„She’s the Godmother of them all!“
Studio Hamburg hat dem Blaxploitation-Klassiker COFFY – DIE RAUBKATZE (1973) schon im vergangenen Jahr ein HD-Upgrade verpasst und den kultigen Streifen mit Genre-Ikone Pam Grier im Mediabook veröffentlicht. Nun folgte die günstige Amaray-Variante für den schmalen Geldbeutel, weshalb es selbstredend an der Zeit ist, dass auch wir uns einen Eindruck verschaffen. Ob sich der Film und letztendlich die Scheibe lohnen, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Originaltitel: Coffy
Drehbuch & Regie: Jack Hill
Darsteller: Pam Grier, Booker Bradshaw, Robert DoQui, Sid Haig, William Elliott, Allan Arbus…
Artikel von Christopher Feldmann
Das Genre des Blaxploitationfilms erlebte seine Blütezeit in den frühen 1970er Jahren. Das neue Selbstbewusstsein der afro-amerikanischen Bevölkerung, welches durch die Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren befeuert wurde, entlud sich auf verschiedene Art und Weise. Für unser eins ist natürlich der kinematographische Hintergrund entscheidend, entstand aus diesen Strömungen doch eine ganz eigene filmische Kultur, die nachhaltig prägend war. Produzenten sahen einen großen Markt, den es zu erschließen galt. die „schwarze“ Bevölkerung sehnte sich nach ihren Themen im Kino, weshalb man begann, Filme auf eben jenes Publikum zu zuschneiden. Nachdem Melvin van Peebles mit SWEET SWEETBACK’S BAADASSSSS SONG (1971) die Initialzündung lieferte und Regisseur Gordon Parks mit dem Klassiker SHAFT (1971) einen großen Kinoerfolg landete, begannen windige Filmschaffende diese inzwischen aufgebäumte Subkultur zu nutzen und den Markt ausreichend zu bedienen. Mit günstig produzierten Exploitationfilmen, die zwar emanzipatorische Themen aufgriffen aber genauso stark Sex und Gewalt in den Fokus rückten, begann der Siegeszug des Blaxploitation-Genres. Einer der ganz großen Titel ist dabei ohne Zweifel COFFY (1973) von Routinier Jack Hill, der nicht nur alle nötigen Elemente in sich vereint, sondern wahrscheinlich auch eine der ersten weiblichen Badass-Helden überhaupt auf die Leinwand brachte.
Handlung:
Die Krankenschwester Coffy (Pam Grier) führt ein Doppelleben. Während sie unauffällig ihren Dienst in der Klinik schiebt und eine Beziehung zu dem bekannten Anwalt Howard Brunswick (Booker Bradshaw) unterhält, hat sie sich insgeheim der Rache verschrieben. Rache an all den Drogendealern der Stadt, die auch ihre kleine Schwester in die lebensgefährliche Sucht getrieben haben. Ihr nächstes Ziel ist der stadtbekannte Zuhälter King George (Robert DoQui), der neuerdings Geschäfte mit dem Mafiosi Vitroni (Allan Arbus) macht, um die Stadt weiter mit Heroin zu überschwemmen. Als sinnliche Prostituierte getarnt, unterwandert sie die Organisation, um den Gangstern ein für alle mal das Handwerk zu legen.
Produziert wurde COFFY von American International Pictures, eine Produktionsfirma, die sich vor allem in den 1960er und 1970er Jahren im Exploitation-Segment einen Namen machten. AIP stellte nicht nur eigenen Content her, sondern vertrieb auch europäische Filme, die prompt mit einer englischen Synchronisation ausgestattet wurden. Nachdem AIP die Rechte an CLEOPATRA JONES (1973) verloren hatte, suchte man nach flottem Ersatz, um ein paar schnelle US-Dollar zu machen.
Mit dem Film wurde Jack Hill beauftragt, der bereits einige Produktionen für das umtriebige Studio gewuppt hatte. Hill, der mit seiner Hauptdarstellerin bereits bei den Frauenknast-Klassikern THE BIG DOLL HOUSE (1971) und THE BIG BIRD CAGE (1972) zusammengearbeitet hatte. Hill ist einer der wandlungsfähigsten Autoren und Regisseure des damaligen Genre-Kinos, verstand er es doch jedem Metier etwas authentisches abzugewinnen. So punktet auch der hier vorliegende Film mit einem wachen Auge für die damalige Subkultur der afro-amerikanischen Bevölkerung. Die Story ist denkbar einfach, eine simple Rache-Geschichte wie sie seit jeher bekannt ist. Warum die Handlung, trotz ihrer Einfachheit so gut funktioniert, liegt an dem Einfluss sozialer und gesellschaftlicher Komponenten. Die Hauptfigur Coffy repräsentiert eine ganze Generation hart arbeitender Afro-Amerikaner, die von der weißen Oberschicht (hier in Gestalt der Mafia) geringschätzend behandelt werden. Im klassischen Sinne symbolisiert die Protagonistin die sich aufbäumende Schicht, die sich nichts mehr gefallen lässt und zurückschlägt. Hill verknüpft hier ganz bewusst sozialpolitischen Subtext, der sich endgültig entlädt, wenn Coffy auch Rache an den eigentlich „schwarzen Brüdern“ nimmt, die sich mit der weißen Herrenrasse verbündet haben und ihre eigenen Prinzipien zu Gunsten des schnöden Mammons verraten.
Abseits dieser Nuancen ist COFFY natürlich erstklassiges Exploitationkino, dass sein Zuhause in den Drive-In-Kinos und den Grindhouse-Theatern hatte. Hill kommt nicht drum herum, das Ganze mit einer gehörigen Portion Sleaze anzureichern. Egal ob schmierige Pimps, keifende Nutten, Catfight, nackte Tatsachen oder ein deftiger Schuss Coolness, der Streifen bedient so ziemlich alles, was die Ära ausgemacht hat. Dabei überzeugt auch meist mehr der unverwechselbare Flair der frühen 1970er Jahre, mit ihren grellen Outfits, der Soul-Musik und damaligen Lebensgefühl. Man sieht dem Film das geringe Production-Value durchaus an, auch wenn Hill es versteht, das Ganze durchaus ansprechend in Szene zu setzen. Großer Pluspunkt ist auch die großartige Musik Roy Ayers, die sich nicht hinter den Referenztiteln von Isaac Hayes verstecken muss. Achtung, Ohrwurmgefahr!
COFFY machte Pam Grier über Nacht zur Ikone des „schwarzen Kinos“ und der Erfolg des Streifens veranlasste weitere, ähnlich gelagerte Produktionen, die auch Grier selbst bediente, wie auch das geistige Sequel FOXY BROWN (1974). Griers Ausstrahlung und ihr unwiderstehlicher Charme sind das tragende Element des Films und mit ein Grund dafür, dass er so gut funktioniert. Auch die restliche Besetzung macht einen tadellosen Job. Übrigens, in der Rolle des Henchman Omar ist Sid Haig (HAUS DER 1000 LEICHEN, THE DEVIL’S REJECTS) zu sehen, der zur damaligen Zeit öfter in Arbeiten von Jack Hill zu sehen war.
Die Blu-Ray aus dem Hause Studio Hamburg dürfte mit aller größter Wahrscheinlichkeit inhaltsgleich mit der Scheibe sein, die das Label bereits 2019 im Mediabook veröffentlicht hat. Eine unwürdige Veröffentlichung eines ansonsten feinen Films. Das Bild ist zwar gestochen scharf, lässt aber Filmkorn und jeglichen rauen Grindhouse-Charme vermissen. Stattdessen wirkt das Ganze, als hätte man so viele Filter wie möglich eingesetzt, um jedes noch so kleine Manko auszumerzen. Eine liebevolle Restauration sieht anders aus, denn somit entsteht der Eindruck, man sehe Wachsfiguren zu. Die Tonqualität ist ebenfalls suboptimal und gleicht dem Sound der alten MGM-DVD. Auch die wirklich grässlich nachsynchronisierten Fehlstellen verleiden den Genuss der deutschen Fassung etwas. Hier wäre man besser beraten gewesen, hätte man diese Szenen einfach in der OV belassen und mit Untertiteln ergänzt. Übrigens, Untertitel fehlen bei dieser Veröffentlichung gänzlich, was die englische Version für all diejenigen unbrauchbar macht, die der Sprache nicht mächtig sind. Auch das Bonusmaterial hat nichts zu bieten, lediglich zwei Trailer zum geistigen Nachfolger FOXY BROWN (1974) und dem aberwitzigen Streifen BLACULA (1972). Insgesamt eine enttäuschende Umsetzung!
Fazit:
COFFY (1973) ist einer der ganz großen Klassiker des Blaxploitationkinos und beeindruckt nicht nur durch seine gesellschaftlichen Themen und den frühen Einsatz einer weiblichen Heldin, die sich gegen ihre männlichen Antagonisten gleichwertig zur Wehr setzt, sondern auch durch seinen erzählerischen Flow, den großartigen Soundtrack und dem unverwechselbaren Vibe des Grindhouse-Kinos der 1970er Jahre.
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