Zuletzt geriet ich ein bisschen ins Schwärmen, da mich das russische Kammerspiel WHY DON’T YOU JUST DIE (2019) überraschend gut unterhalten konnte. Nun zog Capelight Pictures just nach und veröffentlichte ein weiteren Film aus dem kühlen Osten. Hinter COMA (2019) versteckt sich dieses Mal allerdings kein überspitzt ironisches Blutbad, sondern waschechtes Fantasy-Kino, mit dem mutigen Blick Richtung Hollywood. Ob das effektgeladene Spektakel ähnlich begeistern kann, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Koma

Drehbuch: Nikita Argunov, Timofei Dekin, Aleksey Gravitskiy
Regie: Nikita Argunov

Darsteller: Rinal Mukhametov, Lyubov Aksyonova, Anton Pampushnyy, Milos Bikovic, Konstantin Lavronenko…

Artikel von Christopher Feldmann

Das derzeitige Fantasy-Kino sieht ziemlich mager aus. Während die Spektakel aus dem Hause MARVEL die Kinos dominieren und das Genre ansonsten weitestgehend von anderen Franchise-Filmen befeuert wird, sind Innovation oder zumindest neue Impulse eher Fehlanzeige. Ad Hoc fällt mir sogar kein Film aus den letzten Jahren ein, der nicht Teil einer großen Marke war. Dem geneigten Fan bleibt also nichts anderes übrig, als seinen Blick über andere Filmmärkte schweifen zu lassen, um neues Material zu finden. Ein durchaus gelungener Beitrag der letzten Jahre war sicherlich der russische Streifen WELTENGÄNGER (2018), der mit kreativen Ideen und ansprechenden Effekten punkten konnte. Genau dieser kleine Film bringt mich zur neusten Capelight-VÖ COMA (2019), denn Nikita Argunov, der für den erst genannten Fantasyfilm die Effekte verantwortete und außerdem als Produzent agierte, feierte nun seinen Einstand als Regisseur und Drehbuchautor und konnte daher sein Talent nun voll ausleben. COMA ist ein erstaunlich gut aussehender Film, der mit vielen tollen Ideen und Designs begeistert, allerdings in der B-Note etwas zu wünschen übrig lässt.

Handlung:
Nach einem schweren Autounfall, erwacht der scheue Architekt Viktor (Rinal Mukhametov) in seiner Wohnung, die sich prompt aufzulösen beginnt. Als er von unbekannten Untergrundkämpfern aufgesammelt wird, die ihn durch eine seltsam anmutende Welt, in der es wenige physikalische Gesetzte zu geben scheint, begleiten, beginnt Viktor an seinem Verstand zu zweifeln. Doch der überforderte Architekt ist mit nichten verrückt, sondern befindet sich im Koma. Er, wie auch alle anderen Personen, die er trifft, tun dies ebenfalls. Sie alle fristen ihr Dasein in einer Welt, die lediglich aus Erinnerungen der einzelnen Personen gespeist wird. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach einer Insel, die Sicherheit vor den sogenannten Reapern bieten soll, Monster, die ihnen stets auf den Fersen sind.

Trotz aller die Kritik, die man an COMA üben kann, war ich positiv überrascht. Die russische Produktion fühlt sich ungemein frisch an und bietet gute Unterhaltung für die, vom Mainstream-Kino gelangweilten Fantasy-Liebhaber. Der Film ist visuell ziemlich beeindruckend und punktet mit vielen tollen Ideen und einem durchaus interessanten optischen Konzept. Hier durfte sich Regisseur Nikita Argunov mal so richtig austoben und eine Welt nach seinen Vorstellungen kreieren. Praktisch jede Szene bietet ein erinnerungswürdiges Bild, sei es das, auf dem Kopf stehende, Basislager der Freiheitskämpfer oder das eingefrorene Flugzeug. In Gänze wirkt das Setting wie eine bildliche Darstellung des menschlichen Gehirns, in denen die Brücken wie Synapsen anmuten und die einzelnen Orte aus, nicht immer ganz vollständigen, Erinnerungen bestehen. Das erweist sich als durchaus gute Herangehensweise, hat man doch stetig das Gefühl, durch die photographischen Erinnerungen eines Menschen zu wandern.

Auch inszenatorisch weiß Argunov, seine Welt effektvoll in Szene zus setzen. Die Designs und CGI-Elemente funktionieren erstaunlich gut und sehen auch zu großen Teil sehr gelungen aus. Für einen Film, der umgerechnet so viel gekostet hat, wie wahrscheinlich das Catering bei AVENGERS: ENDGAME (2019), ist das absolut beeindruckend. Egal ob Chinatown, Venedig, die Golden Gate-Bridge in San Francisco oder die Straßen Moskaus, die actiongeladene, turbulente Inszenierung bringt den Zuschauer von einer Sehenswürdigkeit zur Nächsten. Besonders die einleitende Verfolgungsjagd macht Lust auf mehr, bleibt aber letztendlich die einzige wirklich erinnerungswürdige Actionszene im ganzen Film.

Denn wo Licht ist, ist auch Schatten. So opulent die Optik auch sein mag, inhaltlich backt COMA eher fade Brötchen, denn dem Film fehlt es leider an Substanz. Das Bisschen an Religionskritik im letzten Drittel entschädigt das nicht und auch rein inhaltlich wäre hier deutlich mehr drin gewesen. Richtig spannend wird es selten, was auch daran liegt, dass den Figuren wenig Zeit zur Ausarbeitung gegeben wurde und sie somit mehr zu Stichwortgebern degradiert werden. Auch werden die Regeln dieser Welt nie so ganz klar, da der Film mehr Wert darauf legt, tolle Bilder zu präsentieren, anstelle die Orte, ihre filmischen Gesetze und die damit Verbundenen Grenzen richtig zu erkunden. Der Plot gestaltet sich am Ende als Mittel zum Zweck und auch wenn der Zuschauer einen Twist präsentiert bekommt, inhaltlich mitreißend ist das leider nicht. Auch wenn Vieles an Nolans INCEPTION (2010) erinnert, dessen inhaltliche Stärken erreicht COMA zu keinem Zeitpunkt.

Die Darsteller machen ihre Sache trotzdem gut, auch wenn den Figuren wenig Tiefgang gewährt wird. Allerdings fehlt es dem Film an einer echten Hauptfigur, mit der die Zuschauer mitfühlen und mitfiebern können. Rinal Mukhametov bleibt den ganzen Film über sehr blass und ist auch nicht sympathisch genug, um als Held zu funktionieren. Auch die etwas ungelenke Love-Story zwischen ihm und der Kämpferin Fly, gespielt von Lyubov Aksyonova, will nicht so wirklich zünden.

Wie schon WELTENGÄNGER, ist COMA bei Capelight Pictures erschienen. Wie schon den geistigen Vorgänger, kann man das neue Fantasy-Spektakel aus Russland als normale Blu-Ray im Keep-Case, sowie im schicken Steelbook erwerben. Bild- und Ton sind sehr gut, besonders die Tonspur rumst bei guter Anlage ordentlich. Neben dem Trailer bekommt man im Bonusbereich einige Featurettes, mit denen man etwas Einblick in die Enstehung des Films bekommt.

Fazit:
COMA (2019) ist russisches Fantasykino, dass sich zumindest optisch nicht hinter den Großproduktionen der Traumfabrik verstecken muss. Der Film überzeugt mit guten Effekten und einer interessanten Welt, in denen viele kreative Ideen zu finden sind. Und auch wenn die inhaltliche Komponente etwas zu wünschen übrig lässt, sollten Genre-Fans durchaus mal einen Blick riskieren.

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