Mein lieber Scholli. Da war aber Herzblut am Werke. Nicht nur, das es zu Zeiten des Downloads ein kaufmännisches Wagnis ist, bestimmte Filme in so einer aufwändigen Edition als greifbare Ware auf den Markt zu bringen, sondern das es auch eine gewisse Hingabe an das Medium Film verlangt, um so einen Aufwand zu betreiben. Kaufmann hin oder her, ROLLERBALL von Capelight Pictures ist in der Ultimate Edition ein großes Unterfangen, qualitativ hochwertig und unfassbar gut restauriert, voll mit Extras (siehe UNBOXING). Fast, als wären hier Fans am Werke, ist der Streifen bis in den letzten Winkel hinein aufpoliert und erstmals in den korrekten Farben und Lichtern zu sehen. Brillant. Aber passt der Film auch heute noch in eine Film-Sammlung außerhalb des Fankreises?

Regie: Norman Jewison

Darsteller: James Caan, John Houseman, Maud Adams, John Beck

Artikel von Kai Kinnert

Die Nationen der Welt existieren nicht mehr und Individualismus und Selbstbestimmtheit zeichnen sich nicht mehr als Eigenschaften des Menschen aus. Stattdessen gibt es globale Konzerne, die jeweils ein wichtiges Lebensgut zur Verfügung stellen – Nahrung, Energie, Transport etc. Um die Massen ruhig zu halten und Demonstrationen und Aufstände zu vermeiden, wird die Bevölkerung – ähnlich den Gladiatorenkämpfen im alten Rom – mit der Sportart Rollerball unterhalten. Bei dem Spiel geht es hart zu und durch verschiedene Hilfsmittel kommt es immer öfter zu Schwerverletzten oder gar Toten. Jonathan E. (James Caan) sticht dabei als herausragender Spieler hervor und wird von den Massen umjubelt. Das sieht die Führungsebene aber nicht gern und beschließt: Jonathan soll aus der Sportart verschwinden. Doch der gibt nicht auf und beißt sich bis zum letzten Spielball durch.

Persönliche Freiheit ist Komfort – und der Komfort wird von den Korporationen zur Verfügung gestellt, die die Nationalstaaten abgelöst und die Menschen mit Konsum, Tabletten und dem Rollerball ins zufriedene Delirium versetzt haben. Brot und Spiele für den Pöbel. Eine kleine Elite beherrscht durch simplifizierte Manipulation die breite Masse an Arbeitern, auch wenn man in diesem Film nie jemanden Arbeiten sieht. Keine Ahnung, woher die Bevölkerung in Rollerball ihren Wohlstand bezieht, denn entweder man Begeistert sich für den Sport oder man hängt auf hypnotisch tröpfelnden Dolce-Vita-Partys herum und sprengt auch schon mal aus Langeweile Bäume in die Luft. In Rollerball geht es jedoch nicht um eine Kritik am Konsum oder gar an politischen Systemen, es geht um den Sport und Jonathan, der seine persönliche Freiheit darin definiert, das er den Sport, das Spiel, austragen darf. Er ist der Star, er ist berühmt geworden und er überlebte bislang alles.

Doch Jonathan ist eben zu erfolgreich, er droht zu einer Identifikationsfigur für die Massen zu werden – und Identifikationsfiguren haben das Zeug zum Anführer, haben das Zeug zu einem Wandel an sich. Das erträgt die Korporation nicht und will Jonathan los werden. Daher bietet die Korporation Jonathan den Ausstieg aus dem brutalen Sport an – im Gegenzug zu noch mehr Komfort, doch Jonathan lehnt ab. Also ändert die Korporation ad hoc die Spielregeln im Rollerball stets aufs Neue, um so die Gefahr eines tödlichen Unfalls für Jonathan zu maximieren. Doch auch das beeindruckt ihn nicht. Also gibt es am Ende gar keine Zeitbegrenzungen mehr und jedes Mittel ist erlaubt. Jonathan muss sterben. Selbst seine Ehefrau ist ihm schon durch die Korporation genommen worden und dient, wie jede andere Frau in dem Film auch, nur als Manipulator, als Kurtisane – als Zombie, der dem Schein und der Macht erlegen ist. Aber auch seine Ehefrau kann Jonathan nicht davon abbringen, durch ein letztes, alles entscheidendes Spiel seine eigene Freiheit zu wählen und als Individuum die Macht der Korporationen zu brechen.

Der Film hat eigentlich nur zwei Stimmungsebenen. Die eine ist alles um das Spiel herum, hier wird manipuliert und es ergibt sich dabei eine klebrige, träge Stimmung, die noch durch den fantastischen WackaWacka-Tröpfel-Synthie-Soundtrack unterstützt wird. Alles ist bunt, erstklassig im Style, betont entspannt und mit perfekten Brennweiten gefilmt worden – Rollerball erreicht in diesen Szenen die Qualität eines Stanley Kubriks und schwimmt atmosphärisch ganz weit oben im Segment der SF-Filme der 1970er mit. Die andere Ebene ist das Spiel. Es gibt drei Spiele in Rollerball und es ist auch heute noch brachial, wie man damals die Stunts umgesetzt hatte. Das Filmteam drehte die Action- und Sportsequenzen in München auf dem Olympiagelände und mit den Gebäuden der BMW Zentrale ganz in der Nähe. Ein raffinierter Trick, denn das Design der Gebäude ist futuristisch, war damals erst vor Kurzem gebaut worden und konnte so den Film wirklich Big Budget aussehen lassen. Die Rudi-Sedlmayer-Halle, eine olympische Basketball-Arena, wurde kurzerhand von einem deutschen Architekten zu dem Rollerball-Kurs umgebaut, in dem man in die Halle eine Art Rennrad-Arena einbaute, die der Belastung durch Motorräder standhalten konnte.

Alles an den Wettkämpfen ist echt. Nichts wurde getrickst und sogar die Kanone, die die Stahlkugel aufs Spielfeld schießt, funktionierte genau so. Die Jungs schenken sich nichts, man sieht, dass es beim Dreh hart zur Sache ging und es gab dabei so manche Verletzung zu beklagen. Norman Jewison war so schlau, bei der Action immer drauf zu halten und die Kamera stets weiterlaufen zu lassen – egal was passierte. Dadurch gibt es ein, bis heute, außergewöhnliches Seherlebnis, denn die Action ist noch immer gut, sogar noch besser als gut, denn die Nummer ist hart und ungeschönt. Die Stuntmen wurden nicht, wie es heute Standard ist, unsichtbar gepolstert, mit Drähten gelenkt und digital unterstützt. Hier bekam der Kollege wirklich auf die Fresse und so mancher Rollschuh knallte ungebremst in den Helm der Spieler. Die Stuntmen haben das Spiel ernst genommen und sich während des Drehs gnadenlos lang gemacht. Kein Wunder, neben echten Hockeyspielern und Stuntmen aus aller Welt waren auch Marines mit im Rollerberball-Team. Hier hatte man Spaß an der Arbeit.

Tatsächlich ist Rollerball ein stimmungsvoll in sich geschlossenes Werk, das mit wenig Mitteln und ohne großen Anspruch an die Handlung, zu den stilprägenden Meilensteinen des SF-Films gehört. Das war nicht immer so, denn erst mit dieser Veröffentlichung durch Capelight Pictures erfasst der Zuschauer überhaupt erst die grundlegende Qualität des Films, die Jewison da mit einem erstklassigen Team an Designern und Kameraleuten auf Zelluloid bannte. Da der Streifen damals mit einem Mix an Farbsystemen gedreht worden ist und niemand die Zeit hatte, das alles in strahlende Eintracht zu bringen, wurde Rollerball stets blass und ständig in den falschen Farben und Lichtern veröffentlicht. Aber gerade Licht und Farben sorgen bei Rollerball für den richtigen Zugang zu diesem Film, sorgen, in Einklang mit der Musik und der richtigen Wahl an Brennweiten, für das korrekte Filmerlebnis. Die träge Dekadenz, die Partys, die Gespräche, der Verrat und das Spiel, alles umrahmt von einem coolen Style, entfalten erst in dieser berauschenden Farbpracht ihren vollen Sog.

Rollerball hatte von Anfang an ein künstlerisches Gesamtkonzept, das bis in den letzten Winkel pulsierend durchdacht ist und sich erst durch die Stimmung überhaupt zu einem Film zusammensetzt. Rollerball ist ein stilistisches Puzzel, das erst im Kontext seiner Farben, der Musik und der Kombination aus Action und einer gewollten Trägheit zu einem Film wird, der seine Restauration dringendst verdient hatte.

Die große Überraschung an Rollerball ist, das man den Film gar nicht so gut in Erinnerung hatte. Jetzt, wo er in voller Pracht vor einem liegt, kann man nur erstaunt sein, was die liebevolle und fundierte Behandlung des Originalmaterials aus einem Film machen kann. Stilprägendes Design, gepaart mit einer exorbitant famosen Kamera und brachialer, ungetrickster Action – das war Rollerball wohl schon immer. Aber erst jetzt ist es auch zu sehen.

Das Bild von Rollerball ist grandios, satt und stabil in den Farben und Verläufen, geradezu brillant. Hier wurde ganze Arbeit geleistet und das Analoge des Filmmaterials nicht digital verraten. Hut ab dafür. Doch wie ist es mit dem Ton?

Generell gilt beim Ton immer die Faustregel: Ton muss auch auf dem schwächsten Element gut klingen. Wenn der Ton auf dem mickrigen Lautsprecher des TV Gerätes abkackt und man ständig mit der Fernbedienung hantieren muss, hat der Anbieter technisch versagt. Da kann er noch soviel restaurieren, wenn es auf dem TV nicht klingt, wurde Scheiße gebaut.

Und Rollerball klingt gut, denn der Ton wurde ebenso aufwändig restauriert wie das Bild. Perfekt ausgewogen, anders kann man es nicht sagen. Der Streifen klingt auf allen Spuren einfach nur gut, die Musik mischt sich selbst auf dem TV satt und in Symbiose mit den Dialogen und Geräuschen. Als Ton gibt es DTS-HD Master 5.1 Deutsch (remastered), DTS-HD Master 5.1 Englisch, PCM 2.0 Mono Deutsch (remastered), PCM 2.0 Mono Deutsch (Original, restauriert), PCM 2.0 Stereo Englisch (Original, restauriert).

Dazu gibt es eine Menge Extras. Wahrlich eine Menge – und es sind interessante Extras. Kein Murks, wie er heutzutage gerne runtergeschlunzt wird und nur das Marketing flankieren soll. Allein die exklusive Ultimate-Dokumentation „From Rollerball to Rome – Nachhall eines Sci-Fi-Klassikers“ ist mit seiner Laufzeit von 85 Minuten schon ein kleines Leckerli für sich selbst. Hier wird nicht nur tatsächlich Informatives über die Produktion erzählt, sondern auch noch der Bogen zum italienischen Genre-Kino geschlagen, wobei etliche Leute zu Worte kommen. Die Zusammenstellung kann man als gelungen bezeichnen. Die Liste der Extras ist lang und enthält in der Ultimate Edition folgendes:

Ein Making of „From Rome to Rollerball“ (1975), 13 Original-Trailer und TV Spots (teilweise neu restauriert), ein Audiokommentar vom Regisseur Norman Jewison (untertitelt), Audiokommentar vom Autoren William Harrison (untertitel), die Dokumantation „From Rollball to Rome – Nachhall eines Sci-Fi-Klassikers“ (2020, 85 Minuten, exklusiv für die Edition produziert), „Blood Sports“ – Im Gespräch mit James Caan, Making of: „Return to the Arena“,  „The Fourth City“ – Eine Reise zurück zu den Münchner Originalschauplätzen des Films, „The Bike Work“ – Stuntman Craig R. Baxley über die Motorradstunts, „Game on“ und „Game over“ – Zwei restaurierte 8mm-Fassungen des Films und dann noch eine Bonusdatendisc mit seltenen Pressematerialien aus aller Welt. Das Remake von 2002 Rollerball liegt außerdem als BD bei (als Extras hier: Audiokommentar von den Schauspielern Chris Klein, LL Cool J und Rebecca Romijn, Making of „Rollerball – Die Stunts“, B-Roll, Interviews mit den Darstellern, Kinotrailer und TV Spots). Außerdem liegen noch Pressematerialien, Aushangfotos, ein 12seitiges Booklet über die Restauration, ein 24seitiges Booklet zum Film und ein Poster bei (siehe Unboxing). Insgesamt liegen der Ultimate Edition fünf Datenträger bei: Die BD, die 4K Ultra-HD BD, eine BD mit Bonusmaterial, die BD des Remakes von 2002 (im Digipak) und eine Bonus-Daten-Disc. Fehlt noch ein Rollschuh.

Rollerball ist in seiner Restauration verdammt gut gelungen und bietet in der Ultimate Edition das volle Pfund an Filmerlebnis. Rollerball ist innovatives Kino und nicht nur was für Fans. Filmisch eine Augenweide, gehört dieser Streifen bedenkenlos in jede gut sortierte Filmsammlung.

Unboxing der Ultimate Edition:

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