Die Labels NEW VISION und HIGHLIGHT VIDEO bescherten dem Videothekenkunden Anfang der 90er-Jahre einige schräge Filmchen, von denen man nicht wirklich erwartet hätte, dass sie mal auf Blu-ray erscheinen werden, geschweige denn eine 4K-Abtastung bekommen. Doch so nach und nach kommen auch Trash-Perlen, wie z. B. „The Suckling“ (1990) und „I bought a Vampire Motorcycle“ (1990) in hochauflösender Bildqualität auf den Markt. Letzteren veröffentlichte WICKED VISION als 2-Disc Limited Collector’s Edition. Erhältlich sind gleich vier Mediabook-Covermotive – jeweils limitiert auf 222 Exemplare (nicht einzeln nummeriert). Mancher mag sich fragen: „Ist IRON THUNDER, wie der Film damals bei uns betitelt wurde, das auch wert?“ Ich sage: „Was gestern noch schundige Videothekenware war, ist heute eine willkommene Abwechslung zum zeitgenössischen Einheitsbrei und war womöglich seiner Zeit voraus.“ Und in Zeiten von Sharknados und Weltraum-Nazis ist ein Vampir-Motorrad vielleicht schon wieder der ganz heiße Scheiß.
Alter deutscher Titel: Iron Thunder
Regie: Dirk Campbell
Darsteller: Neil Morrissey, Amanda Noar, Michael Elphick, Anthony Daniels, Andrew Powell
Artikel von Holger Braasch
Ein satanischer Rocker beschwört an irgendeinem Kanal unter der Brücke den Satan, wobei die Kraft Satans auf ihn übergeht. Gestört wird das Ritual durch eine Bande gegnerischer Biker, welche die Satanisten übel aufmischen und massakrieren. Der Obersatanist schafft es aber noch, die böse Energie auf sein Motorrad zu übertragen. Mit letzter Kraft verspritzt er sein eigenes Blut direkt in den Tank der Maschine. Der Biker Nick Oddy (Neil Morrissey), von seinen Freunden „Noddy“ genannt, entdeckt das Motorrad bei einem Schrotthändler, der es ihm überteuert verkauft. Da Nick nicht gerade der Hellste ist, lässt er sich auf den Deal ein – und von dem Händler über den Tisch ziehen. Ein befreundeter Mechaniker schafft es jedoch, die Maschine wieder flott zu machen. Dabei verletzt er sich die Hand und Blut tropft auf den Tank. Am nächsten Tag findet man die zerstückelte Leiche des Mechanikers in dessen Wohnung. Nick scheint das jedoch nicht viel auszumachen und auch gegenüber seiner Freundin Kim (Amanda Noar) verhält er sich nicht gerade charmant. Als er morgens mit ihr zusammen aufwacht, fragt er sie zum Beispiel: „Wie wär’s mit einem schönen warmen Tee?“ Kim: „Oh, das wäre schön.“ Nick: „Okay, mach mir auch einen.“ Ein echter Gentleman, unser Nick.
Nachts macht sich das Motorrad selbstständig, um Blut zu tanken. Da kommt die Rockerbande, die den Satanisten den Arsch aufgerissen hat, gerade recht. Am nächsten Morgen kratzt die Polizei ihre Körperteile von Straße und reiht sie ordentlich sortiert am Gehsteig auf. Der, stets mit Knoblauchfahne durch die Gegend laufende Sergeant (David Daker) steht vor einem Rätsel, doch seine Vermutung, dass Nick irgend etwas mit der Schweinerei zu tun hat, erweist sich nicht als falsch. Derweil wird auch Kim beinahe zum Opfer des blutsaugenden Choppers, doch die Knoblauch-Pizza, die sie dabei hat, sowie ihr Kruzifix-Kettchen, retten ihr das Leben. Für Nick wird es langsam eng, denn die Polizei verdächtigt ihn des mehrfachen Mordes. Als Nick endlich mitkriegt, dass sein Motorrad ein rasender Vampir ist, sucht er Hilfe bei einem Priester (Anthony Daniels). Dieser schreitet sofort zur Tat und versucht einen Exorzismus bei der Maschine durchzuführen. Doch so leicht lässt sich der Geist eines Satans-Vampirs nicht vertreiben.
Maschinen mit unheimlichem Eigenleben gab es im Horrorgenre so einige. Stephen King griff das Thema gleich mehrmals auf. Vor allem Fahrzeuge eigneten sich sehr gut, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Man denke da an Streifen wie Der Teufel auf Rädern (1977), Der Autovampir (1981) und natürlich Christine (1983). Aber auch andere Gerätschaften ließen sich auf mörderische Weise zweckentfremden, wie man in Filmen wie Rhea-M (1986), Der Kühlschrank (1991) oder The Mangler (1995) sehen konnte. Ein vom Satan besessenes Motorrad darf da natürlich nicht fehlen und was lag näher, als das Teil mit Blut fahren zu lassen? I Bought a Vampire Motorcycle lautet dann auch der Originaltitel dieses Films, doch „Ich kaufte ein Vampir-Motorrad“ klang dem deutschen Verleih wohl zu blöd. Da macht sich der Titel Iron Thunder schon besser auf dem Videocover. Ursprünglich wollte man übrigens eine Harley-Davidson für den Film verwenden, doch der Hersteller wollte mit dem Filmprojekt nichts zu tun haben. (Warum denn nur?) Also entschied man sich für die britische Norton Commander.
Ausgeheckt wurde dieser Horrorspaß von zwei Drehbuchautoren, die eigentlich aus dem TV-Milieu stammen. Mycal Miller war Cutter bei einigen Folgen der britischen TV-Serie Boon (1987-88). John Wolskel schrieb für japanische TV-Serien, wie Debiruman (1987-90) und Sôryûden (1991). Als Regisseur konnte man den britischen TV-Regisseur Dirk Campbell gewinnen und Hauptdarsteller Neil Morrissey spielte in Boon eine der Hauptfiguren. Die Dreharbeiten knüpften zum Teil direkt an die Dreharbeiten von Boon an und wurden den Leuten als freiwillige und entgeltlose Überstunden verkauft, damit es keinen Ärger mit der Gewerkschaft gab. Dass die Jungs dabei waren, ihren eigenen kleinen Horrorfilm zu drehen, erfuhr Boon-Produzentin Esta Charkham erst später. Auch sie konnte man für den Film einspannen. Allerdings ist nur ihre Stimme zu hören. Sie spielt eine verärgerte Ehefrau, die ihrem Mann am Telefon die Leviten liest. Obwohl das Budget alles andere als hoch war, konnte man auch Effektkünstler Bob Keen, sowie zwei prominente Schauspieler für das Projekt gewinnen. Burt Kwouk hat er einen kurzen Gastauftritt als schweigsamer Imbiss-Besitzer. Ihn kennt man als „Cato„, den Diener von (Chief-)Inspector Clouseau. Eine wesentlich größere Rolle hat Anthony Daniels, als exzentrischer Priester. Daniels wurde in der Rolle des Protokolldroiden C-3PO zum Kultstar und gern gesehenen Gast auf jeder Star Wars-Konvention. Und er hatte sichtlich Spaß daran, mal etwas anderes zu spielen, als den steifen Roboter. Vor allem konnte er hier sein schauspielerisches Talent besser entfalten.
Obwohl es schon recht viele Zerstückelungen gibt, ist Iron Thunder nicht unbedingt eine Gore- und Splatter-Orgie. Die Effekte sind nur kurz zu sehen und der Fokus liegt vor allem auf dem schwarzem Humor, nicht auf der Zurschaustellung blutiger Effekte. So beschränkt sich der Splatter meist darauf, dass einfach nur künstliche Körperteile durch die Luft geschmissen werden (was auch wirklich so aussieht, wie es klingt). Wenn jedoch z. B. in einer Szene eine Krankenschwester recht effektvoll halbiert wird, sieht das schon recht überzeugend aus und lässt mich auch heute noch staunen. Den Vogel schießt aber eine Traumsequenz ab, in der Nick von seiner eigenen Kackwurst(!) angesprochen wird. Noch bevor er der Spülknopf drücken kann, saust ihm diese sogar noch in den Mund. Holy Shit! 😮
Natürlich nimmt sich das Ganze keine Sekunde lang ernst. Die Macher wussten sehr genau, was für einen Blödsinn sie da verzapfen, aber man merkt auch den Spaß, den die Beteiligten dabei hatten. So eignet sich Iron Thunder perfekt für eine lockeren Filmabend der etwas anderen Art. Ich bin zwar nicht unbedingt ein O-Ton-Purist, aber ich empfehle wärmstens, sich den Film im Original reinzuziehen. Die deutsche Synchro zieht die darstellerischen Leistungen nämlich ganz schön runter. Die Trash-Synchro hat bei diesem Film zwar durchaus ihren Reiz, lässt ihn aber auch wesentlich schundiger wirken, als er eigentlich ist. Gerade Hong Kong-Action-Fans dürften die berüchtigten Video-Synchros von New Vision und Konsorten noch quer in den Ohren liegen. Und genau so eine Synchro bekommt man hier zu hören.
Die DVD von Laser Paradise basierte auf dem selben Master, wie die Videofassung von New Vision – inklusive Titeleinblendung Iron Thunder. Das Bild ist auf Vollbild aufgezoomt und ziemlich abgedunkelt. So kann man bei den Nachtszenen nur noch erahnen, was da gerade vor sich geht – und davon gibt es viele! Im Grunde ist diese DVD nur noch wegen der schönen Trailer-Show (die deutsche Kinotrailer von Poltergeist, Freitag der 13. und Ritter der Dämonen enthält!) interessant, weswegen sie auch in meiner Sammlung bleibt.
Die HD-Abtastung von Wicked Vision zeigt den Film buchstäblich in neuem Glanz. Endlich bekommt man die Effektkreationen von Bob Keen mal richtig zu sehen! Unter den informativen Extras finden sich ein Audiokommentar mit Regisseur Dirk Campbell, Drehbuchautor John Wolksel und Mycal Miller sowie Darsteller Alan Frank (englisch mit optionalen deutschen Untertiteln), der Original Trailer, die Features „Pointless Views„, „Filmin„, „Making of„, „The Vampire’s Lair„, „Where Are They Now?“ und „Hinter den Kulissen„, sowie die Dokumentation „We Made a Vampire Motorcycle„, in der sich auch Anthony Daniels an den abenteuerlichen Dreh zurückerinnert. Dazu gibt es ein 24-seitiges Booklet mit einem Text Christoph N. Kellerbach.
Achtung: Cover C ist ausschließlich bei www.wicked-shop.com erhältlich und enthält ein Autogramm des Künstlers Ralf Krause