Dass Spin-Offs zu bekannten Reihen nicht immer eine gute Idee sind, hat man gerade erst im Falle des neusten MEN IN BLACK-Ablegers bewundern können, den eigentlich niemand so richtig sehen wollte. Dass man so etwas auch besser machen kann, beweisen die Macher hinter der populären FAST & FURIOUS-Saga und liefern mit HOBBS & SHAW (2019) den Film, den wohl jeder Freund von testosterongeschwängerter Vollgas-Action sehen wollte. Ob die Haudrauf-Orgie mit Dwayne Johnson und Jason Statham hält, was die Trailer versprechen, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Originaltitel: Fast & Furious Presents: Hobbs & Shaw
Drehbuch: Chris Morgan, Drew Pearce
Regie: David Leitch
Darsteller: Dwayne Johnson, Jason Statham, Vanessa Kirby, Idris Elba, Cliff Curtis, Eiza González, Helen Mirren…
Artikel von Christopher Feldmann
Wir leben in einer Welt, in der eine Reihe wie FAST & FURIOUS acht Filme (Teil 9 erscheint 2020) und ein Spin-Off umfasst. Was für die meisten Kritiker mit dem Untergang des Abendlandes gleichzusetzen ist, gestaltet sich für Fans von großspuriger No Brain-Unterhaltung ziemlich erfreulich. Während die ersten drei Teile des Franchise noch handelsübliche Poser-Scheiße für Menschen war, die selbst gerne protzig im tiefer gelegten 3er BMW durch die Gegend fahren, schlug man mit dem vierten Teil eine gänzlich andere Richtung ein. Statt den immer selben zehn Sekunden Rennen, gab es nun große Action, die sich bei Vorbildern des Heist- und Agentenfilms bediente und ihren Fokus dabei auf markige Sprüche und Stunts jenseits physikalischer Gesetze legte. Spätestens mit FAST FIVE (2011) entwickelte man die perfekte Formel für die Zukunft und mit Dwayne Johnson als DSS-Agent Luke Hobbs fand man einen Neuzugang, der Vin Diesel und Co. seitdem regelmäßig die Show stiehlt. Den nächsten Coup landeten die Produzenten mit der Besetzung Jason Stathams, der, nachdem er im siebten Teil noch den Schurken gab, seit THE FATE & THE FURIOUS (2017) zu den Guten gehört. Er und Johnson waren als frotzelnde Alpha-Männchen das Highlight des letzten Films und kamen beim Publikum so gut an, dass es mich nicht gewundert hat, dass man ihnen jetzt ein eigenes Spin-Off zu Teil werden lässt. Ich muss zugeben, ich habe seit dem Kinobesuch von The FATE & THE FURIOUS gehofft, diesen Film zu sehen. HOBBS & SHAW (2019) liefert dabei genau Das, was sich alle Fans erhofft haben, hat aber auch die üblichen Negativpunkte im Gepäck.
Inhalt:
Ein gefährliches Virus, welches das Leben vieler Menschen bedrohen könnte, sorgt für Aufruhr bei den Geheimdiensten. Die MI6-Agentin Hattie Shaw (Vanessa Kirby) versucht das Virus in Sicherheit zu bringen, wird dabei aber von Söldnern unter der Leitung des technisch hochgezüchteten Brixton (Idris Elba) gestört, der die Waffe an sich bringen will. Prompt injiziert sich Hattie die Substanz selbst und taucht unter, da ihr die Schuld an dem Überfall in die Schuhe geschoben wird. Um die vermeintlich abtrünnige Agentin zu finden, schickt die CIA Luke Hobbs (Dwayne Johnson) nach London. Dort trifft er zu seinem Leidwesen seinen Rivalen Deckard Shaw (Jason Statham), der ebenfalls auf den Fall angesetzt wurde, da er zudem Hatties Bruder ist. Widerwillig raufen sich die beiden Streithähne schließlich zusammen, um die Welt vor einer Katastrophe zu bewahren und Supersoldat Brixton das Handwerk zu legen.
Dwayne „The Rock“ Johnson und Jason Statham, Seite an Seite in einem großen Action-Abenteuer. Eigentlich der Traum aller kleinen Jungs, die seit Jahren mit Freude den beiden überlebensgroßen Jungs dabei zu sehen, wie sie regelmäßig Ärsche treten. Produzent und Autor Chris Morgan weiß was funktioniert und dehnt die herrlich ironisch überhöhten Macho-Momente der beiden auf Spielfilmlänge aus. HOBBS & SHAW ist ein maßlos übertrieben spaßiges Buddy-Movie geworden, bei dem man 130 Minuten das Hirn abschalten und eine gute Zeit haben kann. Und auch wenn ich diese durchaus hatte, konnte ich diese Gaga-Parade nicht ganz so lieben, wie ich es gerne getan hätte.
Die Handlung ist, erwartungsgemäß, ähnlich geistreich wie in den Filmen der Hauptreihe. Chris Morgan hat sein Wort gehalten, als er sagte, er wolle die DNA der FAST &FURIOUS-Filme beibehalten. Dabei meinte er nicht nur die Tonalität, sondern auch die bescheuerten Drehbücher mit Storys, die nie wirklich Sinn machen und nur dazu dienen, sich von einem Action-Piece zum Nächsten zu hangeln. Hier macht HOBBS & SHAW keine Ausnahme und erzählt irgendeinen Schmarrn von einem Virus, dass ganz viele Menschen töten kann und in Sicherheit gebracht werden muss, bevor es böse Buben missbrauchen können, um eine neue Weltordnung zu erschaffen. Ja, das ist wie immer ziemlicher Bullshit, worüber man sich aber gar nicht mal groß auskotzen kann, da die Filme des Franchise für solche Kritik wenig Angriffsfläche bieten, nehmen sie sich doch seit dem fünften Film kaum noch ernst und kommen stets mit einem kräftigen Augenzwinkern daher. Man will eben kein Shakespeare-Drama verfilmen, sondern einfach nur einen wilden Ritt veranstalten. HOBBS & SHAW ist, wie seine Vorgänger, eine Art Vergnügungspark. Die Handlung ist zweckdienlich und sorgt dafür, dass zwischen den Action-Szenen möglichst wenig Leerlauf entsteht. Und falls mal gerade nicht geprügelt, geballert oder gecrasht wird, sorgen Gags und affige Sprüche für Unterhaltung.
Darauf legt HOBBS & SHAW nämlich äußerst viel Wert, gehörten die ironischen Wortgefechte der beiden Hauptdarsteller doch zu den besten Momenten des letzten Films. Hier werden die Beiden richtig von der Leine gelassen und drücken sich bei jeder Gelegenheit einen Spruch nach dem Nächsten. Sätze wie „Ich amputiere dir gleich einen Lungenflügel“ und „Wenn ich dein Gesicht sehe, fühlt es sich an, als hätte mir Gott mit voller Wucht in die Augen gekotzt“ mögen vielleicht nicht immer geistreich sein, werden aber von Johnson und Statham mit soviel Verve vorgetragen, dass es einfach ziemlich viel Spaß macht. Die Beiden machen einen guten Job und werfen sich voller Energie in ihre Alpha-Rollen. Dabei atmet der Film ganz klar den Geist klassischer Buddy-Cop Movies der 1980er und 1990er, Action, Gags und doofe Sprüche sind die Devise. Dabei stiehlt ihnen fast eine Frau die Show. Vanessa Kirby muss sich in Sachen Charisma und Physis nicht hinter den beiden Hauptdarstellern verstecken und überzeugt auf ganzer Linie. Lediglich Idris Elba bleibt ein eindimensionaler, langweiliger Bösewicht, der mit Metall-Wirbelsäule und mehreren Upgrades den fiesen Terminator-Verschnitt gibt. Mehr gibt seine Rolle aber auch nicht her und Elba selbst formuliert dies zu Beginn des Films sehr treffend: „Ich bin der Böse!“.
In den Nebenrollen gibt es einiges zu entdecken, denn während Eiza Gonzáles lediglich als Eye-Candy dient, kann sich die Besetzung durchaus sehen lassen, wartet sie doch mit renommierten Darstellern wie Cliff Curtis und Helen Mirren auf. Letztere ist zum zweiten Mal als Mama Shaw zu sehen und reißt ihre zwei Szenen komplett an sich. Dazu gesellen sich noch zwei weitere Gastauftritte, die durchaus überraschend sind, wenn man unbehelligt ins Kino geht.
Trotzdem besteht diese Kritik nicht nur aus Lob, hat HOBBS & SHAW doch auch ein ganz großes Problem. So charmant unterhaltsam Dwayne Johnson und Jason Statham auch sind, so schön ihre Kabbeleien auch sein mögen, nach einer gewissen Zeit nutzt sich das Konzept ziemlich ab. Das liegt vor Allem an der Tatsache, dass man es hier mit zwei gleichberechtigten Typen zu tun hat, die ständig versuchen, der jeweils Härtere zu sein. Schaut man sich vergangene Buddy-Filme an, wie zum Beispiel LETHAL WEAPON (1987) oder von mir aus auch BAD BOYS (1995), dann merkt man das zwei Darsteller immer dann funktionieren, wenn sie verschieden sind und somit eine möglichst große Reibung entsteht, die für Dynamik sorgt. Diese geht den beiden Action-Helden verloren, da niemand den kürzeren zieht, keine wirklichen Charakter-Momente entstehen und der Film sowieso auf Tiefgang verzichtet. In der Haupt-Reihe hat dies besser funktioniert, waren die Beiden doch nettes Futter für zwischendurch, dosiert. Hier ist nach 90 Minuten der Ofen aus, man hat genug Sprüche gehört und das Gefühl, der Film wiederholt sich nur. Das ist dann auch der Punkt, an dem eine Vanessa Kirby nicht viel richten kann, da sie im letzten Akt zur Damsel in Distress degradiert wird, etwas schwach für einen Film, der die Dame zuvor stark in Szene gesetzt hat. Letztendlich gehört die Bühne eben doch den muskelbepackten Jungs.
Regisseur David Leitch, der bereits an JOHN WICK (2015) beteiligt war und ATOMIC BLONDE (2017), sowie DEADPOOL 2 (2018) inszenierte, kleckert nicht, sondern klotzt. HOBBS & SHAW (2019) geizt nicht mit völlig abgedrehten Action-Szenen. Ein Dwayne Johnson, der es mit Bad Guys im freien Fall aufnimmt, ein Jason Statham, der mit einem Sportwagen waghalsige Manöver ausführt und natürlich das Finale, in dem beide sich eine irre Verfolgungsjagd mit einem Helikopter liefern. Das ist alles unterhaltsam und gut in Szene gesetzt, die vielen Kampfszenen sind sogar ziemlich schick choreographiert, nur die Güte des CGI ist nicht wirklich gelungen. Gerade in den Szenen, die auf einem russischen Fabrikgelände spielen, wirken die Computereffekte doch sehr mau, was den Gesamteindruck etwas verleidet. Zudem ist der Film, wie auch die Vorgänger, extrem blutleer, was bei den zahlreichen Nahkämpfen und Schießereien irgendwie mehr stört, als im Rest der Reihe.
Fazit:
FAST & FURIOUS: HOBBS & SHAW (2019) ist das Buddy-Action-Event auf das viele gewartet haben. Hier gibt es wilde Action, unmögliche Stunts und markige Sprüche satt, die die beiden charismatischen Hauptdarsteller und ihr nicht minder charismatischer Sidekick Vanessa Kirby mit sichtlich Spaß vortragen. Allerdings ist die Story ziemlich lasch, der Bösewicht vergessenswert, die CGI-Effekte teils ziemlich mau und nach gut 90 Minuten hat sich das Konzept „Johnson und Statham als frotzelnde Alphas“ merklich abgenutzt, wobei man merkt, dass solch ein Film einfach keine 130 Minuten lang sein muss. Unterm Strich ein unterhaltsamer Blockbuster, der Spaß macht, wenn man einfach nicht zuviel erwartet.
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