Ihr mögt kleine, fiese Thriller, die den Zuschauer auch gerne mal mit überraschenden Wendungen konfrontieren? Dann haben wir einen kleinen Tipp für euch, denn mit THE PERFECTION (2018) ist mir kürzlich so ein Film unter die Augen gekommen. Dieser ist seit Kurzem auf NETFLIX zu bewundern und eignet sich perfekt für einen netten Filmabend. Wir verraten euch warum!
Originaltitel: The Perfection
Drehbuch: Eric C. Charmelo, Richard Shepard, Nicole Snyder
Regie: Richard Shepard
Darsteller: Allison Williams, Logan Browning, Steven Weber, Alaina Huffman…
Artikel von Christopher Feldmann
Irgendwie komme ich immer noch nicht mit der Navigation auf NETFLIX zurecht. Das liegt, denke ich jedenfalls, nicht an meinem Unvermögen, den Streaming-Anbieter richtig zu nutzen, sondern viel mehr an der etwas verwirrenden Eigenheit der Seite, denn dauernd erscheint etwas Neues auf der Plattform, was ich teilweise gar nicht zu sehen bekomme. Zum Teufel mit dem Algorithmus, der mir Filme und Serien vorschlägt, die mir, laut NETFLIX, gefallen werden. So passiert es ab und an, dass andere interessante Dinge, denen ich vielleicht auch etwas abgewinnen kann, unter meinem Radar laufen. Gerade bei Horrorfilmen und Thrillern ist das so. Da ich diese Genres relativ wenig „on Demand“ konsumiere, werden sie mir in der Regel auch nicht wirklich vorgeschlagen und ich muss immer einzelne Kategorien durchforsten und Internet-Listen checken, um doch noch einen Leckerbissen zu erhaschen. So war es auch bei THE PERFECTION, den ich gar nicht wahrgenommen habe, bis ich einige positive Rezensionen auf meinem LETTERBOXD-Account gelesen habe, die mir diesen temporeichen 90-minüter schmackhaft gemacht haben. Auch wenn Richard Shepards Psycho-Knaller jetzt auch kein Meisterwerk darstellt, so werden Genre-Fans sicher ihren Spaß haben.
Inhalt:
Charlotte Willmore (Allison Williams) war als junges Mädchen eines der ganz großen Cello-Talente an der weltweit hochdekorierten Bachoff-Akademie. Als ihre Mutter schwer krank wurde, gab sie die Musik auf, um sich um sie zu kümmern und sie zu pflegen. Nach deren Tod liebäugelt Charlotte damit, wieder in die Musikwelt einzusteigen und nimmt Kontakt zu ihrem ehemaligen Dozenten Anton (Steven Weber) auf. Sie reißt nach Shanghai und trifft bei einem Wettbewerb auf Lizzie (Logan Browning), eine ebenfalls begnadete Cellistin, die nach Allisons freiwilligen Abgang ihren Platz eingenommen hat. Die beiden verstehen sich auf Anhieb gut und es dauert nicht lange, bis sie gemeinsam im Nachtleben von Shanghai und schließlich im Bett landen. Am nächsten Morgen begeben sich beide auf eine Busfahrt quer durch das Land. Doch als Lizzie beginnt, an Übelkeit und unerträglichen Schmerzen zu leiden, gerät die gute Stimmung ins Wanken.
Den Plot von THE PERFECTION anzureißen, gestaltet sich als schwierig, denn viel verraten darf man hier nicht. Richard Shepard genießt es nämlich viel zu sehr, seinen Film mit allerlei Wendungen und Twists auszustatten, so dass man als Zuschauer nie genau weiß, ob man gerade die Wahrheit betrachtet. Der Regisseur und Co-Autor nutzt seine Machtposition schamlos aus und führt den Zuschauer an der Nase herum, nur um ihm dann, mit einfachem Zurückspulen, zu zeigen, was er übersehen hat. Dabei orientiert er sich augenscheinlich am asiatischen Kino, besonders an Filmen eines Park Chan-Wook. Man könnte kritisch anmerken, dass dieser Kniff einmal zu oft angewendet wird, was dem Unterhaltungsfaktor aber keinen Abbruch tut. Der Einstieg ist etwas langatmig und man muss sicher die ersten 10-15 Minuten vorrübergehen lassen, bevor man belohnt wird. Danach tobt sich der Film angemessen aus und mutiert vom kleinen Psycho-Thriller zum bizarren „Quasi“-Horror, der gerade in den Schlussminuten, dem Zuschauer sanft in die Magengrube schlägt. Ich wusste nichts über den Film und das war auch gut so, da sich so das maximale Seherlebnis entfalten kann. Ich versuche hier so wage wie möglich zu bleiben, um keinem den Spaß zu nehmen.
Der Film ist ordentlich konstruiert, schlägt aber auch einige Harken. Wer Glaubwürdigkeit und einen wasserdichten Plot sucht, wird sich bei THE PERFECTION an einigen Szenen etwas stören, weswegen man dieses Bewusstsein doch vorher abschalten sollte, da vieles dann doch etwas over-the-top wirkt. Gerade gegen Ende dreht der Streifen komplett durch und wechselt zu einem ganz anderen Genre, was zwar in gewisser Weise etwas bizarr wirken mag, aber dem Spaß keinen Abbruch tut. THE PERFECTION hat immer wieder diese Beats, bei denen man das Gefühl hat, dass hier jemand über das Ziel hinaus schießt und alles etwas ins prollige abdriftet, jedoch ist das genau das Ziel des Films. Überraschen, schocken und vor den Kopf stoßen.
Das entschädigt schon fast die etwas zu glatte Inszenierung, die Shepard hier abgeliefert hat, denn THE PERFECTION wirkt in seiner Optik schon sehr, wie ein klassischer NETFLIX-Film, obwohl hier das altehrwürdige Indie-Studio MIRAMAX zuständig war. Bis auf einen geilen Shot am Schluss, findet der Regisseur kaum Bilder, die im Gedächtnis bleiben. Man verlässt sich hier gänzlich auf das Drehbuch, was in diesem Fall in Ordnung geht, auch wenn ich mir etwas schönere Regie-Einfälle gewünscht hätte, gerade weil das Skript gute Vorlagen für derbe Szenen gibt, die aber selten wirklich konsequent verwandelt werden. Man sollte hier keinen Splatter erwarten, denn THE PERFECTION will immer noch etwas massenkompatibel sein. Die temporeiche Story und die coolen Ideen entschädigen aber etwas für die doch recht zurückhaltende Gestaltung.
Schauspielerisch kann man dem Film auch nicht viel anlasten. Okay, Logan Browning bleibt ein bisschen hinter den Möglichkeiten zurück, doch Allison Williams überzeugt durch ihr nuancenreiches Spiel und ihre kühle Ausstrahlung. Sie bringt ihren Charakter eigentlich perfekt rüber und gibt ihm die passende Mimik. Ansonsten hat der Film kein großes Aufgebot an Darstellern zu bieten, die paar verbliebenen agieren zumindest zweckdienlich. Ihr merkt, THE PERFECTION ist nicht fehlerfrei und garantiert kein Über-Film, jedoch mochte ich ihn, gerade weil er recht geschickt mit den Erwartungen spielt. Wer so etwas gerne mag, sollte mal einschalten.
Fazit:
THE PERFECTION ist ein kleiner, unterhaltsamer Reißer, der in der Masse des NETFLIX-Angebots etwas untergeht. Erzählerisch etwas drüber und die Logik hat immer mal wieder Kurzurlaub, jedoch weiß der Film, den Zuschauer gekonnt an der Nase herumzuführen und mit Wendungen, sowie einem wilden Schlussakt ordentlich Fahrt aufzunehmen. Kein Film, den man am Ende des Jahres besonders hervorheben wird, jedoch perfektes Material, um sich abends unterhalten zu lassen.
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