Hypnotische Langsamkeit. Schwarz-Weiß, viel Licht und viel Schatten, dazu eine Kamera, die stets nah kommt und in Bewegung bleibt. Regisseur Sabu nutzt den Zombiefilm als Modus für ein soziologisches Drama, das in seinem Humanismus einen gewitzten Kniff besitzt und am Ende farbig wird. WICKED VISION brachte, in Zusammenarbeit mit DONAU FILM, Sabus ArthouseHorrorDrama nun als limitierte Edition heraus.
Regie: Sabu
Darsteller: Makoto Togashi, Riku Ohnishi, Ayaka Komatsu
Artikel von Kai Kinnert
Sara lebt in Japan. Doch sie lebt nicht wirklich. Als Untote muss sie bei einer wohlhabenden Familie niedere Arbeiten verrichten. Sie ist Zombie der untersten Stufe – ungefährlich sofern korrekt gefüttert – wird als seelenloses Objekt behandelt, erniedrigt und benutzt. Als der kleine Sohn der Familie bei einem Unfall stirbt, zeigt sich, welche Kreaturen in dieser Gemeinschaft wirklich Menschlichkeit und Empathie besitzen.
Es beginnt gelungen langsam. Der Zombie wird einer reichen Familie in einer Holzkiste geliefert. Der Ehemann hatte Sara, den Zombie, für Hausarbeiten bestellt und nun wird ausgepackt. Der Kiste liegt eine Anleitung für den Zombie bei und eine Pistole – für alle Fälle. Der Zombie wird bestaunt und anschließend in eine Kammer geschickt, wo sich Sara neue Kleidung anziehen und dann die Terrassen des Hauses mit einer Bürste reinigen soll.
Eines wird sofort klar. Sara ist ein trauriges Wesen und sie ist sehr langsam. Ein Saugroboter würde sämtliche Hausarbeiten schneller hinbekommen als Sara. Aber Geduld ist eine Tugend und so verrichtet Sara, auf dem Boden kniend, langsam schrubbend die Reinigung des Selbigen. Doch es gibt noch weitere Probleme, denn niemand in der Straße will einen Zombie in der Nachbarschaft haben und so wird Sara stets von Kindern mit Steinen beworfen oder bekommt von verschiedenen Leuten ein Messer, eine Schere oder Schraubendreher in die Schulter gestochen – bei ihr macht es ja nichts, sie ist ja schon tot. Doch in ihrer Kammer entwickelt Sara langsam eine Art Erinnerung, einen schwachen Willen. Abends entfernt sie die Gegenstände aus ihrem Körper, näht ihre Wunden und es tut sich wunderliches auf ihrem Tisch. Dort stehen nämlich ein paar kleine Blumenvasen in die sie nach jeder Verletzung eine Blume stecken wird. Poesie im Zombiefilm – hier klappt es. In Sara erwacht eine Menschlichkeit, während diese in ihrer Umgebung abnimmt. Sabu inszeniert mit viel Gespür und Zeit für die Zwischentöne und lässt einen so die höllische Einsamkeit Saras spüren. Er verschafft der Figur ein Ich, in dem er ihr Handeln betrachtet und das Tempo des Films an Sara anpasst.
Für Sara scheint der Tod in erster Linie eine höllische Einsamkeit zu sein – doch damit nicht genug, denn sie weckt beim Familienvater und zwei Arbeitern auch noch sexuelle Begehrlichkeiten. Die Arbeiter sehen dem Zombie während des Schrubbens irgendwann länger auf den Arsch und werden scharf. So locken sie dann den Zombie in den Geräteschuppen und vergewaltigen ihn dort. Der Ehemann bekommt das mit und vergewaltigt den Zombie später ebenfalls. Gezeigt wird das in wenigen Arthouse-Einstellungen, funktioniert aber als Idee gut und unterstreicht die Abgründigkeit, zu der menschliches Verhalten durch Empathielosigkeit fähig ist. Gnade ist ein kostbares Gut und in Miss Zombie gibt es sie nicht. Die einzige Empfindung in diesem Film findet beim Zombie statt. Doch Sara kann keine Schlüsse aus dem Geschehen ziehen und so bleibt sie bei ihren Besitzern. Still erscheinen immer weitere Blumen in den Vasen auf ihrem Tisch.
Doch dann stirbt der kleine Sohn der Familie. Die Mutter dreht durch und holt den Zombie zu dem Jungen. Sie soll was machen, ihn zurückholen, den Sohn wieder lebend machen. Also beißt Sara dem Jungen in den Hals und schon wacht der Kleine wieder auf. Jetzt allerdings als Zombie, aber das ist der Mutter egal. Obwohl der Bengel jetzt lieber Sara als Mutter hätte, muss er bei seiner leiblichen Mutter bleiben. Aber durch den Tod des Sohnes ist Sara plötzlich nicht mehr alleine, ihr erwachendes Bewusstsein begreift das Empfinden und die Farbe kehrt in den Film zurück. Die Lage wird dadurch allerdings nicht besser.
Miss Zombie ist ein trauriges und düsteres Drama. Die hypnotische Erzählweise funktioniert erst sehr gut, findet dann aber Momente der Langatmigkeit, in der die konsequent kunstvoll durchgehaltene Kameraführung den Film irgendwie aufhält. Es wird dann ein bisschen lahm. Doch gerade als man sich ein wenig schläfrig aus dem Film verabschieden möchte, greift die Sache mit dem Tod des Sohnes und der Film bekommt plötzlich diese poetische Idee um Sinn und Einsamkeit.
Fans des reinen Zombiefilms kommen hier nicht auf ihre Kosten, denn es fehlt so ziemlich alles an grafischen Schauwerten, die das Genre so berühmt machten. Blut gibt es hier wenig und niemand wird gefressen. Wer sich allerdings für mehrschichtige Dramen erwärmen kann, bekommt hier eine durchdachte Herangehensweise, die einen Blick wert ist. Sabu lässt sich Zeit für seine Bilder, streut hier und da leichten Witz ein und lässt den Film in einer grundlegend guten Idee münden – auch wenn diese ziemlich trist ist. Definitiv ungewöhnlich.
Das Bild der Blu-ray ist klar und sauber, das Schwarz-Weiß ist satt, der Ton ist gut. Als Extras gibt es ein 16-seitiges Booklet mit einem Essay von David Renske, eine Einführung von Prof. Dr. Marcus Stiglegger, den deutschen Trailer, ein Wendecover ohne FSK-Logo und den Originaltrailer.
Trailer: