Neben HAMMER und AMICUS hatte das britische Gruselkino noch einiges mehr zu bieten. Z. B. die Filme von Norman J. Warren und Pete Walker. Letzterer schickte sich 1972 an, den Vorzeige-Produktionen seines Heimatlandes einen kleinen Gegenentwurf gegenüber zu stellen, der schon etwas grimmiger und geschmackloser sein durfte, als die Produktionen der großen Studios. Auch heute noch erscheint der Film recht garstig, aber der Geist der ausklingenden Flower Power-Zeit ist in dem Film stets präsent. WICKED VISION brachte den Film als Nummer 3 in der PETE WALKER COLLECTION, die insgesamt bereits vier der bekanntesten Werke von Pete Walker umfasst, heraus. Ein ungewöhnlicher Filmemacher, den es (wieder) zu entdecken lohnt.

Alternativer deutscher Titel: Im Rampenlicht des Bösen

Regie: Pete Walker

Darsteller: Ray Brooks, Jenny Hanley, Luan Peters, Robin Askwith, Candace Glendenning

Artikel von Holger Braasch

Eine Gruppe junger Theater-Schauspieler, sowie ein Theater-Regisseur werden engagiert, um in einem alten, halb zerfallenen Theater ein Stück einzuproben, welches den Namen „Flesh and Blood-Show“ trägt. Eine der Schauspielerinnen verschwindet plötzlich auf mysteriöse Weise. Regisseur Mike (Ray Brooks) glaubt ihre Leiche gefunden zu haben, doch als die Polizei eintrifft, liegt dort nur eine geköpfte Puppe. Zu aller Überraschung taucht plötzlich der Filmstar Julia Dawson (Jenny Hanley) auf, um bei dem Stück mitzumachen. Zunächst geht alles gut, doch dann kommt es zu einem merkwürdigen Unfall und es sieht so aus, als hätte es jemand auf die Theatergruppe abgesehen. Doch außer dem alten Major Bell (Patrick Barr), der in direkter Nachbarschaft wohnt, ist dort niemand. Der Verdacht fällt auf Enseble-Mitglied John (David Howey), der gerne mal einen makabren Scherz macht und nun ebenfalls spurlos verschwunden ist. Womöglich ist er diesmal zu weit gegangen.

Als Sohn eines Schauspielers und einer Tänzerin, kam Pete Walker (Jahrgang 1939) schon früh mit dem Showgeschäft in Berührung und versuchte sich zuerst als Stand Up-Comedian, doch er merkte schnell, dass er dafür nicht der richtige war. Er wollte Filme machen, doch er musste feststellen, dass die britische Filmindustrie nicht gerade auf jemanden wie Pete Walker gewartet hat. Seine ersten Arbeiten waren nämlich Erotikfilmchen, mit denen er sich von Mitte der 60er- bis Anfang der 70er-Jahre seinen Lebensunterhalt verdiente. Walker sagte dazu in einem Interview: „Ich war der ungebetene Gast der britischen Filmindustrie. Niemand wollte etwas mit mir zu tun haben.“ Sein zweiter Langfilm School for Sex – Rund ums Bett (1969) verkaufte sich trotzdem recht gut. Danach folgte mit Der Porno-Graf von Schweden (1969) sogar eine deutsche Produktion. Mit Männer der Gewalt (1970) und Schrei nach Leben (1971) probierte sich Pete Walker auch im Thriller-Genre aus. Mit Im Rampenlicht des Bösen (1972) begann seine Karriere als Regisseur von Psycho-Horror-Thrillern, die Pete Walker selbst als Terror-Filme bezeichnete, um sich von den restlichen Genre-Werken abzuheben. Horror, dafür standen vor allem die Hammer Studios und Amicus Productions. In der Regel handelte es sich bei Horrorfilmen um Werke, die dem phantastischen Film zuzuordnen sind. Pete Walkers Werke jedoch handeln von psychisch gestörten Mördern, die gleich in der Nachbarschaft wohnen könnten und ihr blutiges Treiben hinter der Fassade des Gutbürgerlichen gut zu tarnen wissen.

The Flesh and Blood Show enthält schon viele Zutaten des Slasher-Films, der jedoch erst Ende der 70er-Jahre in Mode kommen sollte. Vor allem Michele Soavis eleganter Aquarius – Theater des Todes (1987) weist erstaunliche Ähnlichkeiten zu Pete Walkers Film auf, geht aber stilistisch in eine andere Richtung. Sein Film wirkt dagegen roh und schmutzig. Er beginnt gleich mit einer wackeligen Einstellung, welche das verfallene Theater an der Pier zeigt. Ringsherum ist es neblig, das typische britische „Waschküchen-Wetter“. Wenn die Gruppe in dem alten Schuppen ihr Stück probt, pfeift der Wind unablässig durchs Gebälk und sorgt für eine dezent unheimliche Atmosphäre. Dabei gibt es auch etwas nackte Haut zu sehen. So wird Spaßvogel John unbemerkt Zeuge, wenn eines der Mädels einen lesbischen Annäherungsversuch bei einer Kollegin macht. Doch die andere will nicht und so ist das Zwischenspiel schnell beendet. Zu den Nacktszenen meinte Pete Walker später, dass sie für den Film gar nicht nötig gewesen wären – im Gegensatz zu den Softsex-Filmen, die er zuvor gemacht hatte. Auch auf den 3D-Effekt, am Ende des Films, hätte man verzichten können. So war Walker im Nachhinein mit seinem Debüt als Horror-Regisseur nur bedingt zufrieden, aber rückblickend betrachtet, weist der Streifen dennoch eine bemerkenswerte Qualität auf, die ihn von ähnlich gelagerten Filmen aus dieser Zeit abhebt. Wie morbide die Geschichte eigentlich ist, ist mir erst beim zweiten Ansehen so richtig bewusst geworden und ich muss sagen, dass so manche Szene dann ein gutes Stück verstörender wirkt. Als Beispiel sei die Szene mit dem vermummten Obdachlosen genannt, der sich röchelnd an eine der Theater-Mädels heranmacht. Die Auflösung des Ganzen, kommt mit einer Rückblende daher, die auch heute noch durchaus schockierend wirkt und ebenso gut aus einem Giallo stammen könnte. Wenn dann am Ende der Vorhang fällt, dürfte so mancher etwas verwirrt sein, aber ich finde den Moment, wo der Film endet genau richtig. Er gibt dem Ganzen etwas schön mysteriöses.

Mit Paradiesvogel Robin Askwith hatte Pete Walker schon zuvor gearbeitet. So war Askwith auch in Die Liebesmuschel (1970) und Rosemaries Liebesreport in 3 Dimensionen (1972) zu sehen. Horrorfans dürften ihn aber vor allem aus Turm der lebenden Leichen (1972) und Frankensteins Horror-Klinik (1973) kennen. Robin Askwith spielte auch die Hauptrolle in Frank Agramas unfassbarem Trash-Kracher Queen Kong (1976), als Ray Fay (in Anlehnung an Fay Wray, der Hauptdarstellerin im 1933er King Kong). Wer die DVD sucht, sollte sich beeilen, denn das gute Stück ist schon lange Out of Print und wird immer teurer.

Jenny Hanley war in Im Geheimdienst ihrer Majestät (1969) zu sehen. Sie spielte eine der Patientinnen in Blofelds Allergie-Klinik. Außerdem spielte sie eine der Hauptrollen im Hammer Studios-Grusler Dracula – Nächte des Entsetzens (1970) und hatte einen Auftritt in der Kult-Serie Die 2 (1970-71). Nach Im Rampenlicht des Bösen folgten leider nur noch Rollen in einigen weniger bekannten Fernsehserien, bis 1983.

Das Mediabook von Wicked Vision Media präsentiert eine Neuabtastung vom Originalnegativ. Nun kann man die Rückblende (kurz vor Filmende) auch in 3D sehen, so, wie sie damals auch in ausgewählten Kinos zu sehen war. Allerdings handelt es sich hier noch um anaglyphes 3D, d. h. man braucht eine entsprechende 3D-Brille, um die Szene ordentlich ansehen zu können. Eine solche liegt leider nicht bei und es ist ausschließlich nur die 3D-Version des Films enthalten. Zum Glück habe ich die cmv-Laservision-DVD von A. P. E. im Regal stehen, die eine solche 3D-Brille enthält. Und siehe da – es funktioniert! 🙂 Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn man noch die 2D-Version zur Auswahl gehabt hätte. Die alte DVD von e-m-s zeigt jene Szene in Schwarz/Weiß. Im Vergleich mit der DVD von Wicked Vision ist das Bild der e-m-s-DVD etwas „verraucht“. Es hat einen leichten Gelbstich und ist stellenweise zu dunkel, außerdem ist der Bildausschnitt leicht aufgezoomt. Bei der DVD von Wicked Vision blühen die Farben regelrecht auf, während diese bei der e-m-s-DVD etwas blass bleiben. Also eine klare Verbesserung (vor allem natürlich bei der Blu-ray), nur leider mit besagtem Schönheitsfehler bei der 3D-Sequenz. Wie schon bei der e-m-s-DVD sind zwei längere Handlungsszenen im OmU zu sehen. Unter den Extras finden sich ein Audiokommentar mit Christopher Klaese, Matthias Künnecke und Dr. Gerd Naumann (deutsch), ein Interview mit Pete Walker (mit optionalen deutschen UT), die 3D – Sequenz (die schon im Film zu sehen ist), eine Bildergalerie und der Originaltrailer. Außerdem noch ein 24-seitiges Booklet mit einem Text von Dr. Rolf Giesen. Fehlt eigentlich nur noch die 2D-Version des Films, bzw. der 3D-Szene. Grund genug, die alte e-m-s-DVD in der Sammlung zu behalten. Dennoch: Eine sehr schöne Veröffentlichung, die alleine schon wegen der Extras lohnt.

Trailer:

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