Steven Seagal, ehemalige Action-Ikone des größer produzierten B-Movies, schürt gerne mehrfach im Jahr die Hoffnung seiner letzten, noch lebenden Fans (weiß, männlich, Single und jenseits der 40), auf einen einigermaßen tragbaren Anschluss an alte Actionerfolge. Doch nichts davon will mehr so recht fruchten. Seit Jahren dreht Mr Seagal scheinbar den gleichen Film immer und immer wieder und verzichtet dabei auf den eigenen Anspruch, noch einmal einen würdigen, reifen Abschluss seiner Kämpfer-Karriere inszenieren zu lassen. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und so stellt sich auch bei dieser Veröffentlichung von KSM FILM erneut die Frage: Gibt es eine gute Action-Choreografie? Und: Wie lange verbringt Steven Seagal die Zeit im Sitzen?

Originaltitel: General Commander

Regie: Ross W. Clarkson, Philippe Martinez

Darsteller: Steven Seagal, Ron Smoorenburg, Sonia Culling, Byron Gibson

Artikel von Kai Kinnert

Jake Alexander, seines Zeichens erfolgreicher CIA-Agent, sinnt auf Rache: ein wichtiger Kronzeuge und noch viel wichtiger, sein bester Freund Paul wurde von einem internationalen Waffenhändler ermordet. Doch auf die Agency ist in diesem Fall kein Verlass. Also macht Jake kurzen Prozess und hängt seine CIA-Karriere an den Nagel. Er startet einen privaten und strikten Rachefeldzug. Hilfe erhält er ausgerechnet aus nicht ganz legalen Reihen. So kann er sich, bestens gerüstet und mit uneingeschränkten finanziellen Mitteln auf den gnadenlosen Pfad der Rache begeben: Er stellt ein Team von Spezialisten auf die Beine und macht erbarmungslos Jagd auf Kriminelle und Gangsterbosse auf der ganzen Welt.

Steven Seagal muss man ganz entspannt nehmen. Es könnte ja auch ein annehmbarer Actionstreifen werden. Vielleicht verlässt dieser Film ja mal die Grauzone des filmischen Unvermögens auf unterhaltsame Art und Weise. CONTRACT KILLER (2016) war zwar Lichtjahre von der Qualität der früheren Produktionen entfernt, besaß aber im Nachhinein in der Zwielichtzone des Unsinns noch den größten Unterhaltungswert und bot immerhin Sekunden früherer Martial-Arts-Kunst, gepaart mit einem unübersichtlichen Bodycount. Weil Bier hier der beste Begleiter für einen Videoabend mit Steven ist, habe ich mir auch gleich sechs kalt gestellt und öffne erwartungsfroh das erste. Erfrischend kalt perlt die halbe Flasche, ich nehme lieber gleich einen großen Schluck, in mich hinein. Man weiß ja nie.

Der Film startet und Steven Seagal sitzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Steven Seagal sitzend in einen Film eingeführt wird, ist 60:40. Und 40:60, dass er einen Film sitzend verlässt. Doch während in CONTRACT KILLER Seagal zu Beginn des Films sitzend einen Angreifer abwehrt, drückt er hier auf die Tough-Guy-Tube und salbadert im Büro – natürlich sitzend – seine CIA-Vorgesetzte mit harten Sprüchen über seine Untaten voll, dass es einen den Bart kräuselt. GENERAL COMMANDER beginnt mit einer, famos mit dem Holzhammer geschriebenen, Ich-Habe-Den-Dicksten-Schwanz-Szene, dass ich gleich den Rest der Flasche auch noch trinke.

Der Sexismus in der Eröffnungsszene ist echt Old-School und konfrontiert Jake Alexander in einem Gespräch mit seiner Vorgesetzten, einer blonden Bürokratin mit Kurzhaarfrisur – im Typ irgendwo zwischen Emma Thompson und Judi Dench. Sie will ihn überreden, seine Kündigung zurückzunehmen und er macht ihr klar, dass er hier der Fuchs ist und Sachen für das Vaterland getan hat, die sie sich nicht einmal in ihren Alpträumen vorstellen könnte – und überhaupt. Steven behandelt sie von oben herab und sie schluckt den Drops, so wie es sich gehört. Immerhin hat er in seiner späteren „Spezialisten“-Truppe ein paar Hardbodys, die fachlich ähnlich glaubwürdig wirken, wie einst Denise Richards als Atomphysikerin in 007 – DIE WELT IST NICHT GENUG (1999).

Aber es geht hier ja auch nicht um Glaubwürdigkeit, sondern ob Steven hier – ZackZack – die Arme und Kiefer seiner Kontrahenten bricht. Flasche Zwei und Drei habe ich flugs geöffnet, als klar wird, dass der Streifen von ein paar flashigen Hipstern gefilmt worden ist, die in der Action kaum Gespür für Timing und Choreografie besitzen und alles so Zerhacken, dass selbst mein Chefredakteur Christian alle Stunts selber bewältigen könnte. Zwar ist der folgende Shoot-Out in einem Hotelzimmer irgendwie ein bisschen blutig, doch greift man dabei stets auf digitale Effekte zurück, was leider etwas günstig aussieht. Die Jungs aus der Regie, hier ein Duo, verpassen dem Film einen High-Gloss-Look, der gewollt und nicht gekonnt aussieht.

Während der Film in seiner „Handlung“ voran schreitet, wende ich mich der dritten Flasche Bier zu, die kühl in meiner Hand liegt. Die Kondenstropfen rinnen sanft am Glas herunter und berühren meine Finger, während im TV Steven Seagal in den nächsten 30 Minuten erst einmal keinen Auftritt hat. Früher war die Trennung klar. Filmemacher drehten analog auf Film und der Rest auf Video. Heute kann sich jeder Fotografen-Seppel eine Ausrüstung per Amazon zusammenstellen und sich Regisseur, Produzent oder Kameramann schimpfen – ohne auch nur einen Furz über Film zu wissen. Man schneidet halt so lange, bis es passt. GENERAL COMMANDER wurde von solchen Leuten gedreht und liefert so ein Bild im besten Nikon-Look, technisch glatt und schlichtweg langweilig.

Und während ich über die kreativen Nachteile des heutigen, digitalen Zeitalters nachdenke, schludert sich der Streifen dem Ende entgegen. Nach der vierten Flasche Bier ist der Film im Abspann angekommen und ich bin froh. Das Bier hat nicht geholfen. Hier und da gibt es in GENERAL COMMANDER ein paar Action-Scharmützel, aber die sind letztendlich, ob ihrer günstigen Scherenschnitt-Inszenierung, nicht der Rede wert. In der Action wird ständig getrickst, reale Stunts sind selten. Ab Mitte des Films erscheint Steven Seagal stehend im Film und darf auch mal schießen und im Finale den Oberschlumpf im Messerkampf besiegen. Doch dazwischen gibt es merkwürdige Szenen, die irgendwie in der Flugplatz-Szene münden, in der Seagals Truppe in Zeitlupe am Meister vorbei läuft, als wäre man beim Bachelor. Ein fünftes Bier möchte ich nicht.

Das war leider nix. Auch mit viel gutem Willen will sich bei GENERAL COMMANDER kein besseres Fazit einstellen, als das auch hier Timing, Story und Schauspiel wie scheue Rehe sind, die schnell davon springen, sobald Licht auf sie fällt. Steven Seagal verlässt den Film übrigens sitzend.  Der Streifen ist wirklich nur was für echte Fans.

Das Bild der BD ist satt, der Ton wie immer gut.

Trailer:

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