„Edgar Wallace“ ab 18? Ja, das gab es wirklich! Lange bevor die italienischen Ko-Produktionen für Furore sorgten, hatte bereits ein früherer Teil der Reihe seine Probleme mit der Altersfreigabe. Warum ZIMMER 13 (1964) darüber hinaus für angenehme Abwechslung innerhalb des Krimi-Kosmos der Rialto Film sorgt, erfahrt ihr im neusten Artikel unserer Retrospektive!
„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“
Drehbuch: Quentin Philips
Regie: Harald Reinl
Darsteller: Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Richard Häussler, Siegfried Schürenberg, Walter Rilla, Kai Fischer, Hans Clarin, Eddi Arent…
Artikel von Christopher Feldmann
Nach dem zufriedenstellenden aber auch nicht sonderlich hohen Einspielergebnis von DAS INDISCHE TUCH (1963) arbeitete Rialto-Film unermüdlich an weiteren Wallace-Adaptionen. So stand für den Herbst 1963 bereits die Produktion von DER SAFE MIT DEM RÄTSELSCHLOß fest, bis jedoch ein unerwartetes Ereignis die Pläne Horst Wendlandts über den Haufen warf. Am 08. August desselben Jahres ereignete sich in Groß-Britannien ein spektakulärerer Raubüberfall auf einen Postzug der britischen Royal Mail von Glasgow nach London, bei dem die Verbrecher über 2,5 Millionen Pfund erbeuteten. Dieser Überfall ging als „Der große Postzugraub“ in die britische Kriminalgeschichte ein und löste seiner Zeit ein enormes Medienecho aus. Um am Puls der Zeit zu bleiben, reagierte Wendlandt schnell und warf den aktuellen Produktionsplan über den Haufen, da er der Meinung war, dass ein Postzugraub sich für einen Wallace-Film wahrlich anbieten würde. Prompt kramte man ein Drehbuch nach dem Roman ZIMMER 13 aus der Schublade, welches Anfang des Jahres bereits von Heinz-Oskar Wuttig geschrieben wurde. Nun musste das Ganze nur noch umgeschrieben werden. Zu diesem Zweck holte Wendlandt seinen Freund, den Journalisten Will Tremper ins Boot, der sich bereits als fixer Auftragsautor einen Namen gemacht hatte und in sechs bis acht Wochen ein filmreifes Skript abliefern sollte. Gesagt, getan! Allerdings meinten es die Götter nicht allzu gut mit dem neusten Wallace-Krimi, denn trotz einem guten Endergebnis durfte die Hauptzielgruppe gar nicht erst ins Kino!
Handlung:
Der gut betuchte Sir Robert Marney (Walter Rilla) bekommt eines Tages ungebetenen Besuch von dem Gangster Joe Legge (Richard Häussler). Vor einigen Jahren hatte Marney Legge zur Flucht ins Ausland verholfen, nun fordert der gerissene Verbrecher einen weiteren „Freundschaftsdienst“ ein. Gemeinsam mit seiner Bande plant Legge einen großangelegten Eisenbahnraub, der Landsitz Marneys soll anschließend als Unterschlupf dienen, immerhin war dieser Mitglied des Unterhauses, weshalb die Polizei wohl kaum bei ihm suchen würde. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, droht Legge mit der Ermordung von Marneys Tochter Denise (Karin Dor). Trotz der Drohung informiert er Privatdetektiv Johnny Gray (Joachim Fuchsberger), der Denise beschützen soll. Grays Ermittlungen führen ihn in einen ominösen Nachtclub des zwielichtigen Mr. Igle (Hans Clarin), von dessen Zimmer 13 aus Legge mit seiner Bande operiert. Als eine Tänzerin brutal mit einem Rasiermesser ermordet wird, überschlagen sich die Ereignisse.
Auch ZIMMER 13 (1964) war in meinen jungen Jahren nicht wirklich verfügbar, gehörte er doch ebenfalls nicht zu den großen Klassikern der Reihe, die Tag ein, Tag aus im Fernsehen gezeigt wurden. Ich wusste zu dieser Zeit nicht mal, dass dieser Film überhaupt existiert, da er schlicht nicht präsent war. Erst später, durch den Erwerb der DVD-Boxen stieß ich auf den Film und rätselte, was es mit dem Film auf sich hatte. Zumindest fixte mich das blutige Rasiermesser auf dem Cover an. Hatte dieser Wallace-Film etwa Gekröse zu bieten? Nicht wirklich, stellte ich nach der Sichtung fest, jedoch war ich von diesem Streifen relativ angetan, brachte er doch eine wohlige Abwechslung in das typische Krimi-Einerlei.
Insgesamt ist ZIMMER 13 ein durchaus gelungener Film, auch wenn es ein paar kleine Abzüge in der B-Note gibt. Will Tremper schrieb das bereits existierende Drehbuch von Wuttig um. Während sich das Originalskript noch sehr eng an den Roman von Edgar Wallace hielt, musste es bei der Überarbeitung einige Federn lassen. Nicht nur der Postzugraub wurde eingearbeitet, auch die Rasiermessermorde waren eine Erfindung des Autoren. Tremper, hier unter dem Pseudonym Quentin Philips geführt, legte ein straffes Skript vor, welches sich wunderbar für eine Verfilmung eignete. So bietet das Heist-Element um Joe Legge und seine Bande eine willkommene Abwechslung. Statt dem üblichen Erbschleicher-Plot und den sonst skurril maskierten Schurken, geht es in ZIMMER 13 erstaunlich naturalistischer zur Sache, auch wenn bereits etablierte Elemente erhalten blieben. Das Geschehen gestaltet sich erstaunlich kurzweilig und hält sich nicht mit seichten Nebenhandlungen auf. Lediglich das Motiv der Morde wirkt stellenweise etwas unpassend aber anscheinend wollte man einfach nicht auf das übliche Whodunit-Element verzichten, um die Zuschauer nicht zu verwirren. Erst mit DAS VERRÄTERTOR (1964) ging man konsequenter vor. So bremst dies die Handlung immer wieder etwas aus, auch wenn die letztendliche Auflösung für einen deutschen Krimi anno 1964 relativ mutig und originell ausfällt.
Nichts desto trotz kommt ZIMMER 13 erstaunlich rasant daher und lässt kaum Zeit für eine Atempause. Der Heist wird gut vorbereitet und die Ermittlungen Scotland Yards machen ebenfalls Spaß. Lediglich im Finale strauchelt das Ganze etwas, der schlussendliche Showdown zwischen der Polizei und den Gangstern fällt leider etwas arg kurz aus, hier hätte ich mir mehr gewünscht.
Für die Regie konnte man zum vierten Mal Harald Reinl gewinnen, der zuvor schon die Klassiker DER FROSCH MIT DER MASKE (1959) und DIE BANDE DES SCHRECKENS (1961) inszenierte. Reinl war gerade aus Kroatien zurückgekehrt, wo er für die Rialto-Film in Sachen Karl May im Einsatz war. Anscheinend genoss es der einstige Heimatfilmer, mal wieder für einen Krimi der Wallace-Reihe auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen, denn Reinl gibt hier einiges an Tempo vor und tobt sich regelrecht aus, was schon an dem poppigen Vorspann zu erkennen ist. Auch lässt er sich nicht lumpen, eine Prise Sleaze in den Film einfließen zu lassen, immerhin gibt es hier einen schönen Blutspritzer und, das erste Mal überhaupt in der Reihe, eine entblößte Oberweite. Sex sells, wird man sich vermutlich schon damals gedacht haben. Auch die Action-Momente funktionieren erstaunlich gut und halten die Handlung immer in Bewegung. Reinl verstand sein Handwerk, die Inszenierung ist gar schnörkellos, zumal dieser Film wesentlich aufwendiger daherkommt als noch zuletzt DAS INDISCHE TUCH (1963) oder DER SCHWARZE ABT (1963). Auch das Ende gestaltet sich hier wesentlich moderner als in jedem Wallace zuvor, ZIMMER 13 endet gar auf einer sehr bitteren Note.
Da man in Sachen Story auf Neuerungen setzte, ging man bei der Besetzung auf Nummer sicher. Joachim Fuchsberger gibt hier den gestandenen Ermittler, selbstsicher und charmant, eine Rolle die Blacky zu dieser Zeit wohl im Schlaf abspulen konnte. Für die weibliche Hauptrolle trat selbstverständlich Karin Dor vor die Kamera, die zu dieser Zeit immerhin mit Reinl verheiratet war. Sie und Fuchsberger waren und sind immer noch DAS Wallace-Paar, daran wird sich auch nichts mehr ändern. Während ihre Krimi-Zeit noch lange nicht vorbei war, nahmen zwei gestandene Darsteller Abschied von der Reihe. Richard Häussler, eine Paradebesetzung für zwielichtige Schurken, nahm nach insgesamt drei Filmen seinen Hut. Als Joe Legge trumpft er hier noch einmal mächtig auf und gibt mit Bravour den charmanten Gangster. Walter Rille, der bereits in DER FÄLSCHER VON LONDON (1961) zu sehen war, gab hier ebenfalls seine Abschiedsvorstellung. Ebenfalls zum letzten Mal in einem Wallace-Film dabei, Hans Clarin. Die berühmte Pumuckl-Stimme stand hier zum zweiten und letzten Mal für Rialto-Film vor der Kamera, was schade ist, gehört er als schmieriger Nachtclubbesitzer doch zu den Highlights des Films. Zum ersten Mal seit DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (1962) ist auch Siegfried Schürenberg wieder als Sir John zu sehen, was für einen Fan natürlich eine wahre Freude ist. Das Paket wird von Ulknudel Eddi Arent abgerundet, der als deutscher „Q„-Verschnitt mit Gadgets aufspielen darf, stellenweise aber etwas über das Ziel hinausschießt, auch wenn er im Duo mit Fuchsberger wunderbar funktioniert und solche Sprüche wie „Ich habe sie nicht gleich erkannt, da sie nackt war!“ pures Gold sind.
ZIMMER 13 war der letzte Film der Reihe, der in französischer Ko-Produktion entstanden ist. Hier stand die Société Nouvelle Cinématographie der Rialto-Film zur Seite. Gedreht wurde vom 25. November 1963 bis zum 16. Januar 1964. Erstmals seit DER ROTE KREIS (1960) wurde wieder in Dänemark gedreht, auch wenn es das letzte Mal überhaupt war. Für den Bahnhof Paddington stand der Hauptbahnhof in Kopenhagen Pate, während das Schloss Vallo und Umgebung als Kulisse für den Landsitz von Sir Marney herhalten musste. Die Innenaufnahmen fanden wieder wie gewohnt in den Studios der CCC-Film in Berlin statt. Die Uraufführung fand am 20. Februar 1964 in Essen statt und obwohl die Kritiken wohlwollen ausfielen, war dem Film kein großer finanzieller Erfolg vergönnt.
Dies lag mitunter an der hohen Altersfreigabe. Obwohl Wendlandt penibel darauf achtete, dass seine Produktionen maximal mit einer Freigabe ab 16 Jahren versehen werden, ging die FSK bei ZIMMER 13 auf die Barrikaden. Dass man sich an der Szene, in der die Tänzerin ihre Brüste zeigt oder an einem etwas blutigeren Rasiermessermord stören könnte, dachte man sich schon im Vorfeld. Es wäre auch kein Problem gewesen, dies zu kürzen, jedoch ging es der Freiwilligen Selbstkontrolle um die Auflösung rund um den Täter, da man dieses psychologische Motiv als nicht verträglich für 16-jährige einstufte. Da man keine Möglichkeit sah, dies zu ändern, musste man eine Freigabe ab 18 Jahren in Kauf nehmen, die einen Zuschauereinbruch zur Folge hatte. Immerhin konnte eine starke Zielgruppe den Film somit gar nicht sehen. Mit 1,8 Millionen Zuschauern war das Ergebnis dennoch in Ordnung, auch wenn man sich deutlich mehr erhoffte.
Fazit:
ZIMMER 13 (1964) bringt willkommene Abwechslung in die Wallace-Reihe. Statt Erbschleicherei bekommt man einen Heist-Plot, inklusive Rasiermessermorden und sympathisch aufspielenden Darstellern. Harald Reinl ist hier ein erstklassiger Krimi gelungen, der an manchen Stellen zwar etwas über das Ziel hinausschießt, jedoch kurzweilige und spannende Unterhaltung bietet.
4 von 5 kugelsicheren Westen!
Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen
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