Superheldenfilme haben mittlerweile ihren Zenit erreicht, für manche haben sie diesen auch schon überschritten. Da wirkt es umso erfrischender, wenn Regisseure sich bei den etablierten Mustern bedienen, um ihre eigenen Geschichten zu erzählen, ganz ohne großen CGI-Bombast. Geringe Mittel fördern in vielen Fällen bekanntlich die eigene Kreativität. Jeff Chans CODE 8 (2019), den Koch Films im Heimkino veröffentlicht, ist genau der Film für Menschen, die der glatt gebügelten Unterhaltung von DC oder MARVEL überdrüssig sind. Ein kleiner, dreckiger Science-Fiction-Thriller, der sogar mit einer gesellschaftskritischen Note punktet.

Originaltitel: Code 8

Drehbuch: Chris Pare, Jeff Chan
Regie: Jeff Chan

Darsteller: Stephen Amell, Laysla De Oliveira, Robbie Amell, Kari Matchett, Greg Bryk, Sung Kang…

Artikel von Christopher Feldmann

Die Geschichte hinter CODE 8 (2019) ist sehr ähnlich mit der des Sci-Fi-Thrillers DISTRICT 9 (2009) von Neill Blomkamp. In beiden Fällen empfahlen sich die Regisseure mit einem Kurzfilm für ihr Projekt. Während Blomkamp allerdings tatkräftige Unterstützung von HERR DER RINGE-Mastermind Peter Jackson bekam, um seine gesellschaftskritische Dystopie als Langfilm umsetzen und letztendlich auch ins Kino bringen zu können, blieb Regisseur Jeff Chan das bekannte Vitamin B allerdings verwehrt. Der Filmemacher und Drehbuchautor hatte bisher nur einen Spielfilm in der Vita und war gänzlich auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Zu seinem Glück rief sein Kurzfilm CODE 8 (2016) derartig positive Resonanz hervor, dass über eine Crowdfunding-Kampagne ordentlich Geld generiert werden konnte. Bei einem Ziel von 200.000 US-Dollar, standen am Ende satte 2,4 Millionen US-Dollar zu Buche, was im Vergleich zu großen Hollywood-Produktionen heutzutage aber immer noch ein Witz ist. Trotzdem konnte Chan mit dem Geld arbeiten und das Ergebnis ist erfreulicherweise gut geraten. Der dystopisch anmutende Superhelden-Thriller kann trotz geringem Produktionsvolumen überzeugen und versteht sich als düstere, dreckige X-MEN-Variante.

Handlung:
In einer alternativen, nicht allzu weit entfernten, Zukunft, besitzen immer mehr Menschen übernatürliche Kräfte. Manche sind der Telekinäse mächtig oder können Stromschläge ausstoßen, manche sind unverwundbar oder übermenschlich stark. Diese, als „Specials“ bezeichneten, Individuen galten einst als wichtige Stütze der Gesellschaft und halfen der USA zum Aufstieg zur globalen Wirtschaftsmacht. Mit dem aufkommenden Gebrauch von Maschinen und Computern, sind diese Menschen zunehmend nutzlos für die Gesellschaft geworden und werden aufgrund ihrer Fähigkeiten als Gefahr eingestuft, müssen sich staatlichen Regularien unterziehen und sind auch in der Berufswelt unterprivilegiert. Connor (Robbie Amell) ist so ein Mensch und mit geballter Elektrizität ausgestattet. Aufgrund der aktuellen Situation und der Tatsache, dass seine Mutter (Kari Matchett) schwer an Krebs erkrankt ist, muss er auf schnellstem Weg viel Geld beschaffen. So gerät Connor an die Gang des Verbrechers Garett (Stephen Amell), die für den bekannten Dealer Marcus (Greg Bryk) Einbrüche und Diebstähle verübt und ebenfalls mit besonderen Kräften ausgestattet ist.

Schon gleich zu Beginn erläutert der Film mit Voice-Over einen zeitgeschichtlichen Abriss der Ereignisse, die dem Film voran gegangen sind. Aus Pseudo-News und Bildern des Kurzfilms wird kurz erklärt, was erklärt werden muss. Dabei merkt der Zuschauer relativ schnell, dass sich hinter dem Film eine beißende Allegorie auf die, vorzugsweise lateinamerikanischen, Einwanderer in den USA verbirgt. Genau wie die, mit Superkräften ausgestatteten, Protagonisten in CODE 8 waren auch die Einwanderer und Arbeiter einst eine wichtige Stütze für die amerikanische Wirtschaft. In Zeiten der technischen Revolution und Trump sind diese günstigen Arbeitskräfte ein zunehmendes Dorn im Auge der gehobeneren Schichten. Auch sie schlagen sich oft mit kleinen, schlecht bezahlten Jobs durch das Leben. Jeff Chan verweist recht offenherzig auf diese Tatsachen und geht mit seinem kritischen Subtext nicht sonderlich subtil um, was aber nicht schlecht ist. Ganz im Gegenteil, die politischen Motive geben dem Film einen gewissen, nachvollziehbaren Unterbau.

Es ist ein smarter Schachzug, dieses Problem auf das Thema „Superhelden“ zu münzen und gibt dem Film gleichzeitig eine gewisse Eigenständigkeit. Wäre dieses Element nicht vorhanden, würde die Story auch als klassischer Thriller-Plot durchgehen und ebenfalls funktionieren, dann wäre es aber letztlich nur ein klassischer Thriller-Plot ohne Alleinstellungsmerkmal. Das Drehbuch folgt etablierten Mustern, vom innerlich zerrissenen Protagonisten, über Heist-Klischees und gewisse Figuren-Bausteine ist alles vertreten. Erfreulicherweise haben die Macher aber auch eigene Ideen, um abwechlungsreiche Unterhaltung zu bieten. So schafft es der Film, durchgängig interessant und spannend zu bleiben und nebenbei eine funktionierende Welt voller Drohnen-Überwachung und staatlicher Regularien zu etablieren, die unsere Figuren erst antreibt. Dabei werden zwar auch gewisse Klischees bedient, diese bleiben aber erfreulicherweise im Hintergrund. Trotzdem wäre der Film noch etwas besser geraten, wenn man sich in vielen Szenen nicht zu viel auf die Allegorie, sondern mehr auf die Story konzentrieren würde.

Die Heist-Thematik ist nämlich gut gewählt und von Jeff Chan ansprechend in Szene gesetzt. Mit 2,4 Millionen US-Dollar war zwar nicht genug Budget für ausschweifenden Bombast vorhanden, jedoch schafft es Chan aus der Not eine Tugend zu machen. Die Effekt-Szenen sind rar gesät und meist kurz und einfach gehalten. So bekommt die übernatürliche Komponente eine gewisse Natürlichkeit und ist nachvollziehbar. Die fehlende Effekthascherei, versucht man in Action-Szenen, vor allem Shootouts, zu kompensieren, was ziemlich gut funktioniert. Die Action ist knackig, rau und nie zu Over the Top. Dabei ist besonders die Kamera und der Schnitt lobenswert, was dem Film eine gewisse Dynamik verleiht, ohne zu aufdringlich zu wirken. Auch das Set-Design kann sich sehen lassen, in dem die dystopischen Züge der Story gut zur Geltung kommen.

Chan realisierte seinen zweiten Spielfilm mit derselben Crew, die schon bei seinem Kurzfilm mitarbeitete. Auch die Hauptdarsteller nahmen für den Langfilm nochmal ihre Rollen auf. Robbie Amell gibt den innerlich zerrissenen Connor angenehm natürlich und auch sein Cousin Stephen (bekannt aus der Serie ARROW) meistert seine Rolle als Gangleader mit Bravour. Aber auch die restliche Besetzung überzeugt mit einem guten Spiel. Besonders Greg Bryk macht als schmieriger Gangster ordentlich Spaß.

Dankenswerterweise sorgt nun Koch Films dafür, dass dieser kleine dreckige X-MEN-Verschnitt den Weg in die deutschen Heimkinos findet. Die Blu-Ray überzeugt mit tadelloser Bild- und Tonqualität, während als Extras ein „Hinter den Kulissen“-Featurette und der zu Grunde liegende Kurzfilm aus dem Jahr 2016 auf der Scheibe zu finden sind.

Fazit:
Mit CODE 8 (2019) hat Regisseur Jeff Chan einen kurzweiligen, spannenden und überraschend kritischen Gegenentwurf zum aktuellen Superheldenfilm auf die Beine gestellt. Die Eigenwilligkeit, die gute Besetzung und die gekonnte Inszenierung können zwar manchmal nur schwer überdecken, dass der politische Subtext ab und an etwas zu sehr im Vordergrund steht und die Story an sich nicht unbedingt originell ist, gut gemachtes Genre-Kino bleibt aber am Ende dennoch übrig. CODE 8 ist bedenkenlos zu empfehlen!

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