„Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön…!“. Wer sich jetzt auf eine freudige Rundfahrt mit Volksliedern aus der untersten Mottenkiste gefreut hat, den muss ich leider enttäuschen. Zwar geht es in HARPOON (2019) durchaus auf hohe See, dennoch ist die gute Laune hier Fehlanzeige. Mit Rob Grants fiesem Thriller hat Koch Films einen neuen kleinen Geheimtipp für Genre-Fans im Heimkino veröffentlicht, der neben der Standard-Auswertung auch im schicken Mediabook erscheint. Wir haben uns das blutige Treiben angesehen und verraten euch, ob sich die Bestellung auch lohnt!

Originaltitel: Harpoon

Drehbuch: Rob Grant, Mike Kovac
Regie: Rob Grant

Darsteller: Munro Chambers, Christopher Gray, Emily Tyra, Brett Gelman…

Artikel von Christopher Feldmann

Gute, originelle Filme sind heutzutage schwer zu finden, besonders im Mainstream-Kino hat man es oft mit den x-ten Auflagen bekannter Marken zu tun. Ein Umstand, der des Öfteren zumindest mich den Blick durch das Heimkino-Programm schweifen lässt, das oftmals interessantere Titel zu bieten hat, als der Spielplan der Lichtspielhäuser. In Zeiten von Corona und der Verschiebung zahlreicher Großproduktionen ist der DVD/Blu-Ray-Markt und das Streaming sowieso ergiebiger und interessanter geworden und trotzdem fragt man sich, warum manche Filme keine Chance im Kino bekommen. Das bringt uns direkt zu Rob Grants HARPOON (2019), dem ebenfalls das Schicksal einer simplen Auswertung für den Hausgebrauch zu Teil wurde. Schade eigentlich, denn in Zeiten mangelnder Konkurrenz, hätte die fiese Thriller-Komödie sicher das Zeug zum Geheimtipp und zum veritablen Hit auf der Leinwand werden können. Dennoch sollte man sich den kurzweiligen Bootstrip auf die Watchlist setzen, denn auch wenn das Ganze knapp daran vorbeischrammt, ein echter Knaller zu sein, kommen hungrige Genre-Fans hier auf ihre Kosten!

Handlung:
Aufgrund des Verdachts, er hätte ein Verhältnis mit seiner Freundin, verprügelt der, mit Aggressionsproblemen behaftete Richard (Christopher Gray) seinen besten Freund Jonah (Munro Chambers), nur um zu erkennen, dass dies ein absolutes Missverständnis war. Bei der Heimlichtuerei mit Sasha (Emily Tyra) ging es mitnichten um Sex, sondern um ein Geburtstagsgeschenk für den impulsiven Schnösel. Um die Wogen zu glätten, lädt Richard zum spontanen Ausflug in seinem Boot ein, auch wenn er weiterhin Misstrauen gegen Sasha und Jonah hegt. Als es erneut zur Eskalation kommt, der Motor streikt und das Funkgerät zu Bruch geht, spitzt sich die Situation innerhalb des Trios immer weiter zu, ganz besonders, als die Vorräte beginnen zur Neige zu gehen. Aus einem harmlosen Bootstrip wird ein Kampf ums Überleben.

Wie gut kennt man seine Freunde wirklich? Wer schon einmal schlechte Erfahrungen mit Verrat oder Vertrauensbruch gemacht hat, kann diese Frage sicher schnell beantworten. Es gibt eben nicht nur die sogenannten besten Freunde, sondern auch Fake-Freunde oder Nutz-Freunde. Eine Abstufung, die HARPOON (2019) zu Beginn erstmal erhellend erklärt, damit der Zuschauer schon mal eine ungefähre Ahnung hat, was in den folgenden 80 Minuten auf ihn zukommen könnte. Die süffisanten Off-Kommentare von Brett Gelman begleiten das Geschehen bis zum Ende, was dem Film eine gewisse schwarzhumorige Note verleiht.

Auch darüber hinaus bietet HARPOON allerlei Sehenswertes. Die Story ist denkbar simpel, haben wir doch eine gewisse Anzahl von Personen, die in einem abgeschiedenen Setting ums Überleben kämpfen schon öfters bewundern dürfen und auch nicht selten erinnert das Ganze etwas an OPEN WATER (2003), nur dass es unsere Protagonisten hier nicht mit gefräßigen Haien oder anderen Kreaturen zu tun bekommen, sondern allein der Spezies Mensch ausgeliefert sind, immerhin entpuppt sich unsere Gattung in Extremsituationen schon mal schneller als man denkt als das größte Monster. So ist auch der Plot getrieben von unterschiedlichen Persönlichkeiten, Geheimnissen, Verfehlungen und der Bereitschaft den jeweils anderen über die Klinge springen zu lassen, um sich selbst am Leben zu erhalten. Dass Jonah und Sascha letztendlich doch ein kleines Techtelmechtel hatten, ist dabei keine Überraschung, es lediglich der Katalysator für die nachfolgenden Entwicklungen, die das Drehbuch konsequent, spannend aber auch schwarzhumorig aufarbeitet.

Sind die Figuren erstmal in Stellung, können die Spiele beginnen. HARPOON ist ein Abbild der menschlichen Abgründe, die das Tier in uns beherbergen. So benehmen sich auch die Protagonisten dieses blutigen Kammerspiels. Das ist Segen und Fluch zugleich, denn obwohl es zu überraschenden, wahnwitzigen und ungemein brutalen Momenten kommt, fällt die Nähe zum Zuschauer deutlich mager aus. Durch die Bank entpuppt sich das Trio als denkbar unsympathischer Haufen, der es einem Außenstehenden schwer macht, eine emotionale Komponente aufzubauen. Letztendlich trifft einen das Schicksal der Charaktere nicht wirklich, was aber nicht bedeutet, dass das Ganze nicht unterhaltsam wäre. Regisseur und Autor Rob Grant hält allerlei fiesen Schabernack bereit und entfesselt ein überraschend graphisches Psychospiel, bei dem das Lachen oftmals im Halse stecken bleibt. Wenn der Durst zu groß ist, muss dann schon mal das Blut eines Pelikans als Erfrischungsgetränk herhalten.

Das ist aber nicht die einzige brutale Spitze, die HARPOON bereithält. Der Film trägt zurecht seine FSK-18-Siegel, denn hier geht es ordentlich zur Sache, dankenswerterweise auch handgemacht. Was als blutige Prügelei beginnt, entfaltet sich zum Gewaltrausch, der den Zuschauer öfters erschrecken lässt. Auch inszenatorisch holt Grant das Maximum aus seinem minimalen Setting heraus. Das weite Meer, das blaue Nass, der malerische Himmel und die schicke Yacht, deren weiße Wände immer röter werden, HARPOON sieht trotz Minimalismus hervorragend aus und könnte in dieser Form perfekt im Kino laufen. Auch mit seinen schlanken 80 Minuten ist der schwarzhumorige Thriller ein willkommener Snack, bei dem so gut wie keine Längen auftreten. Grant überreizt die Halbwertszeit seiner Geschichte nicht und bringt sie schnörkellos auf den Punkt, was heutzutage immer seltener geworden ist. Auch die Darsteller machen einen guten Job, auch wenn sie, wie bereits erwähnten, nicht so richtig mit dem Zuschauer connecten können.

Koch Films hat das Potenzial dem Anschein nach erkannt und sich nicht lumpen lassen, den Film, neben den Standard-Ausgaben, auch im Mediabook mit zwei Cover-Varianten zu veröffentlichen. Die Bild- und Tonqualität ist wie gewohnt sehr gut und gerade die weiten Aufnahmen der sommerlichen Kulisse kommen auf der Blu-Ray sehr gut zur Geltung. Neben dem Film hat man auch etwas Bonusmaterial auf die Scheibe gepackt, so bekommt der Zuschauer mehrere Deleted Scenes, Behind-the-Scenes-Material, die B-Roll, Audiokommentare mit dem Regisseur und der Crew, sowie den Trailer und eine Bildergalerie geboten.

Fazit:
HARPOON (2019) ist ein echter Crowd-Pleaser, ein schwarzhumoriges, spannendes und ziemlich deftiges Kammerspiel auf hoher See, dass vor allem mit seiner kurzweiligen Erzählung, einer gekonnten Inszenierung und seinen inneren Konflikten punkten kann. Die Tatsache, dass die Charaktere den Zuschauer eher etwas kalt lassen, ist das größte Manko, dürfte aber Genre-Fans wenig stören, denn diese bekommen hier einen kleinen, hundsgemeinen Thriller geboten, der momentan zu den Highlights der Heimkino-Ware zählen dürfte.

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