Seit dem Jahr 2008 steht die Marke Marvel für großen Superhelden-Bombast, der stets die weltweiten Kinokassen dominiert und eine große Fan-Schar sein Eigen nennen kann. 11 Jahre und 21 Filme lang, erlebten die Fans große und auch kleine Schlachten an der Seite ihrer Lieblingshelden. Mit AVENGERS: ENDGAME (2019) fand das Marvel Cinematic Universe seinen, vorläufigen, Höhepunkt. Ein großes, episches Finale, welches alle Handlungsfäden der unterschiedlichsten Solo-Abenteuer zusammenführt und zu einem Abschluss bringt. Mit Rekordeinnahmen von knapp 2,8 Milliarden US-Dollar hat es das Spektakel sogar geschafft, Camerons AVATAR (2009) vom Spitzenplatz der erfolgreichsten Filme zu entthronen. Nun erscheint der Mega-Blockbuster im Heimkino und wir haben den Film zu diesem Zweck nochmal aufgefrischt. Hat Marvel einen würdigen Finisher hingelegt?

Originaltitel: Avengers: Endgame

Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely
Regie: Joe Russo, Anthony Russo

Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo, Chris Hemsworth, Scarlett Johansson, Jeremy Renner, Paul Rudd, Brie Larson, Karen Gillian, Josh Brolin…

Artikel von Christopher Feldmann

Als der Comic-Verlag Marvel sein eigenes Filmstudio gründete, um seine Geschichten fortan selbst zu verfilmen, war das schon ein ziemlich riskantes Unterfangen. Comic-Verfilmungen waren in den 2000ern noch keine sichere Bank, lizensierte Marvel-Storys, wie FANTASTIC FOUR oder DAREDEVIL, wurden von anderen Studios in den Sand gesetzt. Da kam der Verlags-Riese auf einmal mit IRON MAN (2008) um die Ecke, der auf Action, Emotionalität aber auch auf Humor setzte. Die Besetzung des damals noch ziemlich abgehalfterten Robert Downey Jr. entwickelte sich, nach anfänglichen Bedenken, zum absoluten Glücksgriff. Der Film wurde ein großer Erfolg und läutete das Marvel Cinematic Universe ein, ein filmisches Universum, in denen viele weitere Helden ihren Platz finden sollten. Thor, Captain America, Black Widow, Captain Marvel, Spider-Man und Doctor Strange sind nur einige bekannte Vertreter ihrer Zunft. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Überschneidungen mehrerer Figuren, gemeinsamen Abenteuern, Gastauftritten und parallele Handlungsstränge. Marvel gelang das Kunststück, eine bunte Welt zu erschaffen, die einfach funktioniert und immer Spaß an ihren Figuren hat. Den Spaß hatten und haben auch die Zuschauer, die Produzent Kevin Feige und dem Konzern Disney, der seit 2012 Schirmherr ist, seitdem Rekordeinahmen bescheren. Als im Jahr 2018 mit AVENGERS: INFINITY WAR der erste Teil des großen Finales um Thanos und die Inifinity-Steine in die Kinos kam, ließ der Film die Massen an Zuschauer mit einem eiskalten Cliffhanger zurück. Die Fans mussten ein knappes Jahr warten, um endlich zu erfahren, wie die Geschichte weiter und zu Ende geführt wird. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Verantwortlichen ein rundes Finale kredenzt haben, dass wahrscheinlich so ziemlich jeden MCU-Nerd befriedigt haben dürfte. Auch wenn AVENGERS: ENDGAME (2019) seine dramaturgischen Mängel und Logikprobleme hat, bedient der Blockbuster alle Gelüste derer Menschen, die seit 11 Jahren in die Kinos rennen.

Handlung:        
Nachdem Oberschurke Thanos (Josh Brolin) seinen Plan in die Tat umsetzen konnte und 50% der Bevölkerung des Universums ausgelöscht hat, stürzten die Verbliebenen in Trauer und Melancholie aufgrund des Verlusts ihrer Liebsten. Trotz dessen wollen die verbliebenen Avengers nicht aufgeben und suchen nach einem Weg den Titan zu finden, um das verhängnisvolle Fingerschnipsen rückgängig zu machen. Während die überraschend auftauchende Carol Danvers (Brie Larson), den ziellos durch das All gleitenden Tony Stark (Robert Downey Jr.), mitsamt Nebula (Karen Gillian) vor dem sicheren Erstickungstod gerettet hat, schöpfen die Helden um Black Widow (Scarlett Johansson) und Captain America (Chris Evans) neue Hoffnung und ermitteln letztendlich den Aufenthaltsort Thanos. Dieser hat allerdings in der Zwischenzeit die Ininity-Steine zerstört, um eine nachträgliche Vereitelung seines Plans unmöglich zu machen. Fünf Jahre gehen ins Land und die Menschen versuchen die einschneidenden Erlebnisse zu verarbeiten. Während Stark sich von den Avengers gelöst hat und sich um seine Familie kümmert, taucht auf einmal Scott Lang alias Ant-Man (Paul Rudd) auf, der aus der Quantenebene entkommen konnte. Durch seine Erlebnisse inspiriert entwickeln die Superhelden einen Plan, der die, zu Staub zerfallenen, Menschen doch noch zurückbringen könnte.

Die Erwartungen an ENDGAME waren groß, sehr groß sogar. INFINITY WAR konnte im Jahr 2018 überzeugen und schaffte es, eine straighte und spannende Geschichte aufzubauen, die gekonnt die vielen Figuren aus unterschiedlichen Filmen zusammenführt, nur um am Ende mit dem Mjölnir draufzuhauen. Viele liebgewonnene Helden zerfielen zu Staub und Fans auf der ganzen Welt fragten sich, ob das wohl endgültig sein würde. Natürlich nicht! Als ob Marvel seine Gelddruckmaschine selbst zerstören würde, weswegen sich viele sicher waren, dass ENDGAME die Geschichte zu einem versöhnlichen Abschluss bringen würde. Und ja, ENDGAME geht auf Nummer sicher, liefert aber trotzdem Überraschungen, die bis zum Schluss niemand für so richtig möglich gemacht hätte. Auch wenn es mit dem MCU nach wie vor weitergeht und in der Zwischenzeit der neuste Marvel-Blockbuster SPIDER-MAN: FAR FROM HOME (2019) bereits erfolgreich die Leinwände dominierte, setzt das insgesamt vierte AVENGERS-Abenteuer den Endpunkt einer Ära, die sich über drei filmische Phasen erstreckt.

Schon der Einstieg mit Jeremy Renners Clint Barton und seiner Familie stimmt schon mal auf das ein, was uns die folgenden drei Stunden erwartet, nämlich ganz viel Pathos und auch etwas Tränendrüse. So sehen wir die Avengers, die in Selbstmittleid versinken, einen Tony Stark, der mit dem Verlust kaum zurechtkommt und eine Welt, die nicht mehr dieselbe ist. Zum Glück aber versteift sich Marvel nicht darauf, uns mit ausgelassener Depri-Stimmung auf den Nerv zu gehen, wir sind ja hier nicht in DC’s Snyder-Verse, sondern im MCU. Es muss auch Spaß machen, und genau hier schaffen die Drehbuchautoren wieder einen ziemlich guten Spagat. Trotz den dunklen Wolken, die über unseren Helden schweben, gibt es immer wieder auch Momente zum Lachen. Dafür sorgen Figuren wie Rocket, Bruce Banner und Thor, der zwar einige amüsante Momente hat, letztendlich aber hier zum vollständigen Comic-Relief verkommt. Ansonsten ist der Humor relativ ausgewogen, man verzichtet auf zu alberne Szenen und setzt die Gags recht dezent ein, meist in Dialogen. Das führt dazu, dass der Film rein auf der Charakterebene recht organisch funktioniert und nie ins absolut lächerliche abgleitet. Dabei betone ich nochmal „auf der Charakterebene“, denn ENDGAME strickt einen Plot, der sicher zu den weirdesten des gesamten MCU gehört. Ich hatte es bei ANT-MAN AND THE WASP (2018) bereits vermutet, weshalb ENDGAME meine Theorie bestätigte, dass die Avengers mit Ant-Mans Hilfe in die Quantenebene springen und durch die Zeit reisen.

ENDGAME ist quasi ein klassischer Heist-Film, mit Zeitreisen. Somit zelebriert das Skript noch einmal 11 Jahre MCU-Geschichte und lässt die Helden in vergangene Marvel-Abenteuer reisen, um die Infinity-Steine vor Thanos Zugriff in die Finger zu bekommen. Die Kerntruppe reist beispielsweise nach New York im Jahr 2012, während gerade die große Schlacht des ersten AVENGERS-Films stattfindet. Dadurch tauchen in der Handlung von ENDGAME zahlreiche prominente Gesichter auf, die in vergangenen Filmen aufgetreten sind. Michael Douglas, Tom Hiddelston, Frank Grillo, Rene Russo, Robert Redford und John Slattery sind nur einige davon. ENDGAME ist zeitgleich auch ein großes Best-Of und feuert nochmal alles ab, was in all den Jahren aufgebaut wurde. Das hat leider auch zur Folge, dass der Film oftmals etwas überladen wirkt, manche Figuren ein bisschen mehr Screentime verdient gehabt hätten und einige Entscheidungen etwas sauer aufstoßen könnten. Besonders der Auftritt von Brie Larson lässt uns rätseln, warum es einen eigenen Film gebraucht hat, wenn Captain Marvel nur zweimal im Film auftaucht, um alle zu retten. Ihren Charakter hätte man locker in den drei Stunden schnell erzählen können.

Des Weiteren darf man hier nicht nach Logik forschen. Wenn man es genau nehmen würde, könnte man den Zeitreise-Plot und die pseudowissenschaftlichen Erklärungen völlig in der Luft zerreißen. Auch ich als Marvel-Fan habe mich bei manchen Szenen doch gefragt, wie gewisse Dinge möglich sein können und ein paar Wiedersprüche ausgemacht. Dieses Bewusstsein sollte man bei dem Film möglichst ausschalten, um unbeschwerten Spaß zu haben, denn den bekommt man beim launigen Zeitreise-Heist definitiv, bevor es natürlich, Marvel-typisch, in die große Schlacht geht, die in bester HERR DER RINGE-Manier große Geschütze auffährt. In den Ruinen des Avengers-Hauptquartiers treten unsere Helden gegen Thanos und seine Armee an und bedienen dabei alle Fan-Gelüste. Zu den schwülstigen Klängen von Alan Silvestris Theme wird gekämpft und gelitten. Das hat so manche matschige Effekte, arg pathetische Szenen auch auch viel Schönes zu bieten. Für Fans ein Schmaus, denn die haben viel Grund zu jubeln und auch bei meinem Kinobesuch gab es ordentlich Szenen-Applaus.

Ein guter Grund, warum ENDGAME, trotz einiger dramaturgischer und tonaler Mängel, so gut funktioniert, ist die Tatsache, dass man mit den Figuren und ihren Darstellern gewachsen ist. Über die Jahre hat man mit ihnen gelacht und gelitten, weshalb man mittlerweile das Gefühl hat, sie seien mit ihren Rollen verschmolzen, Das gilt insbesondere für die Hauptakteure Downey Jr., Evans, Johansson, Ruffalo und Hemsworth aber auch für zahlreiche Nebenfiguren. Wenn der Abspann schließlich einsetzt und die großen Darsteller gewürdigt werden, wird man doch ein wenig wehmütig. Aber das haben sich die Avengers nach all den Jahren auch verdient. Die Russo-Brüder beweisen einmal mehr, dass sie es verstehen, mit so vielen Handlungssträngen und Figuren zu arbeiten und sie zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Auch wenn manche Actionszenen unter ihrem aufgezwungenen Bombast etwas leiden und die Stärke deutlich bei den kleineren Kampfsequenzen liegt, dürfte ENDGAME jeden Blockbuster und Comic-Fan glücklich machen.

Die Scheibe aus dem Hause Disney, bietet das epische Finale natürlich in bester Bild- und Tonqualität. Hier empfiehlt sich wahrscheinlich eine gute Sound-Anlage, damit die Tonspur ordentlich knallen kann. Das Bonusmaterial enthält neben einem Audiokommentar einige zusätzliche Szenen, Pannen vom Dreh und mehrere Featurettes. Für MCU-Komplettisten natürlich ein absoluter Pflichtkauf.

Fazit:
AVENGERS: ENDGAME (2019) macht den Sack zu. 11 Jahre Marvel Cinematic Universe finden in diesem Ensemble-Spektakel ihren, vorläufigen, krönenden Abschluss. Auch wenn die Story sich jeglicher Logik entbehrt, manche tonale und dramaturgische Patzer ausfindig zu machen sind und nicht jeder Auftritt so richtig funktioniert, macht das große Superhelden-Finale richtig Spaß und zeigt einmal mehr, wie sehr die Macher ihr eigenes Universum lieben. Alles was Rang und Namen hat, bekommt nochmal einen Auftritt und am Ende wird man ein bisschen wehmütig, da nach so langer Zeit eine Ära zu Ende geht. Puristen und Hater werden auch an diesem Film kein gutes Haar lassen, Fans werden aber überdurchschnittlich zufrieden gestellt. Avengers, sammelt euch!

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