Glatt, routiniert und am Ende fährt Clint mit einer Dampflok in ein Gebäude. Das blieb vor Jahren maßgeblich als Erinnerung an diesen Western zurück. Die Veröffentlichung von SINOLA (1972) bei ARTHAUS ist ein willkommener Anlass, diesen Streifen erneut zu sichten und dabei ein paar angenehme und in Vergessenheit geratene Details wiederzuentdecken.
Originaltitel: Joe Kidd
Drehbuch: Elmore Leonard
Regie: John Sturges
Darsteller: Clint Eastwood, Robert Duvall, John Saxon, Stella Garcia, Don Stroud…
Artikel von Kai Kinnert
Joe Kidd (Clint Eastwood) ist ein ehemaliger Kopfgeldjäger und Allrounder im amerikanischen Südwesten. Als eine Gruppe von Mexikanern feststellt, dass ihre US-amerikanischen Landansprüche abgelehnt und alle relevanten Aufzeichnungen bei einem Gerichtsfeuer vernichtet wurden, greifen sie zu den Waffen. Luis Chama (John Saxon) ist ihr charismatischer Führer, der eine revolutionäre Landreform fordert. Frank Harlan (Robert Duvall), ein wohlhabender Landbesitzer mit Interesse an dem umstrittenen Gebiet, beschließt, die Dinge auf seine Weise zu regeln. Er engagiert eine Bande von Killern und möchte, dass Joe Kidd ihnen hilft, Chama aufzuspüren. Zunächst möchte Kidd jede Beteiligung vermeiden, bis Chama den Fehler macht, Kidds Pferde zu stehlen und seine Freunde zu terrorisieren.
Regisseur John Sturges hat während des Drehs zu SINOLA sich so ausreichend dem Konsum von Whiskey zugewandt, dass Clint Eastwood etliche Teile des Films inszenieren musste, was durchaus spürbar ist. Unter Clints wachsamen Auge konnte so der Film zu einem soliden B-Movie geformt werden, das sich eines beliebten Elements aus den Italo-Western bedient: Dem Einsatz spezieller Waffen. Waren es bei den Italos gerne mal fantasievoll umgebaute Knarren, vierläufige Pistolen oder eine frühe Version der Gatling Gun im Sarg, bedient sich Joe Kidd realer Waffen, die so bisher in keinem Western zu sehen waren. Als Clint sauer wird, weil man ihm seine Pferde gestohlen hat, seine Freunde terrorisiert und den bösen Buben mal neue Grenzen gesetzt werden müssen, greift Joe Kidd zu einer Mauser C96 Broomhandle und ist so in der Lage Schnellfeuersalven auf die Gegner abzufeuern. Eine Knarre, die man eher bei seinem Kollegen Lee van Cleef vermuten würde und so ist der Einfall ein netter Gruß aus der Italo-Küche, der Clint gut steht. Ebenso ungewöhnlich ist der spätere Einsatz eines Gewehrs für lange Distanzen, dass mit einem – für die damalige Zeit – neuartigen Zielfernrohr bestückt ist und es so Clint ermöglicht, aus großer Entfernung die Reihen der Bösen zu lichten. Weniger sorgsam in der Auswahl der Requisiten war da allerdings die Kostümabteilung, denn etliches, was in dem Streifen getragen wird, kommt aus den 1970ern.
Schon ewig da und dennoch fielen sie zuvor kaum auf: Die Rocky Mountains. Imposant erheben sie sich in vielen Szenen im Hintergrund und verpassen dem Film so eine tolle, landschaftliche Stimmung für seine Story. Es ist, als weht mit dieser landschaftliche Präsenz der frühe Geist eines PALE RIDERs durch SINOLA und verpasst dem Film so eine Größe, die er eigentlich gar nicht hat. Doch neben Clint, Waffen und Berge spielen auch noch Robert Duvall, John Saxon und Don Stroud mit, die ihre Sache gut machen und so bestens einen qualitativen Rahmen abstecken, in dem sich SINOLA streckenweise solide als Western entfalten kann. Dazu gesellt sich die tolle Musik von Lalo Schifrin, der mit seinem lässig-melodischen Titelsong ganz prächtig den Film eröffnet und in einen schönen Eastwood-Moment zur Einführung der Hauptfigur überleitet. Joe Kidd liegt nach einer Schlägerei im Knast und wird am nächsten Morgen wieder freigelassen – nicht ohne die Schlagkraft eines Topfes am Kopf eines Mitgefangenen auszuprobieren. Der Gag ist auch heute noch lässig.
Mal abgesehen von den kleineren Details wie die speziellen Schußwaffen, die tolle Landschaft, der gute Cast und einer gelungenen Musik, ist SINOLA heute nach erneuter Betrachtung noch immer ein glatter Western ohne längere Ecken und Kanten. Es hat Spaß gemacht, sich diesen Film mal wieder anzusehen, da SINOLA in seiner Action stets um Erweiterungen, meist origineller Art, bemüht ist und so einen gewissen Schwung entwickelt, den er aber im Gesamten nicht halten kann. Trotz funkelnder kleiner Ideen, erhebt sich SINOLA nicht über einen soliden Western-Durchschnitt.
Das Bild der BD ist identisch mit der Veröffentlichung aus der CLINT EASTWOOD BLU-RAY COLLECTION von 2014 und unverändert gut. Ebenso der Ton.
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