Was schon einmal hervorragend funktioniert hat, wird auch wieder funktionieren. Dieser Devise folgt DISNEY seit ein paar Jahren, indem sie beliebte Zeichentrick-Klassiker aus eigener Herstellung neu auflegen, und das mit gigantischem Erfolg. Mit DER KÖNIG DER LÖWEN (2019) hat man sich in diesem Jahr einem der ganz großen Meisterwerke des Mäusestudios angenommen und mit einem fotorealistischen Ansatz neues Leben eingehaucht, während der Inhalt fast unangetastet blieb. Ob das Live-Action-Remake es schafft, dieselbe Magie heraufzubeschwören, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Originaltitel: The Lion King
Drehbuch: Jeff Nathanson; basierend auf dem Original-Drehbuch von Irene Mecchi, Jonathan Roberts & Linda Woolverton
Regie: Jon Favreau
Sprecher: Donald Glover, James Earl Jones, Chiwetel Ejiofor, Beyoncé, John Oliver, Seth Rogen, Billy Eichner, Keegan-Michael Key…
Artikel von Christopher Feldmann
„Nan ts’ngonya ma bakithi baba!“
Mit diesem, nahezu unaussprechlichen Satz beginnt einer der wohl größten Klassiker des modernen Zeichentrickfilms. Nach den schwierigen Jahren in den 1980ern, läutete der Studio-Gigant gegen Ende dieses Jahrzehnts die erfolgreiche Kehrtwende ein. Filme wie ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU (1989) und DIE SCHÖNE UND DAS BIEST (1991) avancierten zu großen Publikumserfolgen und genießen auch heute noch einen hohen Status. Doch es war schließlich DER KÖNIG DER LÖWEN (1994), mit dem das Mäusestudio sein unbestrittenes Meisterwerk ablieferte. Die, von HAMLET inspirierte, Geschichte um einen kleinen Löwen, der nach dem Tod seines Vaters aus dem Königreich verbannt wird und den Thron seinem schurkischen Onkel überlassen muss, ist nicht nur eine der besten DISNEY-Stories überhaupt, sondern ließ auch die Kinokassen ordentlich klingeln. Mit knapp einer Milliarde US-Dollar Einspiel, plus der Verdienst an Merchandise, war der liebevolle Zeichentrickfilm ein absoluter Volltreffer, der auch heute noch begeistern kann und wohl jedes Kind der 1990er maßgeblich geprägt hat. Auch die, auf dem Film basierende, Musical-Version erwies sich als absoluter Dauerbrenner. Ganze 25 Jahre später verwurstet DISNEY sein Juwel nun für ein Live-Action-Remake, von denen wir schon einige serviert bekommen haben und auch in Zukunft serviert bekommen werden. Und weil die Geschichte so gut ist, hat Regisseur Jon Favreau sie einfach Shot für Shot neu in Szene gesetzt, in einer zeitgemäßen CGI-Variante, die sich bemüht, die Tiere und ihre Umgebung fotorealistisch einzufangen. Das Ergebnis ist visuell höchst beeindruckend, doch so richtig zünden, will die Neuauflage einfach nicht.
Handlung:
Der kleine Löwe Simba (JD McCrary) blickt nur zu einem Tier auf, zu seinem Vater Mufasa (James Earl Jones), der als gerechter und guter König über das geweihte Land herrscht. Sehr zum Unmut von Mufasas intriganten Bruder Scar (Chiwetel Ejiofor), der nichts als Verachtung für seine Verwandschaft übrig hat und sich, aufgrund von Simbas Anrecht auf den Thron, um seine Vormachtstellung betrogen fühlt. Durch einen hinterlistigen Plan, gelingt es Scar die Macht an sich zu reißen und Simba ins Exil zu treiben. Während der tyrannische Löwe das einst so blühende Land in eine trübe Einöde verwandelt, versucht der mittlerweile erwachsene Simba (Donald Glover) seiner Vergangenheit zu entfliehen, nicht ahnend, dass er von ihr schneller eingeholt wird, als er dachte.
Die Neuauflage von DER KÖNIG DER LÖWEN ist schwierig zu bewerten, macht sie doch auf der inhaltlichen Ebene nicht viel anders. Man kann verstehen, dass die Macher wahrscheinlich Angst hatten, die Geschichte neu zu interpretieren oder aus einem neuen Blickwinkel zu erzählen, wird sie doch seit 25 Jahren heiß geliebt und das völlig zurecht. Ich habe das Original damals noch auf VHS gesehen (wie so viele Disney-Klassiker) und hege seitdem eine tiefe Zuneigung für die Charaktere, die Dramatik, die emotionale Komponente und die großartige Musik von Hans Zimmer und Elton John und damit bin ich mit Sicherheit nicht der Einzige. Jon Favreau schien sich dieser Tatsache auch bewusst gewesen zu sein, weshalb er grobe Änderungen vermieden hat und das Original quasi Shot für Shot nachgebaut hat.
So sind die Dialoge nahezu identisch, die Einstellungen ebenso. Auch die Songs werden erneut dargeboten, zwar neu arrangiert und interpretiert, jedoch ganz im Stil der alten Verfilmung. Deshalb kann man DER KÖNIG LÖWEN auch inhaltlich nicht viel ankreiden, die Geschichte funktioniert immer noch prächtig, ebenso wie die Figuren. Was man vielleicht bemängeln kann, sind die etwas unnötigen Ergänzungen. So sind manche Szenen künstlich verlängert worden, um die Laufzeit auf zwei Stunden zu strecken. Das mag für den einen oder anderen sinnlos erscheinen aber im Endeffekt fügen sich diese Ergänzungen recht organisch in den Film ein und stören nicht wirklich.
Aber es gibt doch ein paar kleine Änderungen, die einem Fan wie mir etwas sauer aufstoßen. Da man auf eine realistische Herangehensweise setzt, fehlen gewisse Kleinigkeiten, die eben nur in einem Zeichentrickfilm, der einem klassischen Cartoon-Ansatz folgt, funktionieren. Der etwas übertriebene märchenhafte Aspekt geht in der Neuauflage verloren, denn die soll eben aussehen wie eine super realistische Tierdokumentation. Auch dass man Scars legendären Song „Be prepared“ auf ein Minimum reduziert hat, um wahrscheinlich noch Platz für den neuen, recht vergessenswerten Song von Beyoncé zu machen, ist in meinen Augen ein echter Frevel.
Was die kindliche Magie aber vollends im Keim erstickt, ist die Optik. Nicht, dass diese schlecht wäre. Die Animationen sind wirklich beeindruckend. Die Effekt-Leute haben hier ganze Arbeit geleistet, denn bisher hat man, am Computer generierte Tiere, noch nie so lebensecht gesehen. Der Detailreichtum ist verblüffend und bis auf wenige Momente, hat man das Gefühl, echte Lebewesen zu sehen. Dass die bekannte Gnu-Stampede und so manche Bewegungen einzelner Tiere noch nicht ganz so flüssig aussehen, fällt dabei nicht so sehr ins Gewicht. Auch nicht, dass der Endkampf zwischen Scar und Simba etwas arg nach Videospiel aussieht. Wenn DER KÖNIG DER LÖWEN einen Oscar für die besten Effekte bekommen sollte, ist das absolut verdient. Da die Figuren aber aussehen wie reale Geschöpfe und somit über die entsprechenden Gesichtszüge verfügen, bleibt das gewisse Etwas auf der Strecke. Die emotionale Bindung zu den Charakteren kommt nicht zur Geltung, denn man hat stets das Gefühl, eine Doku von National Geographic zu sehen, mit singenden Tieren. Somit hat mich das Geschehen einfach nicht mehr erreicht und man hat stets das Original im Kopf, dass soviel menschlicher ist. Durch die Inhaltsgleichheit, verkommt die Neuauflage eben nur zu einer Kopie, eine, die aber verdammt gut aussieht.
Auch die Wahl der Sprecher erweist sich zwar als passend, bleibt aber etwas hinter dem Original zurück. Während James Earl Jones die Rolle des Mufasa auch im Remake spricht, wurden sämtliche weiteren Rollen neu besetzt. Das Ensemble besteht aus prominenten Namen wie Beyoncé, Donald Glover, Seth Rogen, Billy Eichner und Chiwetel Ejiofor, die allesamt engagiert zu Werke gehen, insgesamt aber hinter den Original-Sprechern zurückbleiben, was auch für die deutsche Fassung gilt. Lediglich im Fall von Timon und Pumba ist die Interpretation gleichwertig gelungen. Und so viel Mühe sich Ejiofor auch gibt, die Performance von Jeremy Irons bleibt unerreicht, was auch für die kongeniale Synchronisation von Thomas Fritsch gilt.
Musikalisch übertrug man die Verantwortung an Ur-Komponist Hans Zimmer, der seine Stücke in einem frischen Gewand präsentiert, ohne sie zu verunstalten. Auch die Songs von Elton John kommen wieder gut zur Geltung, obwohl die Gesangsleistungen im Original einen Hauch besser waren.
Die Heimkino-Auswertung bietet standesgemäß eine großartige Bild- und Tonqualität. Als Extras bekommt der Zuschauer einen Audiokommentar von Jon Favreau, ein Featurette über die Reise von DER KÖNIG DER LÖWEN, einen Beitrag über die Entstehung der Musikszenen, Musikvideos und Mitsing-Versionen, sowie eine Vorstellung der Tierschutzkampagne „Protect the Pride“.
Fazit:
Mit DER KÖNIG DER LÖWEN (2019) bringt uns DISNEY eine optisch bahnbrechende Neuauflage des bekannten Zeichentrick-Klassikers. Bei all den tollen Bildern und fotorealistischen Animationen, geht die Magie des Originals doch leider etwas verloren. Echt wirkende Tiere, die singen funktionieren einfach nicht so gut, was eine Bindung ziemlich schwer macht. Im Endeffekt ist das Wort „Remake“ hier absolut passend, denn der Film macht nicht viel anders ist somit eigentlich nur eine Kopie eines Meisterwerks, optisch aufgemotzt. Das sieht schick aus und lädt immer wieder zum staunen ein, das Original würde ich dennoch vorziehen. Da mag zwar auch etwas kindliche Nostalgie mitschwingen, dennoch hat das Remake nicht meinen Nerv getroffen.
Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen