Der spanische Horrorfilm der frühen Siebziger hat für Fans des Genres einen ganz besonderen Reiz. Mit herrlich naivem Charme eroberten einst die reitenden Leichen und der Werwolf Waldemar Daninsky, aka Paul Naschy, auch die hiesigen Leinwände. Damals als Schund verschrien, punkten die Schocker von anno dazumal heute mit schrulligem Gothikcharme und Kunstblut, für dass mit Sicherheit Tomato al Gusto von Knorr genutzt wurde. Aus dem Hause CARGO RECORDS kommt nun ein herziges Vampirstück aus dem sonnigen Süden, dass den wenigsten von Euch ein Begriff sein dürfte, da das Videoband von WONDER VIDEO gar selten aufzufinden war. Wir schildern Euch, ob diese Filmerfahrung auch heute noch ein echter HORRORTRIP ist…
Originaltitel: La llamada del vampiro
Regie: José María Elorrieta
Darsteller: Diana Sorel, Nicolas Ney, Ines Skorpio, Beatriz Lazy
Artikel von Christian Jürs
Irgendwann spät abends sitzt Opa Hoppenstedt (Antonio Jiménez Escribano) in seinem Schloß um in aller Ruhe ein Buch zu lesen. Auf dem Tisch vor ihm liegen auch diverse Zettel, womöglich Drehbuchseiten. Plötzlich erscheint eine aparte, junge Blondine (Loreta Tovar) im Nachthemd am oberen Treppenabsatz und fletscht ihre spitzen Eckzähne. Die Vampirdame hat es auf den alten Mann abgesehen, der sich nicht als Lottogewinner mit Herrenboutique in Wuppertal, sondern als Baron von Rysselberg entpuppt. Blondchen hat allerdings nicht vor, den alten Mann auszusaugen, stattdessen möchte sie sein Leben mit einem Messer beenden (was Vampire halt so machen). Pech für Margaret, wie die Spitzzähnige heißt, dass die Oma des Hauses (Rosario Royo), deren Namen ich nicht behalten habe, mit Kruzifix und Holzpflock im Schlepptau um die Ecke kommt und Blondis vampirisches Dasein vorerst beendet.
Es folgt die wohl herzloseste Predigt bei einer Beerdigung, die vom motiviertesten aller Pastoren heruntergeleiert wird. Dafür lernen wir die nächste, hübsche Blondine kennen (für Nachschub muss ja gesorgt sein), nämlich Dr. Dora Materlick (Diana Sorel), die noch vor Ort engagiert wird, um den alten Baron, der an einer seltenen Blutkrankheit leidet, fortan auf Schloß Dracula zu behandeln. Im Schlepptau hat sie ihre attraktive, brünette Assistentin Erica (Beatriz Ellorieta), die mit dem Sohnemann des Hauses, einem Ilja Richter-Lookalike namens Karl von Rysselberg (Nicholas Ney) anbandelt. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Da Dr. Dora sich mit Blutkrankheiten nicht wirklich gut auskennt, zieht sie noch eine Expertin hinzu, die auf den Namen Veronica (Inés Molares) hört und passenderweise rothaarig ist, damit jede Geschmacksrichtung der Filmkonsumenten gedeckt ist. Karl, der in seiner Handinnenfläche Vampirbißmale mit sich herumträgt, warnt Erica derweil, dass sie doch bitte abreisen möge, da ihr sonst schlimmes widerfahren würde. Doch die lehnt selbstverständlich ab, möchte sie sich doch nicht von ihrem Liebsten trennen.
Was Erica nicht ahnt, dem aufmerksamen Zuschauer aber, sofern er zwischenzeitlich nicht für Biernachschub aus dem Keller sorgen musste, bekannt ist, ist, dass Ilja Richter bereits mit dem Vampirgen infiziert wurde. Patient Zero, also der spanische Graf Dracula, ist hier ein Typ mit riesiger Rotzbremse und schütterem Haar, der mit seinem hypnotischen Blick jedes Mädchen, dass ihm gerade im Nachthemd entgegenkommt, umgehend klar macht. 100 % purer Sex – Christopher Lee kann einpacken.
Karl verwandelt sich des Nachts dann in einen bleichen, wild grimmasierenden Blutsauger, der seiner Liebsten sogleich einen Besuch abstattet und eingangs erwähnte rote Nudelsoße auf ihrem Hals hinterlässt. Doch traurig muss man nicht sein, denn Erica verwandelt sich ebenfalls in eine spitzzähnige Nachthemdträgerin, die sogleich im Keller die dort aufgebahrte Margaret (von wegen beerdigt) vom Holzpflock befreit, was zu einer sofortigen Wiederbelebung der Dame führt. Fortan laufen die Vampire nachts als Blutsauger, tagsüber als scheinbar normale Menschen umher, was eine töfte Idee ist.
Der Horrortrip nimmt seinen Lauf…
Hach, was liebe ich diese schrullig-misslungenen Gothichorrorversuche. Im Gegensatz zu den Italienern, die bereits damals kräftig die Sau rausließen, ging es im sonnigen Spanien immer eine Spur dilletantischer voran. Von Horrormeilensteinen à la Rec oder Das Waisenhaus war 1972 noch nicht die Spur, dafür sorgte Amando de Ossorio mit seinem Klassiker Die Nacht der reitenden Leichen für wohligen Eurogrusel samt Pappskeletten aus der hiesigen Geisterbahn. Kultstar Paul Naschy trat derweil als trauriger Werwolf, der grunzend und mit hässlicher Gesichtsbehaarung bewaffnet, junge Nackedeis von ihrem Dasein erlösen durfte. Sein 1971 entstandener Nacht der Vampire stand mit Sicherheit Pate bei der Entstehung dieses Meisterwerkes, denn es gibt unübersehbare Parallelen. Nicht nur, dass bei beiden Filmen die Nachtszenen am helligten Tag und bei strahlender Mittagssonne entstanden (einfach Bild dunkler drehen und blauen Filter auf die Linse, dann passt das schon), auch die Vampirdamen dürfen hier wie da in Walle-Walle-Nachhemden gekleidet und gedrosselter Geschwindigkeit im Mond- bzw Sonnenlicht tanzen und dabei erfreut kiechern. Das Vampirdasein ist halt ein gar schönes.
Die DVD aus dem Hause Cargo Records kann man qualitativ nicht gerade in den höchsten Tönen loben. Das Bild ist nicht anamorph, dafür etwas pixelig und es wackelt hier und da (das Standbild der gepfälten Vampirin im Vorspann wirkt, als würde sie tanzen). Der Ton liegt in deutscher und spanischer Sprachfassung vor, Untertitel gibt es jedoch nicht. Dafür ist der deutsche Ton recht dumpf und in einer Szene so gar nicht synchron. Dies scheint jedoch nicht der Fehler des Verleihers zu sein, es scheint, als sei diese Szene komplett anders in der deutschen Videofassung zurechtgeschnitten gewesen, da so mancher Stimmeinsatz zwar zeitgleich mit den Lippenbewegungen startet, doch schon nach wenigen Sekunden komplett aus dem Ruder läuft. Es handelt sich jedoch nur um eine läppische Szene zwischen Karl und Dr. Dora Dingsbums, danach ist alles wieder in Ordnung. Bonusmaterial gibt es keines (woher auch), dafür hat man das Cover der alten Wonder Video Fassung (die ich in jungen Jahren tatsächlich in einer Videothek um die Ecke leihen durfte) korrigiert. Dort war damals oberhalb des Schriftzuges nämlich eine Geburtstagstorte mit ausgestreckter Hand und Messer darin abgebildet, sowie der Konterfei einer schreienden Frau, was auf einen Vertreter des Slashergenres hinwies. Die Abbildung auf dem DVD-Cover hingegen entspricht dem spanischen Originalmotiv. Ein Wendecover ohne FSK-Flatschen gibt´s obendrauf. Daumen hoch dafür.
Das klingt trotzdem alles irgendwie blöd meint Ihr? Natürlich – und gerade deshalb kann ich diese seltene Schundperle zumindest dem Fanlager empfehlen. Wer auch Werke wie Woodoo – Inferno des Grauens, ein ebenfalls recht seltenes Schlockwerk, oder aber die Filmographie vom Naschy Paule sein eigen nennt, der darf hier beherzt zugreifen. Dass die Qualität nicht 1A, sondern eher 2B ist, dürfte dabei zu verkraften sein. Ein besseres Master wird wohl nicht zur Verfügung gestanden haben. Hier gilt, dankbar sein, dass der Film überhaupt erhältlich ist.
Einen Trailer muss ich diesmal schuldig bleiben. Es war partout nix zu finden.