Heute veröffentlicht KOCH FILMS Sam Raimis Frühwerk „Die Killer-Akademie“ in zwei schicken Mediabooks auf BD und DVD. Der Film dürfte weniger bekannt sein und genießt auch nicht unbedingt den besten Ruf. Eine gute Gelegenheit, dieses fast vergessene Werk noch mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Einen guten Rat von Bruce Campbell möchte ich dem Zuschauer jedoch gleich auf den Weg geben, bevor er einen Studiengang auf der „Killer-Akademie“ belegt: „Schaltet euer Hirn ab, dann ist alles in Ordnung!“ 😉

Regie: Sam Raimi

Drehbuch: Ethan & Joel Cohen, Sam Raimi

Darsteller: Brion James, Reed Birney, Bruce Campbell, Sheree J. Wilson, Paul L. Smith

Artikel von Holger Braasch

Unglücksrabe Vic (Reed Birney) soll wegen mehrerer Morde auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden, obwohl er unschuldig ist. Da ihm noch ein wenig Zeit bleibt, erzählt er (in einer Rückblende) die ganze Geschichte, wie sie sich wirklich zugetragen hat: Als Angestellter einer Sicherheitsfirma, beobachtet er während der Arbeit, wie zwei Kammerjäger mit ihrem Wagen eine Frau anfahren und eilt sofort zur Hilfe. Vic verliebt sich auf Anhieb in die fesche Helene (Louise Lasser), die jedoch lieber mit dem arroganten Schnösel Renaldo (Bruce Campbell) rumzieht. Doch Vic lässt nicht locker und Renaldo entpuppt sich sehr bald als richtiges Arschloch. Gute Karten für Vic, doch da er nicht gerade der Hellste ist, wendet sich das Blatt schnell wieder gegen ihn. Die beiden Kammerjäger Faron (Paul L. Smith) und Arthur (Brion James) tauchen später wieder in dem Gebäude auf, in dem Vic gerade Dienst schiebt. Die beiden entpuppen sich als getarnte Auftragskiller und töten nicht nur Vics Boss, sondern versehentlich auch ihren eigenen Auftraggeber Ernest Trend (Edward R. Pressman). Dessen Frau hat das Geschehen vom Fenster aus beobachtet und wird die neue Zielscheibe der beiden Maniacs. Währenddessen bringt Vic seine Angebetete in ihre Wohnung, die parallel zu der liegt, wo gerade einer der Psycho-Kammerjäger die lästige Zeugin beseitigen will. Es dauert nicht lange, bis die beiden Killer auf Vic und Helene aufmerksam werden, denn sie könnten ja das mörderische Treiben beobachtet haben. Es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd, bei der noch weitere Unbeteiligte auf der Strecke bleiben.

Nach seinem Achtungserfolg mit Tanz der Teufel (1981), wurde Sam Raimis zweites Langfilmprojekt Die Killer-Akademie (1985) buchstäblich zur Feuertaufe für den jungen wilden Filmemacher. Konnten die drei Stooges… ups, Verzeihung – die drei Freunde Sam Raimi, Bruce Campbell und Robert Tapert bei ihrem Langfilmdebüt noch machen, was sie wollten, sahen sie sich nun mit den harten Regeln der Filmbranche konfrontiert. Zwar konnte man nun auf ein ungleich größeres Budget und die Vorzüge eines professionellen Studios (in diesem Fall EMBASSY PICTURES) zurückgreifen, doch musste man auch viele Zugeständnisse machen. Das fing schon damit an, dass Bruce Campbell nicht die Hauptrolle bekam und stattdessen Reed Birney besetzt werden musste, weil dieser schon Erfahrungen in TV-Produktionen vorweisen konnte. Campbell hingegen konnte nur Tanz der Teufel vorweisen und das war den Geldgebern entschieden zu wenig. Doch Sam Raimi setzte durch, dass Bruce Campbell und Rob Tapert als Mitproduzenten weiterhin im Boot blieben. So bekam Bruce Campbell schließlich den undankbaren Part des Schmierlappens Renaldo, der er auch ziemlich lässig spielte. Trotzdem – als Hauptfigur Vic wäre er wesentlich besser besetzt gewesen und das hätte den Film enorm aufgewertet.

Zumindest einer der ausführenden Produzenten, Edward R. Pressman, war dem Projekt wohlgesonnen und unterstützte die Newcomer, wo er konnte. Sam Raimi konnte ihn sogar als Darsteller einspannen, was nun nicht gerade Edward R. Pressmans Steckenpferd war. Pressmann war u. A. an der Produktion von Wall Steet (1987), Blue Steel (1990), Bad Lieutenant (1992) und The Crow (1994) beteiligt. Immer auf der Suche nach neuen Talenten, war er auch an der künstlerischen Vision der jeweiligen Filmemacher interessiert. Am Drehbuch zu Die Killer-Akademie schreiben außerdem noch Joel und Ethan Coen mit. Und schaut man sich Die Killer-Akademie an, lassen sich viele Elemente aus späteren Filmen der Coens entdecken. Sogar der Name “Hudsucker Industries” taucht hier schon auf. Joel Coen unterstützte Sam Raimi auch beim Schnitt von Tanz der Teufel mit Rat und Tat. Beim Langfilmdebüt der Coens Blood Simple (1984) kann man übrigens bemerkenswerte stilistische Ähnlichkeiten zu Tanz der Teufel erkennen (ich sage nur: Lebendig begraben). Auch später blieben Sam Raimi und die Coens in Kontakt und tauschten sich bei ihren Projekten aus. In Miller’s Crossing (1990) und Hudsucker – Der große Sprung (1994) bekam Sam Raimi jeweils einen kleinen Gastauftritt.

Als ich Die Killer-Akademie Mitte der 90er-Jahre zum ersten Mal gesehen habe, waren meine Erwartungen natürlich sehr geprägt von Sam Raimis Evil Dead-Trilogie. Die irrwitzigen Regieeinfälle, die entfesselnde Kamera, die immer wieder mit ungewöhnlichen Blickwinkeln überrascht und der rabenschwarze Humor waren auch vorhanden, wie ich es mir erhofft hatte. Doch thematisch war dies eben etwas völlig anderes. Die Killer-Akademie wirbelt Elemente aus Film Noir, Musical, Slapstick und schwarzer Komödie wild durcheinander. Obwohl die Geschichte in der Gegenwart (sprich: In den 80ern) spielt, wirkt alles, als ob es in den 30er-40er-Jahren angesiedelt ist. Ohne Verschnaufpause lässt Sam Raimi seine Darsteller chargieren und Grimassen schneiden. Schon „Tanz der Teufel“ hatte komödiantische Elemente und ursprünglich sollte bereits der erste Film der Evil Dead-Reihe auch viel witziger werden, doch Sam Raimi wusste, dass es schwieriger ist, eine treffsichere Komödie zu drehen, als einen effektiven Horrorfilm. Dies musste zuvor auch Steven Spielberg erfahren, der mit 1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood? (1979) an den Kinokassen mächtig Schiffbruch erlitt und von manchem Kritiker gar das Ende seiner Karriere orakelt bekam. Sam Raimi sollte es bei Die Killer-Akademie nicht anders gehen und scheiterte, wie Spielberg. Das heißt, er scheiterte gut! Allerdings konnte er bei seinem zweiten Spielfilm längst nicht so ein hohes Budget in den Sand setzen, wie Spielberg, der schon einige Kinoerfolge vorzuweisen hatte.

Ganz nach dem Vorbild von Jerry Lewis und den Three Stooges, von denen Sam Raimi leidenschaftlicher Fan ist, geht Die Killer-Akademie gleich in die Vollen. Und es zeigte sich, dass es tatsächlich gar nicht so einfach ist, eine Komödie zu drehen, die durchgehend gut funktioniert. Obwohl der Film bereits 1984 abgedreht wurde, brauchte man für den Schnitt noch gut ein Jahr. Abgesehen von den Kompromissen, die man bei der Endfassung machen musste, wollte das ganze Konzept einfach nicht zünden. Die Killer-Akademie sprüht zwar vor originellen Einfällen und tollen optischen Spielereien, aber das überdrehte Herumblödeln der Figuren nutzt sich schnell ab und die Geschichte interessiert einen schon nach wenigen Minuten nicht mehr wirklich. Ein Großteil der Gags verpufft durch schlechtes Timing und Überstrapazierung. Hauptdarsteller Reed Birney gibt sich redlich Mühe, schafft es aber leider nicht, seiner Rolle den nötigen Charme einzuhauchen, um die Sympathie des Publikums zu gewinnen. Wie gesagt – das hätte Bruce Campbell m. E. viel besser gemeistert. Und Campbell verleiht sogar seiner Arschloch-Rolle noch genügend Charme, dass man ihr so manchen Fehltritt verzeiht.

Die eigentlichen Highlights sind jedoch Paul L. Smith und Brion James, als debiles Killer-Duo. In bester Cartoon-Manier verfolgen sie ihre Opfer und bekommen dafür immer wieder eins auf die Glocke. Doch das hält die beiden nicht lange auf. Tom & Jerry und Looney Tunes lassen grüßen. Dies sind dann auch die Momente, in denen Die Killer-Akademie richtig Spaß macht. Zum Glück haben die beiden Killer viel Screentime und das letzte Drittel des Films gerät zur atemlosen Verfolgungsjagd voller abgefahrener Einfälle. Die Szene, wo die Frau von Ernest Trend von Faron (Paul L. Smith) durch einen schier endlos erscheinenden Korridor von Tür-Attrappen gejagt wird, ist optisch brilliant umgesetzt und geradezu surreal. Hier schimmert deutlich die Handschrift des „Evil Dead“-Regisseurs durch, sogar einige prägnante Soundeffekte aus Tanz der Teufel kommen hier wieder zum Einsatz. Und dann ist da noch der weiße Oldsmobile Delta 88 (Baujahr 1973), der seit Tanz der Teufel zu Sam Raimis Markenzeichen gehört und in den meisten seiner Filme auftaucht.

Ziemlich am Schluss von Die Killer-Akademie hat Frances McDormand einen kurzen Auftritt als Nonne (mit Brille). Sie spielte auch in Sam Raimis Darkman (1990) mit und gehört seit Blood Simple zu den Stammschauspielern der Coens. Für ihre Hauptrollen in Fargo (1996) und Martin McDonaghs Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017) wurde sie (mMn verdientermaßen) mit einem Oscar ausgezeichnet.

Doch ich möchte noch mal auf die Darsteller unserer beiden „Kammerjäger“ eingehen: Paul L. Smith wurde in den 70er-Jahren gerne als Bud Spencer-Verschnitt besetzt, empfahl sich aber mit seiner Rolle in 12 Uhr nachts – Midnight Express (1978) zukünftig als grobschlächtiger Finsterling, was ihm offenbar auch Spaß bereitete. So war er in David Lynchs Der Wüstenplanet (1984) und diversen B-Filmen, wie Pieces – Der Kettensägenkiller (1982) oder Satanic – Ausgeburt des Wahnsinns (1987) zu sehen. Gerade in letzterem lieferte er eine grandiose Vorstellung als sadistischer Anführer einer Mörderbande ab. Brion James spielte in Ridley Scotts Blade Runner (1982) einen aufmüpfigen Replikanten und war ebenfalls häufig in Schurken-Rollen zu sehen. In Paul Verhoevens knallhartem (und romantischem) Ritter-Epos Flesh And Blood – Fleisch und Blut (1985) überzeugte er aber auch als kühner Recke Karsthans, wieder an der Seite von Rutger Hauer.

Nachdem ich Die Killer-Akademie lange nicht mehr gesehen hatte, war ich doch positiv überrascht. Er ist genauso albern und überdreht, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Aber heute sehe ich auch die unglaublich tolle Arbeit, die Sam Raimi und sein Team hier geleistet haben. Denn dies ist immer noch eine Low Budget-Produktion von jungen wilden Filmemachern, die mit einer gewissen Unbedarftheit und voller kreativer Energie zu Werke gingen und sich offenbar nicht allzu sehr um kommerziellen Erfolg scherten. Die Killer-Akademie ist auf Film gebannte Anarchie in Reinkultur. Ein völlig durchgedrehter Real-Cartoon, voll mit schwarzem Humor und infantiler Verspieltheit. Das ist der Sam Raimi, den ich heute mehr zu schätzen weiß, als noch Mitte der 90er. Denn nach „Armee der Finsternis“ (1992) wurde aus dem frechen Kult-Filmemacher ein routinierter Regisseur des Studio-Systems, was seine späteren Sachen für mich weit weniger interessant macht. Seine Wiederbelebung des Evil Dead-Franchises mit Ash vs. Evil Dead (2015) war für mich zwar ein netter Fan-Service, aber es fehlt einfach die Originalität und der subversive Charme von Raimis Frühwerken. Sein absolutes Meisterstück bleibt für mich Tanz der Teufel.

Frühere DVD-Veröffentlichungen

Lange Zeit musste man mit den Billig-DVDs von Best Buy Movie und Best Entertainment auskommen, zumindest wenn man Die Killer-Akademie auf deutsch haben wollte. Diese zeigten noch die alte deutsche Vollbild-Fassung (Open Matte), wie sie auch auf VHS erschienen ist. Nun bringt Koch Films den Film endlich auch hierzulande in HD-Qualität – und was soll ich sagen? Koch Films hat auch hier wieder eine traumhafte Veröffentlichung hingezaubert, an der sich die großen Major-Labels ruhig mal ein Beispiel nehmen sollten. Dort werden „unpopuläre“ Backprogramm-Titel ja leider oft sträflich vernachlässigt. Als Extras gibt es (optional untertitelte) Interviews mit Reed Birney, Edward R. Pressman und Bruce Campbell, von denen man interessante und amüsante Details zur Entstehung des Films erfährt. Neben einer Bildergalerie mit internationalen Artworks, einer alternativen Titelsequenz und dem Originaltrailer, gibt es noch einen (nicht untertitelten) Audiokommentar mit Bruce Campbell und Dokumentarfilmer Michael Felsher, der u. A. die Doku Diary Of The Dead (2007) gemacht hat. Die alte deutsche DVD-Fassung ist mit ihrem ranzigen Grindhouse-Look eigentlich nur noch Nostalgikern zu empfehlen. Meine alten Scheiben bleiben dann auch in der Sammlung, der alten Zeiten wegen. Sehr schön, dass auch dieser Film nun eine würdige Veröffentlichung bekommt hat und so der Nachwelt erhalten bleibt.

Trailer:

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