Capelight Pictures hat sich im Laufe der Jahre zum verlässlichen Lieferanten für überdurchschnittliche Genre-Beiträge aus Fernost gemausert. Mit THE CLOSET (2020) gibt es jetzt Nachschub für alle Exorzismusfans, die sich mal wieder nach etwas Geistergrusel sehnen, verbindet der südkoreanische Schocker doch all die etablierten Tropes zu einem homogenen Ganzen, welches auch im Subtext einen interessanten Mehrwert bietet. Ob der Streifen dabei auch durchgehend zu unterhalten weiß, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: The Closet

Regie: Kwang-bin Kim

Darsteller: Jung-woo Ha, Yool Heo, Nam-gil Kim, Si-ah Kim…

Artikel von Christopher Feldmann

Denkt man an südkoreanisches Kino, kommen eine zweifelsohne ein paar wohl bekannte und allseits gelobte Titel in den Sinn. Sei es der Zombie-Hit TRAIN TO BUSAN (2016), Thriller-Klassiker wie OLDBOY (2003) und I SAW THE DEVIL (2010) oder der letztjährige Oscar-Hit PARASITE (2019), der filmische Output der ostasiatischen Republik ist inzwischen Dauergast auf Filmfestivals und in einschlägigen Besprechungen des Feuilletons. Mit ihrem durchaus erlesenen Programm, sorgt Capelight Pictures regelmäßig für qualitativ hochwertige Veröffentlichung dieser Sorte Film und führt diese Tradition auch in unabsehbarer Zeit fort. Mit THE CLOSET (2020) ist nun ein weiterer durchaus interessanter Film erschienen, den das Label auf Blu-Ray und DVD ausgewertet hat. Wir haben uns den Geister/Exorzismus-Schocker näher angesehen und erkennen durchaus einige sehenswerte Inhalte, auch wenn der Film als Ganzes eher Durchschnitt ist.

Handlung:
Nachdem seine Frau bei einem schweren Verkehrsunfall ihr Leben lassen musste, muss sich der Architekt Sang Won (Ha-jung Woo) alleine um seine kleine Tochter Yi Na (Heo Yool) kümmern. Um etwas Abstand zu gewinnen, zieht er mit ihr aufs Land, außerhalb der Stadt. Während Sang Wo versucht seine Trauer mit Arbeit zu kompensieren, vernachlässigt er zunehmend seine Tochter, die sich immer weiter von ihm entfernt und plötzlich ein auffallend seltsames Verhalten an den Tag legt. Als sie kurz darauf spurlos verschwindet und auch die Polizei keinen Hinweis auf den Verbleib des Mädchens finden kann, versinkt Sang Won immer weiter in seinen Depressionen. Eines Tages taucht jedoch der Exorzist Keyong Hoon (Kim Nam-gil) auf und liefert die Antwort auf das Verschwinden von Yi Na, die bei weitem nicht das einzige vermisste Mädchen ist. Denn der Wandschrank in Yi Nas Zimmer birgt ein furchtbares Geheimnis und entpuppt sich als Tor zu einer gefährlichen Parallelwelt!

Schon der Beginn von THE CLOSET gestaltet sich ausgesprochen atmosphärisch. Über ein Home-Video wohnen wir einem Exorzismus bei, der damit endet, dass die Austreibungsbeauftragte von einem Dämon die Kehle durchgesäbelt bekommt. Ein netter Schocker, der aber einen falschen Eindruck erzeugen könnte, handelt es sich bei dem Film noch mitnichten um ein Gore-Vehikel, sondern um einen klassischen Gruselfilm, der seinen Schwerpunkt mehr auf klassische Genre-Tropes setzt, als auf optische Schauwerte. Der Plot ist denkbar einfach gehalten und der Zuschauer kann schon erahnen in welchen Bahnen die nun folgenden 90 Minuten verlaufen, bedient sich THE CLOSET doch auffallend bei Vorbildern wie DER EXORZIST (1973) und POLTERGEIST (1982), anstatt wirklich neue Ideen einzubringen.

Lediglich auf einer tieferen Ebene trifft Regisseur Kwang-bin Kim einen doch mitreißenden emotionalen Kern. Es geht nicht nur um eine klassische Spukgeschichte, wie sie vermutlich jede zweite Grabbeltisch-Produktion auftischt, sondern auch familiäre Werte, die Vernachlässigung seiner Lieben und somit auch eine Mahnung an das koreanische Gesellschaftssystem, welches familiäre Interaktion immer wieder schwierig macht, aufgrund des fordernden Berufsalltags. Auch der Umgang mit Trauer wird thematisiert, was aber nie den eigentlichen Plot dominiert, sondern als kleiner erhobener Zeigefinger im Subtext schlummert. Hier beweist der Regisseur einen durchaus wachen Blick. Dies sind die kleinen Nuancen, die den Film etwas über den Durchschnitt hieven, denn ansonsten bietet THE CLOSET eher Horror von der Stange.

Durchschnitt bedeutet aber nicht gleich, dass das Endergebnis schlecht sein muss, hat Kwang-bin Kim doch seine Hausaufgaben gemacht und versteht es, das altbekannte Grusel-Einerlei doch hochwertig und ansprechend in Szene zu setzen. Das Timing stimmt und so kommen selbst abgedroschene Elemente wie unheimliche Stimmen und die obligatorischen, sich ändernden Verhaltensweisen der Tochter einigermaßen zur Geltung. Und wenn nach der Hälfte des Films Kim-Nam gil als Exorzist auf den Plan tritt, entsteht bei der Suche nach der dämonischen Kraft sogar eine leicht schrullige Dynamik, die sogar entfernt etwas an GHOSTBUSTERS (1984) erinnert, bevor der letzte Akt noch einmal die Daumenschrauben anlegt. Das Eintreten in die Parallelwelt bietet letztendlich noch einmal einen gewissen Drive und ein ausgewogenes Maß an Tempo, so dass man sich nach über 90 Minuten doch angenehm unterhalten fühlt. Das liegt zum Teil auch an den gut aufspielenden Darstellern, die ihren Figuren das nötige Maß an Tiefe geben.

Die Veröffentlichung von Capelight Pictures bietet, wie für das Label üblich, hervorragende Bild- und Tonqualität. Dieses Mal hat man sich eine aufwendige Mediabook-Auflage gespart, was wohl angesichts der fehlenden Zugkraft des Films auch keine Überraschung ist. Beide Scheiben sind im Keep-Case erschienen, was vollkommen ausreichend ist. Bis auf den Trailer ist leider kein Bonusmaterial enthalten.

Fazit:
THE CLOSET (2020) ist kein Meilenstein und erfindet das Genre des Exorzismus- und Geisterfilms selbstverständlich nicht neu, sondern verwurstet überraschenderweise viele Elemente, die anno 2020 schon mehrfach gesehen wurden. Allerdings ist der Streifen ansprechend inszenierte Unterhaltung, die an einigen Stellen einen begrüßenswerten Mehrwert in Form von Gesellschaftskritik enthält, die den dämonischen Aspekt mehr als Metapher für das Leid eines Kindes stehen lässt. Am Ende wird man keine Freudensprünge machen, den Film aber als durchaus soliden Vertreter entspannt ins Regal stellen.

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