Die Mutter aller Manhunt-Filme erscheint nun restauriert und liebevoll ausgestattet in einer Special Edition von Wicked Vision. Graf Zaroff lebt abgeschieden auf seiner Privatinsel. Seine größte Leidenschaft ist die Jagd und die bevorzugte Beute ist der Mensch. Diese Erfahrung muss auch der Reiseschriftsteller und Großwildjäger Bob Rainsford machen. Er ist der einzige Überlebende des Schiffs, das vor der Insel Zaroffs auf ein Riff aufgrund von falschen Positionslichtern gelaufen ist. Zaroff empfängt den Schiffbrüchigen freundlich und stellt ihn zwei weiteren Gästen vor. Bald wird Rainsford und den beiden anderen klar, dass sie die nächsten Opfer Zaroffs werden sollen. Er lässt ihnen allerdings eine Chance: Überleben sie die Nacht, sind sie frei. Eine Menschenjagd beginnt. Die Erste in der Geschichte des Kinofilms.
Originaltitel: The Most Dangerous Game
Regie: Irving Picel, Ernest B. Schoedsack
Darsteller: Joel McCrea, Fay Wray, Leslie Banks, Robert Armstrong
Artikel von Kai Kinnert
Wer sich diese Limited Special Edition ungesehen ins Regal stellt, ist definitiv ein Fan alter Filme oder hat auf die Blu-ray vonTHE MOST DANGEROUS GAME schon lange gewartet. Alle anderen mögen da vielleicht zögern. Warum ein alter Streifen von 1932 trotzdem filmisch interessant sein kann, zeigt GRAF ZAROFF dem allgemeinen Filmfreund auf spannende Art und Weise. Denn GRAF ZAROFF ist Back-To-Back mit KING KONG UND DIE WEIßE FRAU (1933) entstanden – und zwar in den gleichen Dschungel-Kulissen und mit dem gleichen Kamerateam und der gleichen SFX Crew. Obwohl indirekt als Double Feature mit KING KONG geplant, scheiterte GRAF ZAROFF an einigen filmischen Frechheiten, die dazu führten, das der Film phasenweise in der Versenkung verschwand und erst spät seine Anerkennung fand.
Denn GRAF ZAROFF hat es für einen Film von 1932 in sich, was die Erfindung von Thrill und Bildsprache angeht. Was heute Gang und Gäbe in den Sehgewohnheiten bei Filmen ist, war damals noch in den Kinderschuhen und musste in seiner visuellen Umsetzung erst entwickelt werden. Filmische Dramaturgie bedeutet technisch eine Anwendung von fotografischen Einstellungen im Wechsel mit Blickwinkel und Brennweite. Damalige Filmkameras waren zentnerschwere Monster und Fahrten oder spannende Einstellungswechsel waren eine Seltenheit. Bei den gut produzierten Filmen der damaligen Zeit waren oft Leute mit an Bord, die ihr Handwerk in der Fotografie verstanden und dem Medium Film die unumstößlichen Grundlagen lieferten, die bis heute ihre Gültigkeit haben.
GRAF ZAROFF beginnt zackig. Kein Wunder, denn der Streifen ist nur 63 Minuten lang. Das klingt wie ein Witz, ist jedoch grandios. Nach knapp nur 8 Minuten ist unser Hauptdarsteller Joel McCrea als Bob auf der Insel von Leslie Banks gestrandet. Schon bald gerät er an Graf Zaroff und seinen Henchman Ivan (Noble Johnson), die ihn kurz darauf in eine tödliche Jagd zwingt, die alle Actionelemente des heutigen Manhunt-Subgenres enthält. Fallen, hetzende Hunde, ein präsenter Killer auf der Jagd und ein Held, der sich kontrastreich wehrt. Zackig, wie der Uropa im Zeitkorsett einer überlangen TWENTY FOUR Folge, hetzt Bob mit Eve (Fay Wray) durch den Dschungel, verfolgt von Graf Zaroff und dem fiesen Ivan, der seine Rolle überraschend gut macht.
Besonders Joel McCrea ist der passende Schauspieler für die Rolle des Bob. Mit einer fast modernen Schauspielweise und ansprechender Präsenz, sticht er gegenüber Fay Wray und Leslie Banks heraus, die beide ab und an in die übergroßen Gesten aus der Stummfilmzeit fallen. Dennoch ist hier alles solide Inszeniert und liefert mit Robert Armstrong einen weiteren, guten Schauspieler, der den alkoholkranken Martin spielt, stets patent und stockbesoffen. Armstrong verharmlost den Konsum von Alkohol nicht und präsentiert eine überzeugende Darstellung des Bruders von Eve. Er wird dann auch als erstes zur Jagd geschickt. Die Art wie Armstrong spielt, war für das damalige Sittenverständnis etwas zu weit, denn Alkohol auf der Leinwand wurde meist dezent verharmlost und sollte nie so realistisch rüber kommen. Aber nicht nur im Schauspiel weißt GRAF ZAROFF seine Überraschungen auf, sondern auch in der Kompaktheit seines Thrills. Alle möglichen Elemente zukünftiger Spannungsfilme wurden hier schon angewendet. Subjektive Kamerafahrten durch den Dschungel, Close Ups, Zooms und eine Kranfahrt überraschen auf der technischen Seite. Spannungssteigernde Schnitte auf Augen oder der Blick auf eine Armbanduhr, ein gefesselter Held, der dem Widersacher ausgeliefert ist, Verfolgungen mit Hunden und Messerkämpfen – hier findet sich fast alles wieder, was Hollywood später in den Gebrauch der Filmsprache mit aufnehmen wird.
GRAF ZAROFF – GENIE DES BÖSEN ist eine kleiner, knackiger Actionfilm geworden, der auf vielen Ebenen unterhält und überrascht. Der Film ist nicht nur Filmhistorisch interessant, sondern liefert außerdem noch einen dicht inszenierten Spannungsbogen, der konsequent auf alle Schnörkel und Längen in seiner Handlung verzichtet. Hinzu kommt, das GRAF ZAROFF 1976 eine gute Synchronisation erfahren hat und so durch den etwas moderneren Klang in Stimmen und Text die beinahe innovative Inszenierung passend unterstreicht. Auch das GRAF ZAROFF einen durchgehenden Soundtrack hat, war für damalige Verhältnisse neu. GRAF ZAROFF ist ein schöner Film, der ob seiner kompetenten Umsetzung auch heute noch immer gut unterhält.
Als Extras gibt es ein informatives, 52-seitiges Booklet mit einem Essay von Clemens G. Williges, zwei Audiokommentare Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann, einen älteren Audiokommentar von Dr. Giesen, ebenso eine Einleitung von ihm, einen Beitrag zu den Remakes, Trailer und eine Bildergalerie. Das Bild und Ton sind gut restauriert.