„Dust Devil“ gehört nicht unbedingt zu den Filmen, die mich auf Anhieb begeistert haben. Und doch hatte ich von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, ihn mir noch mal anzusehen. So, als ob dieser Film nur auf den richtigen Moment gewartet hat, um mich zu überzeugen. Ein filmisches Gespenst, das einfach keine Ruhe geben wollte und das mich schließlich doch noch in seinen Bann zog. Es gibt einiges zu entdecken in diesem Film, doch man sollte sich auf ein sehr spezielles Filmerlebnis einstellen, das sich nicht so einfach in Genre-Schubladen einordnen lässt. Dank KOCH FILMS bietet sich nun erneut die Gelegenheit zur Wiederentdeckung.

Drehbuch und Regie: Richard Stanley

Darsteller: Robert John Burke, Chelsea Field, Zakes Mokae, Rufus Swart

Artikel von Holger Braasch

In Richard Stanleys (Die Farbe aus dem All) okkulter Mischung aus blutigem Horror und staubigem Italo-Western ist der Dust Devil (Robert Burke) ein Dämon in Menschengestalt, der durch die afrikanische Namib-Wüste streift. Den geheimnisvollen Serienmörder verschlägt es in den Bezirk Bethany, wo er sich von einer verlorenen Seele anziehen läßt. Diese erliegt ebenfalls der mystischen Ausstrahlung des schweigsamen Fremden und der folgende Geschlechtsakt geht mit dem Tötungsdelikt Hand in Hand. In einem bizarren Ritual, schlachtet der namenlose Fremde sein Opfer ab. Der attraktiven Wendy (Chelsea Field) droht das gleiche Schicksal. Nachdem sie sich von ihrem Mann Mark (Rufus Swart) getrennt hat, gerät sie in die Hände des Dust Devil, den sie als Anhalter in ihrem Wagen mitnimmt. Sie fühlt sich angezogen von dem Fremden, doch dann kommt sie dem schrecklichen Geheimnis auf die Spur und flieht in die Wüste. Währenddessen sucht Mark in der Gegend nach Wendy und bittet Sgt. Ben Mururob (Zakes Mokae) ihm dabei zu helfen. Dieser sucht bereits nach dem geheimnisvollen Mörder, doch er hat keinerlei Anhaltspunkte – jedenfalls keine, die das Ganze rational erklären könnten.

Ursprünglich wollte Richard Stanley sein Herzensprojekt Dust Devil schon Mitte der 80er-Jahre auf die Leinwand bringen, aber die Umsetzung gestaltete sich für den jungen und unerfahrenen Nachwuchsfilmer als recht schwierig und so drehte Stanley erst einmal zwei Kurzfilme, bevor er mit M.A.R.K. 13 – Hardware (1990) seinen ersten Spielfilm vorlegte. Allerdings waren diese Kurzfilme schon Vorstufen zu Hardware und Dust Devil. Richard Stanley wuchs in Südafrika auf und kam früh mit der Obrigkeit in Konflikt. Er entdeckte als Teenager seine Liebe zum Kino, doch die Zensur in Südafrika war streng. Gerade die Werke, die Richard Stanley besonders interessierten (z. B. von David Cronenberg) waren verboten und als Stanley selbst anfing Filme zu drehen, geriet er schnell in den Fokus der Regierung. Schließlich sah er sich gezwungen, das Land zu verlassen. Quasi über Nacht, musste er sich aus sich aus seinem Heimatland herausschmuggeln und landete in England, wo er erst einmal in einem Kino übernachten musste. Dort liefen gerade Filme von Dario Argento und Richard Stanley war völlig hingerissen von der besonderen Machart dieser Filme. Der Stil von M.A.R.K. 13 – Hardware ist dann auch sehr geprägt von Filmemachern, wie John Carpenter, Alejandro Jodorowsky, Dario Argento und Sergio Leone. Eine pessimistische Zukunftsvision und eine Anklage auf die Kriegsmaschinerie, die am Ende nur Verlierer produziert. Der Film ist schnell, hart und mit aggressiver Energie geladen, die förmlich auf der Leinwand explodiert.

Mit seinem zweiten Spielfilm Dust Devil schlägt Richard Stanley eher leise Klänge an und lässt den Horror auf subtile Weise dahingleiten. Wobei Stanley hier nicht auf den Schockeffekt setzt, sondern auf Mystik und Symbolik. Als ich Dust Devil 1993 zum ersten Mal gesehen habe, war meine Erwartung noch sehr von M.A.R.K. 13 – Hardware geprägt. Ich würde nicht sagen, dass ich von Dust Devil enttäuscht war. Schon allein die schöne Bildgestaltung, in Kombination mit Simon Boswells Soundtrack, gefiel mir sehr. Doch zu der Geschichte und auch zu den Figuren fehlte mir etwas der Zugang. So landete die VHS von Highlight Video erst einmal im Regal und setzte Staub an. Spätestens als der Director’s Cut (auch als Final Cut bekannt) auch hierzulande auf DVD heraus kam, war eine neue Sichtung fällig. Unglücklicherweise erwies sich die neu erstellte Synchro von Laser Paradise als nicht gerade vorteilhaft, denn sie raubt dem Film viel von seiner Intensität. Zum Glück ist auf der DVD aber auch der O-Ton mit optionalen UT enthalten. Hierfür muss ich Laser Paradise dann wieder loben. Jedenfalls ging es mir ähnlich, wie bei der Erstsichtung. Ich spürte, dass dieser Film etwas besonderes hat, aber irgendwie wollte er auch diesmal nicht richtig zünden. Abhaken konnte ich ihn dennoch nicht. So stand Dust Devil noch einige Zeit im Regal und wartete auf den richtigen Augenblick. Und tatsächlich – nach nochmaliger Sichtung bin ich recht angetan von dem Film, auch wenn mir M.A.R.K. 13 – Hardware immer noch deutlich besser gefällt.

In Dust Devil vermischen sich die Einflüsse von Richard Stanleys cineastischen Vorbildern mit Schamanismus und klassischer Geistergeschichte.  Der Soundtrack von Simon Boswell verpasst dem Ganzen eine mystische, geradezu sakrale Stimmung. Wie gesagt, ging es Richard Stanley nicht um Schocks, auch nicht um Spannung im genretypischen Sinne. Denn der Dust Devil sucht sich nur diejenigen aus, deren Leben am Ende ist. Diejenigen, die nichts mehr haben, weswegen es sich zu leben lohnt. Die Ausgebrannten, die Hoffnungslosen – die Verdammten. Spannend ist lediglich, ob Wendy sich für das Leben entscheidet, oder sich dem Dust Devil hingibt. Doch sie ist unentschlossen und balanciert zwischen den Welten. Der Dust Devil hat sie auserkoren, doch er kann sie nicht ins Reich der Toten holen, solange sie zwischen den Welten wandelt. In Wendy hat er quasi seinen Meister gefunden und er genießt den Tanz zwischen Leben und Tod. Und je länger er Wendy verfolgt, desto mehr wird der Dust Devil ins Reich der Lebenden gezogen. Ein Tanz auf der Rasierklinge, den am Ende nur einer bestehen wird. Während der Dust Devil verzweifelt versucht, einen Weg auf die andere Seite des Spiegels zu finden, wächst in Wendy die Entschlossenheit, sich mit ihm zu messen, ihm zu widerstehen und ihn schließlich zu bezwingen. Doch der Preis dafür ist hoch und bedeutet, dass Wendy auf die andere Seite gelangen muss. Und von dort gibt es keine Wiederkehr, zumindest nicht als gewöhnlicher Mensch. Sicher nicht zufällig, erinnert der Film stellenweise sehr an Robert Harmons Hitcher, der Highway-Killer (1986), wo Rutger Hauer als geradezu mystisch in Szene gesetzter Serienkiller zum Albtraum für einen jungen Mann wird. Der Hitcher führt ihn gewissermaßen durch einen Initiationsritus, der von Schmerz und Gewalt geprägt ist.

Für Wendys Ehemann Mark wird die Suche nach seiner Frau zu einer Odyssee ins Chaos. Er muss sein sicheres Heim verlassen und gerät immer mehr in einen Strudel der Gewalt. Man kann es als eine Art Ritual sehen, aus dem Mark am Ende als neuer Mensch hervorgehen wird. Eine schmerzvolle Erfahrung, die sein Leben für immer prägen wird.

Der Vierte im Bunde ist Sgt. Ben Mukurob, der die mysteriösen Morde aufklären soll. Er ahnt, dass die Opfer nicht unbedingt unfreiwillig in den Tod gingen. Er selbst hat den Tod seiner Frau nie überwunden und das Einzige, was ihn anscheinend am Leben erhält, ist seine Polizeiarbeit. Doch insgeheim hofft er, dass er eines Tages wieder mit seiner Verflossenen zusammen sein wird, auch wenn das unmöglich scheint. Zunächst glaubt er nicht an übersinnliche Phänomene, doch nach und nach zweifelt er an seinem Weltbild. Auch er wird von dem Dust Devil angezogen, doch das wird ihm erst später bewusst.

Gerade die mystischen Elemente kommen im Director’s Cut noch stärker zum Vorschein, während sich die kürzere Kinofassung auf einen weitgehend schnörkellosen Verlauf der Geschichte konzentriert. So sind im DC die Szenen enthalten, wo Ben Mukurob per Telefon von seiner verstorbenen Frau kontaktiert wird, sowie die Traumsequenzen, die in der Kinofassung nur kurz angerissen werden. Auch enthält der DC einige Dialogsequenzen mehr und betont die Symbolik um den Dust Devil, der quasi der Teufel in Menschengestalt ist. Letzteres ist zwar schon in der Kinofassung ersichtlich, nur fehlen hier viele wichtige Details, welche die Figuren in einem deutlich ambivalenteren Licht zeigen. Es gibt weder Gut noch Böse, es gibt nur Licht und Schatten. Diese beiden Elemente sind ständig in Bewegung und man kann oft nicht sicher sagen, ob gerade das Licht, oder der Schatten dominiert. So bleibt der Verlauf der Geschichte schwer vorhersehbar und hält immer wieder Überraschungen bereit. Das Finale in der versandeten Geisterstadt findet folgerichtig in einem alten Kino statt. Die Kinoleinwand wird zu einer Art Tor zum Jenseits. Hier laufen die Schicksale von Wendy, Ben und dem Dust Devil zusammen und es kommt zur letzten Auseinandersetzung, wie im klassischen Western. Und um noch einmal kurz auf das Motiv mit den Spiegeln einzugehen – dieses findet sich auch in John Carpenters Die Fürsten der Dunkelheit (1987), wo der Vater des Satans versucht, durch diese „Türen“ in die Welt der Lebenden zu gelangen.

Robert Burke erscheint mir als Killer à la The Hitcher etwas zu glatt, aber er schafft es durchaus, seiner Figur eine geheimnisvolle Aura zu geben. Zakes Mokae hatte er schon in Wes Cravens Die Schlange im Regenbogen (1987) reichlich Erfahrung mit schwarzer Magie gesammelt und sorgte dort als verbrecherischer Polizeichef für Gänsehaut. In Dust Devil spielt er quasi das Gegenstück zu dieser Rolle. Sgt. Mukurob ist ein pflichtbewusster Polizist, der seinen Glauben an Mythen und Märchen längst verloren hat. Marianne Sägebrecht ist in einer längeren Szene als Pathologin zu sehen und taucht außerdem in einer Traumsequenz noch einmal auf – letzteres ist allerdings nur im DC zu sehen. Etwas blass wirken hingegen Chelsea Field und Rufus Swart und das ist auch mein Hauptkritikpunkt, da Chelsea Field die Hauptfigur in der Geschichte verkörpert. Ihr Schauspiel ist mMn etwas hölzern und zu kühl. Die Zerrissenheit ihrer Figur kommt so nicht richtig zur Geltung und das ist ein wichtiger Aspekt in dieser Geschichte. Dadurch wirkt das Ende des Films leider nicht so stark, wie es sicherlich von Richard Stanley beabsichtigt war.

Frühere, deutsche Veröffentlichungen

Noch ein paar Worte zu den deutschen VÖ:

Senator brachte den Film damals ins Kino und entsprechend hochwertig ist auch die deutsche Synchronisation ausgefallen. Diese Kinofassung wurde 1993 von Highlight Video auf VHS veröffentlicht, leider in aufgezoomtem Vollbild, welches an den Seiten einiges missen lässt.

Screen Power brachte 1999 dann erstmals den Director’s Cut in Deutschland auf VHS heraus, wobei die längeren (bzw. alternativen) Stellen im Original mit deutschen UT zu sehen sind.

Die 2003 veröffentlichte DVD von Laser Paradise enthält ebenfalls den Director’s Cut und der O-Ton liegt sogar mit optionalen deutschen UT vor, was für eine DVD von LP durchaus beachtlich ist. 😉 Aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Fassungen, wurde von Laser Paradise eine Neusynchro für diese DVD angefertigt. Diese Synchro ist leider eher mäßig geraten und orientiert sich im Wesentlichen an der Kinofassung, was allerdings oft nicht passt. So wurde z. B. in der 9. Minute die Off-Stimme, die eigentlich nur in der Kinofassung zu hören ist, auch in den Director’s Cut eingebaut – nur dass der Synchronsprecher in der Kinofassung deutlich besser klingt. Übrigens gibt es an besagter Stelle (in der 9. Minute) keine deutschen Untertitel, was zeigt, dass man sich bei der Untertitelung wiederum an der Original-Tonspur orientiert hat. Das Bild ist oben und unten gemattet, zeigt aber den Rändern deutlich mehr als die VHS von Highlight. Auch die Farbgebung weicht z. T. stark von der Kinofassung ab. Leider ist das Bild nicht anamorph.

Dank Koch Films bekam der Film nun endlich eine würdige Veröffentlichung, bei der man die Möglichkeit hat, beide Fassungen in HD zu genießen. Die 2019 erschienene Limited Collector’s Edition beinhaltet noch eine weitere DVD mit Richard Stanley-Dokus, sowie eine Soundtrack-CD. Darauf muss man bei beim 3-Disc-Mediabook leider verzichten, aber dafür bekommt man dieses auch für 10,00 € weniger. Man hat die Wahl zwischen der Kinofassung und dem Director’s Cut. Bei letzterem kann man sogar zwischen der Kinosynchro und der Neusynchro wählen. Aufgrund der besagten Unterschiede, musste man bei der Kinosynchro aber oft die Neusynchro einfügen. Dies ist m. E. nicht immer ganz sauber gelungen, aber im Großen und Ganzen wurde hier wirklich gute Arbeit geleistet. Ich kann nur empfehlen, die Kinosynchro anzuwählen (wenn es denn deutscher Ton sein soll). Die Neusynchro kann man ja später mal antesten. 😉 Bei den Extras finden sich Interviews mit Richard Stanley und Marianne Sägebrecht, die beide sehr interessant sind. Richard Stanley erzählt von der abenteuerlichen Entstehungsgeschichte des Films und hat u. A. eine skurrile Story von einem Schamanen auf Lager, der eines der Tore zur Hölle unter den Wurzeln eines Baumes vermutet. Um dies für andere zu kennzeichnen, hängte er DVD-Cover von diversen Lucio Fulci-Horrorfilmen in die Äste des Baumes. Marianne Sägebrecht wurde durch M.A.R.K. 13 – Hardware auf den ungewöhnlichen Filmemacher aufmerksam. Beide verband auch das Interesse am Mystischen. Auch der Workprint des Films ist mit dabei und liegt hier im Originalton (ohne UT) vor. Dieser Workprint bildet die Grundlage für den Director’s Cut und wäre sogar fast verschollen, denn Richard Stanley verlor damals die Rechte an seinem eigenen Film. So kam Dust Devil zunächst nur in der kürzeren Kinofassung heraus, die von Richard Stanley jedoch nicht abgesegnet war. Außerdem sind noch die Home Movies von Richard Stanley dabei, sowie der Trailer (deutsch und englisch) und eine Bildergalerie. Im 24-seitigen Booklet geht Peter Osteried auf die Entstehung von Dust Devil ein, außerdem gibt es noch ein Interview, in dem Richard Stanley auf die bewegte Entstehungsgeschichte zurückblickt.

Trailer:

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