Cannon Films war so ziemlich in jedem Genre produktiv und fasste irgendwann einmal den irrsinnigen Entschluss, Disney in seine Schranken verweisen zu wollen. Anstatt aber die Sache ausgeklügelt anzugehen, wollte Cannon mit gleich 16 Märchenverfilmungen an Disneys Thron strullern. Schon bald wurde klar, dass die Filme an der Kinokasse kein Geld einspielen und so endete die Märchenoffensive des umtriebigen Produzententeams Golan/Globus nach neun Filmen. Auch Hänsel und Gretel geriet zum Flop, doch so leicht lässt sich diese Verfilmung, in Anlehnung an die berühmte und gleichnamige Märchenoper von Engelbert Humperdinck, nicht abtun. Passend zum Advent präsentiert uns CAPELIGHT PICTURES diesen Märchenklassiker bestens remastered in einem schönen Mediabook.

Originaltitel: Cannon Movie Tales: Hansel and Gretel

Regie: Len Talan

Darsteller: Cloris Leachman, David Warner, Hugh Pollard, Nicola Stepleton, Emily Richard

Artikel von Kai Kinnert

Hänsel und Gretel, die Kinder einer verarmten Holzfällerfamilie, verlaufen sich im tiefen Wald. Auch den Pfad aus Brotkrumen, der ihnen den Weg zurück nach Hause zeigen sollte, können die beiden nicht mehr finden – hungrige Vögel haben die Krümel genüsslich aufgepickt. Nach langer Suche gelangt das Geschwisterpaar zu einem merkwürdigen Haus, das ganz aus Lebkuchen und anderen köstlichen Naschereien gemacht ist. Die alte gutmütige Frau, die das seltsame Häuschen bewohnt und den Kindern Unterschlupf und Essen bietet, entpuppt sich aber bald als bösartige Hexe, die Hänsel mästen und verspeisen will.

Hänsel und Gretel ist ein richtiger Märchenfilm der alten Schule. Obwohl 1987 gedreht, wirkt der Film wie aus der Zeit gefallen. Auf der einen Seite ist der Streifen völlig altbacken inszeniert und ausgestattet worden, auf der anderen Seite ist das aber auch ein ganz angenehmer Umstand, denn so konzentriert sich alles auf die reine Märchenerzählung, ohne das moderne Einflüsse auf das Geschehen einwirken. Während man sich heute meist darum bemüht, klassische Stoffe mit zeitgenössischen Einflüssen zu interpretieren, verzichtete man bei Cannon auf alles, was über die gebauten Kulissen hinaus ging. Da gibt es das kleine Dörfchen, die Bauernhütte, einen Wald und das Hexenhäuschen, mehr nicht. Und mehr muss das Märchen auch gar nicht haben, denn die Ausstattung ist liebevoll und die Musik von Engelbert Humperdinck gibt dem Film das richtige Format. Und da Humperdinck eine Märchenoper schrieb, wird auch gesungen.

David Warner singt hier das erste und letzte Mal in einem Film und muss sich für seinen Auftritt nicht schämen. Er singt immerhin besser als Pierce Brosnan in Mamma Mia. Aber auch die anderen Nummern, es sind nicht viele, gehen so weit durch, denn sie passen zum Film und die Musik ist gut. Und dann kommt die Hexe.

Cloris Leachman als Hexe ist famos, sie ist der Anker des gesamten Films. Ihr Augen sprühen und sie bringt Witz in die Nummer, sie liefert eine tolle Märchenhexe ab und ist dabei unheimlich und kindlich nahbar zugleich. Wenn die Hexe so um Minute 50 herum Hänsel und Gretel eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest (es ist Dornröschen, der Film, der zeitgleich am Set gedreht worden ist), wird es tatsächlich komisch. Die Hexe kann ihren Hunger kaum verbergen und leistet sich eine Menge freudscher Versprecher voller Euphorie, dass es eine Freude ist.

Hänsel und Gretel ist insgesamt ein traditioneller, brauchbarer Märchenfilm, der sich an ein kindliches Publikum wendet. Die Hexe ist schon etwas gruselig und Hänsel und Gretel geraten eindeutig in Gefahr, jedoch werden die spannenden Szenen stets angenehm aufgefangen und halten somit an einem Erzählrahmen für Kinder fest.

Man könnte dem Film vorwerfen, das es ihm an Frische fehlt, er zu wenig Budget hatte und sein Produktionsstandart an die tschechischen Märchenfilme der 1970er erinnert, aber am Ende ist eben das sein Charme. Die Musik wird bis heute zur Adventszeit in etlichen Theatern gespielt und Cannon Films wäre nicht Cannon Films, gäbe es da nicht wenigstens einen Moment, der etwas über die Stränge schlägt. So auch hier. Am Schluss kocht und brät Gretel die Hexe, bis sie knusprig tropfend am Seil hängt und der Bann ist gebrochen. Für einen Kinderfilm hat diese Szene recht lange gedauert, doch es folgt eine Flut bunten Zuckerschaums und der Schrecken ist vergessen.

Der Film ist wurde bestens restauriert. Bild und Ton sind klasse, da wurde ganze Arbeit geleistet. Als Extras gibt es ein informatives, 24-seitiges Booklet, den Originaltrailer und eine Trailershow.

Trailer:

Zurück zur Startseite