In den Achtzigerjahren hatte der weitestgehend auf Action- und Westernrollen abonnierte Charles Bronson so langsam das gesetzliche Rentenalter erreicht. Doch anstatt den verdienten Ruhestand anzutreten, verkaufte er seine Seele an die CANNON-Schmiede von Golan und Globus, die seinen EIN MANN SIEHT ROT-Charakter in den Folgejahren in allerlei illustren Genreproduktionen variieren sollten. In diesem, kürzlich als LIMITED COLLECTOR´S EDITION BLU-RAY im Futurepak bei WICKED VISION erschienenen Streifen, gibt er den harten Cop auf der Jagd nach einem perversen Frauenmörder. Dann mal „Horrido“ lieber Charlie. Ob der Kopf des Schlitzers über Charlies Kamin am Ende die Wand verschönert, erfahrt Ihr in den folgenden Zeilen.
Originaltitel: 10 to Midnight
Regie: J. Lee Thompson
Darsteller: Charles Bronson, Lisa Eilbacher, Gene Davis, Geoffrey Lewis, Wilford Brimley, Andrew Stevens
Artikel von Christian Jürs
Warren Stacy (Gene Davis) ist nach außen hin ein typischer Büroangestellter mit einem eher untypischen Job. Er repariert nämlich die Schreibmaschinen der ansonsten auffallend weiblichen Belegschaft (quasi der IT-Mitarbeiter der frühen Achtziger). Warum deren Gerätschaft so oft den Geist aufgibt, dass daraus eine Vollzeitbeschäftigung mit augenscheinlich guter Bezahlung für den durchtrainierten, stets adretten Junggesellen rausspringt, ist allerdings fraglich. Eigentlich ist Warren ein Traumtyp, der der Hahn im Korb seiner Kolleginnen sein müsste. Doch da er mit Aufdringlichkeit und Arroganz bei der Damenwelt punkten möchte, erntet er lediglich Hass.
Wir werden Zeuge, wie er erneut auf äußerst plumpe und auch unangenehme Art und Weise eine junge Frau, die eigentlich nur einen schönen Abend mit ihrer Freundin im Kino verbringen möchte, in erfolglos bedrängt. Doch hinter dieser billigen Anmache steckt ein Plan, denn nicht ohne Grund nennt er der eingeschüchterten, jungen Dame seinen Namen. Er macht sich nämlich durch das Toilettenfenster während der Filmvorstellung aus dem Staub, um andernorts eine Kollegin, die ihn einst verprellte und nun mit einem anderen Mann rummacht, umzubringen. Dabei hat Warren ein ganz besonderes Ritual. Er nähert sich seinen Opfern stets nackig, um keine Blutflecken auf den Klamotten abzubekommen und außerdem…weil es ihn wohl auch ziemlich anmacht. Hinterher klettert er wieder zurück ins Kino und hat so ein perfektes Alibi.
Jetzt werden die CSI Miami Gucker unter Euch in den Raum werfen, dass er nackt wie Gott ihn schuf, mit Sicherheit DNA Spuren am Tatort hinterlassen hat. Doch 1983 (bzw. 1982, als der Film gedreht wurde) war die Polizei tatsächlich ermittlungstechnisch noch nicht so weit. War auch nicht nötig, denn Leo Kessler (Charles Bronson) befand sich im aktiven Polizeidienst. Als der Leichenbeschauer erklärt, dass es bei dem Opfer keine Spuren einer Vergewaltigung gäbe, kombiniert Leo folgerichtig „Wer so etwas macht, bei dem ersetzt das Messer den Penis!“. Polizeiarbeit at it´s best.
Natürlich hat er beim Täter schnell den richtigen Riecher und heftet sich in bester Columbo Manier an den Warren Stacys Fährte. Doch weder er, noch sein neuer Partner Paul McAnn (Andrew Stevens) können dem Schönling etwas anhängen, da dieser jede neue heiße Spur schnell wieder verwischt, was dem Bodycount zugute kommt. Warren findet dabei immer mehr Geschmack am Töten junger, attraktiver Damen. Irgendwann wird es Leo zu bunt und er fälscht Beweise gegen den Killer. Doch die Sache fliegt auf, Kessler wird suspendiert und Warren sucht sich aus Rache ein neues Opfer: Die Polizistentochter Laurie Kessler (Lisa Eilbacher), die als Krankenschwester arbeitet und mit ihren Kolleginnen zusammen in einem Schwesternwohnheim lebt. Quasi ein Buffet für Warren Stacy und seine Leidenschaft…
Regieroutinier J. Lee Thompson, der zuvor bereits drei Mal mit Charles Bronson zusammen arbeitete (u.a. Der weiße Büffel) und dies auch noch mehrfach bis zum Ende der Cannon Films Ära (Kinjite – Tödliches Tabu) machen sollte, gelang es , einen spannenden Thriller mit Nägelkauelementen auf die Beine zu stellen. Dies ist vor allem Gene Davis zu verdanken, der wie geschaffen für die Rolle des psychopatischen Killers scheint. Der Mann war so sehr in seine Rolle vertieft, dass er einem seiner Filmopfer sogar den Arm ausrenkte während des Drehs, da er zu brutal zu Werke ging. Sein Spiel ist äußerst diabolisch und überzeugend und die Mordszenen durchaus gruselig.
Charles Bronson gibt den knallharten Cop mit Paul Kerseys Sinn für Gerechtigkeit, was zwar weniger glaubwürdig ist (vor allem kann sich Charlie im Finale ruck zuck von einem Ort an den anderen beamen), trotzdem macht es immer wieder Spaß ihn als knallharten Rächer von Witwen und Waisen zu sehen. Erstaunlich, aber auch erfreulich, dass der Film sich zusätzliche Actionszenen mit ihm erspart und stattdessen strikt seiner Handlung folgt.
Die Besetzung ist durchweg famos. Sei es der spätere Star günstiger Erotikthriller Andrew Stevens (Double Threat – Tödliches Verlangen) als junger Bulle an Bronsons Seite oder seine wunderhübsche Filmtochter Lisa Eilbacher (Beverly Hills Cop / Leviathan), sie machen alle ihre Sache gut. In weiteren Rollen tauchen Geoffrey Lewis, Wilford Brimley und die damals noch gänzlich unbekannte Kelly Preston (hier als Kelly Palzis) auf.
Den Titel 10 to Midnight wählte Cannon Group Frontmann Menahem Golan übrigens bereits zu einem sehr frühen Produktionszeitpunkt, als nur der Leadingstar feststand, jedoch nicht die Story. Diese fand er schließlich in einem Drehbuch mit dem Titel Bloody Sunday. Dass darin keinerlei Bezug zur Handlung zu finden war, scherrte ihn wenig. Der deutsche, reißerische Titel Ein Mann wie Dynamit sollte mit der Nähe zum deutschen Death Wish Namen die Leute ins Kino locken. Ein dreistes Unterfangen.
Denn Bronson ist erst im Finale so richtig explosiv, wenn wir eines der konsequentesten Enden seiner Filmographie serviert bekommen. Ursprünglich war man sich noch gar nicht sicher, wie das Finale des Films aussehen sollte, weswegen gleich drei unterschiedliche Schlussszenen konzipiert wurden. Ich jedenfalls bin mit dieser schnellen und ziemlich coolen Variante sehr zufrieden.
Wicked Vision legte den Thriller bereits letztes Jahr als Mediabookvariante auf. Da diese jedoch mittlerweile vergriffen ist und nur noch zu sehr hohen Preisen zu erstehen ist, gibt es jetzt eine Futurepak-Version, die allerdings ebenfalls nur in begrenzter, limitierter Form aufgelegt wird. Schnelles Zugreifen ist also empfohlen.
Qualitativ erstrahlt der Film dabei in neuem Glanz, denn die HD-Variante (1,85:1) verbirgt sehr gut, dass der Film schon mehr als 35 Jahre auf dem Buckel hat. Der Ton in deutscher und englischer Sprachfassung (DTS HD Master Audio 2.0) überzeugt ebenfalls. Als Bonus gibt es zwei Audiokommentare, davon einen mit Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann, der für sich schon den Kauf wert ist. Außerdem gibt es einen isolierten Musiktrack auf die Ohren, diverse Radiospots und Trailer und eine Bildergalerie.
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