Eine Rebellen-Kampfgruppe, allesamt Teenager, bewacht auf einer Anhöhe, irgendwo im lateinamerikanischen Dschungel, eine entführte Frau. Vom Kommandeur nur selten kontaktiert, bleiben die Kids in einer filigranen Gruppendynamik unter sich und geraten ins Chaos, ausgelöst durch die eigene Adoleszenz und nebulösen Kampfhandlungen, die an ihre Stellung schwappen. Der kolumbianische Film von Regie-Neuling Alejandro Landes bietet eine tolle Kamera vor hypnotisch schöner Landschaft, eine pulsierende Musik und genügend Wahnsinn, um den Vergleich mit Apocalypse Now (1979) und Werner Herzog zu rechtfertigen. DCM brachte den Film nun heraus.
Originaltitel: Monos
Drehbuch & Regie: Alejandro Landes
Darsteller: Sofia Buenaventura, Julián Giraldo, Karen Quintero, Laura Castrillión, Deiby Rueda…
Artikel von Kai Kinnert
In einer abgelegenen Bergregion irgendwo in Lateinamerika absolviert eine aus Teenagern bestehende Kampfgruppe von Rebellen, mit Kampfnamen wie Rambo, Schlumpf, Bigfoot, Lobo und Boom-Boom, militärische Übungen, während sie im Auftrag einer nebulösen Guerillagruppe, die nur als „die Organisation“ bekannt ist, eine Gefangene (Julianne Nicholson) und eine zwangsrekrutierte Milchkuh bewacht. Ein Angriff aus dem Hinterhalt treibt die Gruppe in den Dschungel, ihr komplexes Beziehungsgeflecht zerreißt und die Mission beginnt schiefzugehen.
Obwohl Alejandro Landes in seinem Film keine weiteren Hinweise auf reale Hintergründe gibt und den Ort der Ereignisse anonym hält, drängt sich doch der Bezug zur FARC auf, einer Guerillabewegung in Kolumbien, die ihr Geld gerne mal mit Entführungen verdient. So spielt denn auch der ehemalige FARC-Kämpfer Wilson Salazar den Ausbilder und Messenger der Gruppe und verdichtet so die Handlung auf reale Umstände im kolumbianischen Dschungel. Doch um reale Kriegshandlungen geht es hier nicht, sie sind nicht das Anliegen des Regisseurs, sondern die Jugendlichen, die hier einen Job machen, den sie nicht machen sollten und der zur Zerreißprobe in ihrem Leben werden wird.
Mit einer Kuh beginnt die Zersetzung der Gruppe, die auf einem Bergkamm bei einer alten Bunkeranlage ihre triste Stellung hält und eine Geisel bewacht. Abgeschnitten von der Außenwelt, umgeben von Natur, Nebel ,Wolken und ständiger Nässe, leben die Kids in einem Geflecht aus Abwarten, Kampfübungen und jugendlichen Beziehungsversuchen. Die Geisel wird dabei recht gut behandelt, ist aber irgendwo auch ein Spielzeug für ihre Bewacher. Der Alltag wird unterbrochen als der Messenger die Situation in der Gruppe kontrolliert und ihnen eine Milchkuh anvertraut, die sie melken und gut behandeln sollen – denn die Kuh ist nur eine Leihgabe und muss unversehrt zurückgebracht werden. Mit der Milch sollen die Kids wichtige Vitamine zu sich nehmen.
Doch es dauert nicht lange und die Kuh wird aus versehen erschossen, jemand aus der Gruppe begeht Selbstmord und es kommt zu nächtlichen Kampfhandlungen, die die Truppe tiefer in den Dschungel treiben werden. Daraufhin ändert sich das Machtgefüge, denn in der Gruppe bildet sich ein Anführer heraus, der die Truppe zu einer eigenständigen Kampfgruppe machen will und die Geisel fortan als sein Eigentum betrachten wird. Doch dann flüchtet die Geisel und die Lage verschlimmert sich.
Die Flucht der Geisel, überhaupt das ganze Natur-Setting, ist echtes Werner-Herzog-Kino, nur besser. Authentische Figuren in authentischer Umgebung, ganz den Widrigkeiten unterworfen, kämpfen sich im Wahn durch den Dschungel, der zugleich auch ihr Inneres darstellt. Die Widrigkeiten der Natur sind feucht-neblig spürbar und Julianne Nicholson wirft sich ramponiert in die Strömung eines Flusses. Gekonnte Bilder hypnotischer Schönheit rahmen das Geschehen. Sei es der Kampf mit Leuchtspurgeschossen bei Nacht im Tal, die Wolken am grauen Himmel, das satte Grün der Vegetation oder die wahnhaften Szenen, in denen die Kids mit Schlamm beschmiert nächtens durch den Dschungel streifen – in Monos – Zwischen Himmel und Hölle (2019) ist die Kamera technisch stets perfekt. Für wenig Geld gedreht (uA. mit Mitteln der Filmförderung NRW), aber mit einem enorm filmischen Verständnis, gelingt es Alejandro Landes die richtige Stimmung für sein Drehbuch zu finden und überholt dabei einen Werner Herzog, der sich ja auch gerne mal im Dschungel aufhielt. Landes ist filmischer in seinem Talent als es Werner Herzog je war.
Monos – Zwischen Himmel und Hölle (2019) ist ein toll gefilmtes, reduziertes und doch breites Dschungel-Drama, das auf seiner technischen Ebene vollends überzeugt. Dazu gesellen sich frische Gesichter und eine spannende Filmmusik von Mica Levi, sowie eine angenehm ausgewogene Inszenierung, die sich angemessen um seine Figuren kümmert. Wer ein Freund des europäisch verwurzelten Abenteuerdramas mit Jugendlichen im Kriegswahn ist – und wer ist das nicht – darf hier getrost einen Blick wagen.
Das Bild der BD ist gut, satt und klar. Der Ton ebenso. Leider gibt es keine Extras.