Wenn es eine Sportart gibt, die immer wieder als Aufhänger für einschlägige und preisträchtige Filmdramen dient, dann ist es das Boxen. Nahezu alle Epochen der Filmgeschichte bedienen sich beim Zweikampf im Ring und förderten einige Klassiker zu Tage, die auch heute noch gut und gerne gesehen werden. Trotzdem ließ man sich Zeit, bis Regisseur Michael Mann im Jahr 2001 mit ALI (2001) dem wohl ikonischstem Boxer aller Zeiten ein Denkmal setzen sollte, und das mit dem damals eher für Comedy bekannten Will Smith in der Hauptrolle. Palatin Media hat dem Biopic im Vertrieb von Eurovideo nun eine Neuauflage aus Scheibe spendiert und ob der Film seinem Protagonisten gerecht wird, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Originaltitel: Ali
Drehbuch: Stephen J. Revele, Christopher Wilkinson, Eric Roth, Michael Mann
Regie: Michael Mann
Darsteller: Will Smith, Jamie Foxx, Jon Voight, Mario van Peebles, Ron Silver, Jeffrey Wright, Jada Pinkett Smith, Nona Gaye…
Artikel von Christopher Feldmann
Der Boxsport ist fester Bestandteil der filmischen Kultur. Spätestens mit ROCKY (1976), aus der Feder von Sylvester Stallone, avancierte das sportliche aber auch mediale Phänomen zum weltweiten Hit und erschloss ein noch größeres Publikum. Stallone entwickelte mit seiner fiktionalen Figur eine Blaupause für nachfolgende Werke, die sich gerne bei dem Underdog-Prinzip und den bekannten dramaturgischen Elementen bedienten und es auch heute noch regelmäßig tun. Boxen wurde auf einmal ein beliebter Aufhänger für prominent besetzte Dramen auf Oscar-Kurs. Egal ob WIE EIN WILDER STIER (1980) mit Robert De Niro, Clint Eastwoods MILLION DOLLAR BABY (2004) oder THE FIGHTER (2010), das Boxen ist immer noch ein Garant für einen Zuschauer- und Kritikererfolg. Dabei wird oft vergessen, dass Stallones Geschichte um den „Italian Stallion“ aus Philadelphia auf einer wahren Geschichte basiert. Im Jahr 1975 kämpfte der relativ unbekannte Chuck Wepner gegen den damaligen Schwergewichtschampion Muhammad Ali und bewies dabei erstaunlich Ausdauer und Durchsetzungskraft, obwohl Experten ihm ein frühes K.O. bescheinigt hatten. Muhammad Ali galt schon damals als einer der größten Boxer aller Zeiten, spätestens mit dem „Rumble in the Jungle“ gegen George Foreman erlangte der US-Amerikaner den Status einer Legende. Bei all den Boxfilmen, egal ob fiktional oder nicht, traute sich niemand an den Mythos Muhammad Alis heran, bis eben Michael Mann im Jahr 2001 mit ALI dem „Sportler des Jahrhunderts“ ein Denkmal setzen sollte. Ein Unterfangen, welches vor allem aus kommerzieller Sicht ein Reinfall war. Qualitativ spielt Mann hier sein Talent allerdings aus und treibt den „Fresh Prince“ Will Smith zur Höchstleistung an, weswegen der Film es durchaus wert ist, noch einmal wiederentdeckt zu werden.
Handlung:
Der Film behandelt zehn Jahre im Leben Muhammad Alis (Will Smith), beginnend mit dem Sieg über Sonny Liston (Michael Bentt) im Jahr 1964. Im weiteren Verlauf wird Alis neue Identität als afroamerikanischer Muslim ebenso zum Thema wie seine Freundschaft zu Malcom X (Mario van Peebles), das Verhältnis zu seiner Ehefrau Sonji (Jada Pinkett Smith) und sein Kampf gegen die Einberufung zum Vietnamkrieg, bevor er im Jahr 1974 sein Comeback beim Kampf gegen George Foreman (Charles Shufford) feiert.
Mit ALI (2001) lieferte Michael Mann seinen bis Dato wohl schwierigsten Film ab, denn selten stand ein Filmemacher dermaßen unter Druck, einer zu dieser Zeit noch lebenden Legende gerecht zu werden, die ein derartig großes Renommee besaß, und immer noch besitzt, dass es schier unmöglich erschien, die hohen Erwartungen zu erfüllen. Zumindest aus kommerzieller Sicht, konnte Mann diese nicht erfüllen. Bei Produktionskosten von über 100 Millionen US-Dollar spielte das biografische Sportler-Drama nicht einmal 90 Millionen US-Dollar weltweit wieder ein. Eine echte Schlappe, obwohl die Kritiker zwar nicht euphorisch aber zumindest angetan auf die Produktion reagierten.
Auch heute genießt das Biopic einen eher zweitrangigen Stellenwert in der Vita des Regisseurs, der in den 1980er Jahren mit MIAMI VICE (1984-1990) eine der stilprägendsten Serien überhaupt erschaffen und mit Filmen wie THIEF (1981), MANHUNTER (1986), THE LAST OF THE MOHICANS (1992), HEAT (1995) und THE INSIDER (1999) seinen Ruf als Visionär zementiert hatte. Dabei ist es Mann zu verdanken, dass ALI zumindest optisch einwandfrei geraten ist, denn in Sachen Storytelling, sind dem Film durchaus Kritikpunkte entgegen zu bringen. Das Skript konzentriert sich selbstverständlich auf die wohl interessanteste Phase in der Karriere des Außnahmeboxers und beleuchtet seinen Weg vom Newcomer im Schwergewicht zur umstrittenen Persönlichkeit in Verbindung mit dem Führer der Bürgerrechtsbewegung, Malcom X. Auch weitere Stationen werden thematisiert, egal ob sein Verhältnis zu Frauen, seine verbalen Entgleisungen oder das Politikum um seine Kriegseinberufung, was ihn um ein Haar seine Karriere gekostet hätte. Viel interessantes Material aus dem Leben einer interessanten Persönlichkeit, welches aber selten wirklich in die Tiefe geht und angemessen beleuchtet wird. Oftmals werden Kapitel aufgeschlagen, über die dann einfach hinweg gegangen wird, ohne wirklich die Essenz, das Innere der Figuren zu ergründen. So erfährt der Zuschauer nie etwas über den wirklichen Antrieb Alis, der ihn zu dem gemacht hat, was er ist. Auch die Unruhen um Malcom X und Alis Konvertierung zum Islam werden recht oberflächlich abgearbeitet. Die durchaus stattlichen 157 Minuten Laufzeit rauschen am Zuschauer vorbei, ohne dass man ein wirkliches Gefühl für die Figuren bekommt.
Auf dieser Ebene zieht ALI gegenüber vergleichbaren Filmen klar den Kürzeren, auch dank seiner unterkühlten Erzählstruktur. Zwischen den Geschehnissen und dem Zuschauer bleibt immer eine gewisse Distanz, was aber vermutlich auch dem Ansatz geschuldet ist, mit dem Michael Mann hier zu Werke gegangen ist. Der Regisseur inszeniert fast schon dokumentarisch, nüchtern und unaufgeregt. Das mag so manch interessierten Konsumenten nicht schmecken, Fans des Filmemachers kommen dabei aber definitiv auf ihre Kosten. ALI strotzt nur so voll optischer Brillanz. Das beste Beispiel dürfte vermutlich die rund zehnminütige Eröffnungsmontage sein, in der Muhammad Ali, damals noch Cassius Clay Jr., beim Trainieren am Punching Ball gezeigt wird, dem Bilder aus dessen Kindheit und das erste Aufeinandertreffen mit Sonny Liston gegengeschnitten wird, während Soul-Legende Sam Cooke ekstatisch ein Medley seiner Hits schmettert.
Der Film ist voll solcher toll arrangierter Szenen, zu denen auch die Boxkämpfe zählen. Diese begeistern zum einen durch den bereits erwähnten dokumentarischen Stil, zum anderen aber auch durch die Nähe, die Mann zu den Sportlern knüpft. Close-Ups, Zeitlupen und POV-Shots, getaucht in einen, für den Regisseur typischen, Blaufilter. Ein optischer Schmaus für Filmliebhaber, die über Holprigkeiten im Drehbuch hinweg sehen können. Allerdings punktet der Film auch mit einer großartigen Besetzung. Will Smith, der zum Zeitpunkt des Drehs eher für leichte Kost wie MEN IN BLACK (1997), BAD BOYS (1995) und die Sitcom DER PRINZ VON BEL-AIR (1990-1996) bekannt war, wollte die Rolle zuerst gar nicht annehmen, da er sich nicht gewachsen sah, doch Mann überzeugte ihn. Mit intensivem Training in Fitness und Sprache verwandelte sich der Schauspieler und Rapper überzeugend in die Box-Legende und heimste zu Recht eine Oscar-Nominierung ein. Smith spielt authentisch und funktioniert als Anker der Geschichte, ohne künstlich oder übertrieben zu wirken. Auch das restliche Ensemble, welches zwar im Schatten Smiths steht, ist prominent besetzt. Jon Voight, der kaum zu erkennen ist, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mario van Peebles, Ron Silver und Jeffrey Wright runden den Film ab und liefern großartige Darbietungen.
Zur Ansicht lag uns die DVD vor, die mit guter Bild- und Tonqualität aufwarten kann und darauf schließen lässt, dass die Blu-ray ebenfalls überzeugt. Leider ist keinerlei Bonusmaterial vorhanden, was bei einem Film wie diesem doch eher schade ist.
Fazit:
ALI (2001) hat es nie geschafft, sich in die Reihe der großen Boxfilm-Klassiker einzureihen. Schade eigentlich, denn auch wenn das Biopic rein erzählerisch seine Macken hat und oftmals nur an der Oberfläche kratzt, überzeugt es mit visueller Kraft und einem herausragenden Will Smith in der Titelrolle. Auf jeden Fall eine Wiederentdeckung wert!
Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen