Derzeit dürfte im Privatleben wieder genug Zeit für Romantik sein, sofern man sich nicht schon gegenseitig an die Gurgel gegangen ist. Studio Hamburg hat nun passenderweise einen Film im Heimkino veröffentlicht, der sich hervorragend für die kuschelige Zweisamkeit eignet. ABOVE THE SHADOWS (2019) von Independent-Regisseurin Claudia Myers beschäftigt sich auf einfühlsame Weise mit der Unsichtbarkeit und dem vergessen werden, eingebettet in eine putzige Love-Story. Ob der Film auf ganzer Strecke überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Originaltitel: Above the Shadows
Drehbuch & Regie: Claudia Myers
Darsteller: Olivia Thirlby, Alan Ritchson, Jim Gaffigan, Maria Dizzia, Megan Fox…
Artikel von Christopher Feldmann
Als Fan von Genre-Filmen und gutem Popcorn-Kino kommen wir Schmonzetten relativ wenig vor die Linse. Nicht, dass ich Liebesfilme kategorisch ablehne, jedoch erscheinen heutzutage meist belanglose Romantic-Comedies, mit denen ich mich nicht wirklich anfreunden kann. Wenn schon Romantik, dann doch bitte mit dem Fokus auf echten Gefühlen und guten Schauspielern, dann kann auch mein Herz zum schmelzen gebracht werden. Zum Glück hält der Direct-to-DVD-Sektor immer mal wieder relativ brauchbare Ware bereit, die unter Ausschuss der Öffentlichkeit in den hinteren Regalen des Einzelhandels ihr Dasein fristet. Da dieser aktuell brach liegt, bezweifele ich, dass ABOVE THE SHADOWS (2019) ein großes Publikum erreichen wird. Und auch wenn es sich hierbei sicher nicht um ein Meisterwerk handelt, können ein paar warme Worte von meiner Seite aus ein paar eifrige Käufer vielleicht dazu bewegen, dem romantischen Fantasy-Drama eine Chance zu geben und sich die Scheibe ins Regal zu stellen. Es gibt deutlich schlechtere Alternativen.
Handlung:
Holly (Olivia Thirlby) führte als Kind ein ganz normales Leben. Auch wenn sie als mittleres Kind von ihren Geschwistern keine große Aufmerksamkeit bekam, fühlte sie sich bei ihrer Mutter (Maria Dizzia) umso mehr geborgen. Als die fürsorgliche Frau den Kampf gegen den Krebs verliert, fällt Holly in ein Loch, dass sich weitaus tiefer erweist, als zunächst angenommen, denn sie wird für ihre Mitmenschen nach und nach unsichtbarer, bis sie ihre Familie nicht einmal mehr zur Kenntnis nimmt. Auch auf Fotos taucht sie nicht mehr auf, sie ist für andere einfach nicht mehr sichtbar. Fortan entscheidet sich Holly für ein isoliertes Leben, ihr Einkommen bezieht sie als anonyme Fotografin für ein Klatsch-Blatt. Da sie von Menschen nicht gesehen wird, schafft sie es, Prominente in den intimsten und verwerflichsten Situationen abzulichten. Eines Tages trifft sie jedoch auf den Türsteher Shayne (Alan Ritchson), dessen MMA-Karriere einst durch Hollys prekäre Fotos beendet wurde. Er kann sie als einziger tatsächlich sehen, was sie zum Anlass nimmt, um ihm wieder auf die Beine zu helfen, während er ihr langsam aber sicher das Gefühl gibt, nicht mehr unsichtbar zu sein.
ABOVE THE SHADOWS drückt viele Knöpfe, die Fans von gemächlichem Drama wohl zufrieden stellen dürfte. Der Film beschäftigt sich erst einmal mit der Kindheit Hollys, die damit zu kämpfen hat, von ihrer Familie wenig bis gar keine Aufmerksamkeit zu bekommen. Zwischen ihren Geschwistern ist sie die unauffälligste, während ihre ältere Schwester Vanessa mit besonderer Schönheit ausgestattet ist und ihr jüngerer Bruder Troy das intelligente Wunderkind darstellt. Holly hat nichts besonderes und ist das klassische Durchschnittskind. Der Film stellt relativ differenziert die Probleme in der Familie dar und skizziert die enge Bindung zur Mutter, die, wie üblich in solchen Filmen, vom Krebs dahingerafft wird. Hier wird der Ton für die folgende Geschichte vorgegeben, denn ABOVE THE SHADOWS verzichtet glücklicherweise auf allzu viel Kitsch und bleibt in der Figurenzeichnung relativ nüchtern und weitaus besser greifbar, als die triefenden Schmachtfetzen, wie zum Beispiel von Nicolas Sparks.
Das heißt natürlich nicht, dass der Film Klischees auslässt oder großartig überraschend wäre. Der Handlungsverlauf ist ab einem gewissen Punkt durchaus erwartbar und auch so manche Erklärungen wirken etwas konstruiert. Warum ausgerechnet der attraktive MMA-Fighter Shayne die unscheinbare Holly sehen kann, wird nicht erklärt. Auch manche Wendungen wirken willkürlich und holprig. So muss der Zuschauer ein paar inhaltliche Ungereimtheiten akzeptieren, was aber bei der charmanten Story hinzunehmen ist. Generell ist der Fantasy-Einschlag der schwierigste Aspekt des Films und funktioniert stellenweise nur bedingt. Dafür punktet ABOVE THE SHADOWS mit einer netten Love-Story, die durchaus unterhält, den ein oder anderen Schmunzler bereithält und tatsächlich weniger rührselig ist, als erwartet.
Einziges Kernproblem ist auch hier wieder die Laufzeit. Mit knapp zwei Stunden Länge hat ABOVE THE SHADOWS besonders im Mittelteil seine Durchhänger. Hier wäre weniger mehr gewesen, so eine Story dürfte nicht länger als 100 Minuten dauern. Jedenfalls sorgt die charmante Besetzung dafür, dass ich über diese Defizite zum größten Teil hinwegsehen kann. Olivia Thirlby ist ein noch unverbrauchtes Gesicht und sie spielt die unscheinbare Holly mit genügend Emotionalität und einem gewissen ironischen Charme, mit dem sie den Film tragen kann. Auch Alan Ritchson macht seine Sache als MMA-Kämpfer durchaus ordentlich und funktioniert in seiner eher tragischen Rolle. Actionfans sollten sich bei „MMA“ aber nicht auf coole Klopper-Szenen freuen, denn die drei Kämpfe, die gezeigt werden, sind allenfalls als Raufereien zu bezeichnen. Hier will der Film etwas zu viel, in dem er mit einer Art ROCKY-Vibe um die Ecke kommt, kann man machen, hätte ich aber nicht gebraucht. Auch Fans von TRANSFORMERS-Hottie Megan Fox sollten nicht zu viel erwarten, denn die Schauspielerin hat gerade einmal drei Auftritte, also nur eine kleine Nebenrolle, allerdings macht sich ihr Name ganz gut auf dem Cover.
Neben der guten Besetzungen kann auch die Inszenierung von Claudia Myers überzeugen, die ein paar schöne Panoramen der Großstadt serviert. Tatsächlich gibt es einige Einstellungen, die ich mir als Poster an die Wand hängen würde, gerade wenn die Sonne im Morgenlicht die Straßen der Großstadt flutet. Lediglich von Actionszenen hat die gute Frau keine Ahnung aber dass die Kämpfe wie Raufereien aussehen, erwähnte ich ja bereits.
Die Blu-Ray aus dem Hause Studio Hamburg punktet mit einer sehr guten Bild- und Tonqualität. Gerade das Bild überzeugt mit natürlichen Farben und einer guten Schärfe. Im Bonusmaterial ist leider nur eine Trailershow zu finden.
Fazit:
ABOVE THE SHADOWS (2019) ist sicherlich kein großer Meilenstein und auch kein Film, der sich großer Beliebtheit erfreuen wird. Dennoch ist die Fantasy-Romanze einen Blick wert und dürfte vor allem denjenigen gefallen, die sich gerne mit der Partnerin oder dem Partner einkuscheln und etwas fürs Herz genießen wollen. Als solches ist der Streifen definitiv geeignet, auch wenn er mit fast zwei Stunden etwas zu lang ist und ein paar Ungereimtheiten in der Story vorzuweisen hat. Mir hat der Film gefallen, mit Abstrichen eben.
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