche Beziehung aufbaut. Spielte Abdi noch im Drama CAPTAIN PHILLIPS (2013) eine somalischen Piraten, agiert er jetzt von der anderen Seite aus, und macht das erstaunlich gut. Die weiteren Figuren erscheinen nur am Rande und haben wenig zu tun, was vor Allem für Hollywood-Legende Al Pacino gilt, der ganze fünf Minuten zu sehen ist. Auch Banderas-Ex Melanie Griffith hat als Jays Mutter nur drei Szenen.
Auch die Regie von Bryan Buckley, der bisher kaum aufgefallen ist, passt sich wunderbar dem erzählerischen Ton des Films an und liefert interessante Aufnahmen in einem ruhigen Stil, bei dem man den Geschehnissen gut folgen kann. Interessante Einfälle und richtig starke Bilder sucht man hier zwar vergebens, jedoch kann man diese Leistung getrost unter „solidem Handwerk“ verbuchen.
Die Blu-Ray von NEW KSM, welche uns freundlicherweise vom Verleih zur Verfügung gestellt wurde, punktet mit guter Bild- und Tonqualität. Nichts, was Bäume ausreißt oder das Rad neu erfindet aber den aktuellen Standards wird die technische Komponente gerecht. Neben diversen Trailern und einer Bildergalerie, bietet das Bonusmaterial noch eine 8-minütigen Interviewclip mit Cast & Crew. Etwas schmal aber mehr habe ich auch nicht erwartet.
Fazit:
Die Besteller-Verfilmung THE PIRATES OF SOMALIA (2017) ist gute und mitreißende Unterhaltung, zwar nicht preisverdächtig aber eine Sichtung wert. Auch wenn die brisanten Themen etwas oberflächlich abgearbeitet werden, punktet der Film mit einer angenehm unprätentiösen Erzählweise und zwei starken Hauptdarstellern. Empfehlenswert!
Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen