Oops!…He did it again. Roberto Benigni widmete sich bereits vor 18 Jahren einer Verfilmung des berühmten Kinderbuchs von Autor Carlo Collodi. Doch sein Herzensprojekt, bei dem er Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in einer Person war, fiel bei Kritikern und Publikum durch. Nun wagt er sich, nach sieben Jahren Leinwandabstinenz, an eine Wiedergutmachung beim Zuschauer. Diesmal allerdings nicht in der Rolle des hölzernen Jungen, für den Part ist er nun endgültig zu alt, sondern als sein Erschaffer und Papa Geppetto. Ob diese Verfilmung, die von CAPELIGHT PICTURES in diversen Editionen auf den Markt gebracht wurde, mehr überzeugen kann?

Regie: Matteo Garrone

Darsteller: Federico Ielapi, Rocco Papaleo, Massimo Ceccherini, Marine Vacth, Roberto Benigni

Artikel von Christian Jürs

Der alternde Tischler Geppetto (Roberto Benigni) führt ein trauriges, einsames Dasein. Aufgrund fehlender Aufträge bleibt dem herzensguten Mann nicht einmal genug Geld für einen Teller Suppe in der Dorfschänke. Da der Wirt jedoch ein goldenes Herz besitzt, spendiert er dem zauseligen Handwerker gelegentlich eine warme Mahlzeit. Als eines Tages ein Puppentheater in der Stadt gastiert, kommt Geppetto eine Idee. Um sein einsames Leben etwas bunter zu gestalten, möchte er sich eine eigene Marionette, einen Sohn, schnitzen. Das Holz hierfür erbettelt er sich beim hiesigen Holzhändler.

Kaum hat der fleißige Tischler das Gesicht des Jungen entworfen, da beginnt die Holzfigur zu sprechen. Geppetto ist voller Freude, schnitzt seine Figur zu Ende, kleidet sie rot ein und nennt den kleinen Fratz Pinocchio (Federico Ielapi). Voller Enthusiasmus läuft der alte Mann hinaus und verkündet den Nachbarn, dass er nun einen Sohn habe, was ungläubig zur Kenntnis genommen wird. Er beginnt, der Holzfigur das Laufen beizubringen, welches diese in kürzester Zeit beherrscht und dem alten Mann sogar davoneilt. Aufgrund seiner kindlichen Unbekümmertheit, kommt es für Pinocchio beinahe zur Katastrophe, als er seine Beine zum Wärmen ins offene Feuer hält. Zum Glück eilt Geppetto herbei und kann den in Brand geratenen Holzjungen retten. Nun ja, bis auf seine Beine, die müssen erneuert werden.

Damit Pinocchio für´s Leben lernt und ihm solche Fauxpas nicht mehr geschehen, kauft Geppetto ihm, in Tausch gegen seine warme Winterjacke, eine Fibel und schickt die naive Puppe in die Schule. Doch Pinocchio soll niemals dort ankommen, tauscht er doch seine Fibel lieber gegen Karten für das gastierende Marionettentheater. Dort fällt er, als bewegliche Puppe ohne Fäden, sofort auf und wird vom Besitzer Mangiafuoco (Gigi Proietti) sogleich in Besitz genommen, sprich, entführt…

Was folgt, ist die allseits bekannte Geschichte vom Taugenichts, der unbedingt ein richtiger Junge werden möchte und auf seiner Odysee durch die Welt auf allerlei finstere Gestalten, wie den Fuchs Volpe (Massimo Ceccherini) und seinen Kumpel Gatto (Rocco Papaleo), dem Kater, trifft. Die sind zwei hinterlistige Diebe, die Pinocchio ausnutzen, ausnehmen und sogar nach seinem Leben trachten. Die immer wieder seinen Weg kreuzende, weise Grille Parlante (Davide Marotta) warnt den angehenden Jungen zwar eindringlich, doch trifft sie dabei nur auf taube Ohren. Der guten Fee, die zunächst noch kindlich (Alida Baldaria Calabria) und kurz darauf in erwachsener Schönheit (Marine Vacth) vor Pinocchio erscheint, gelingt es allerdings, den Knaben langsam zum Nachdenken zu bringen und so seinen Weg zum echten Jungen zu ebnen. Als Geppetto, der derweil ziellos im Land nach seinem Sohn sucht, von einem Wal verschluckt wird, wächst Pinocchio über sich hinaus…

Die gute Nachricht zuerst: Diese Pinocchio Version von Regisseur Matteo Garrone ist um Lichtjahre besser als die alberne Kasperlevernastaltung von Roberto Benigni 18 Jahre zuvor. In stimmigen Bildern erleben wir gleich zu Beginn die ärmlichen Verhältnisse, in denen Geppetto haust. Aufnahmen, weit weg von der Künstlichkeit des Vorgängers. Tatsächlich aber ist die größte Stärke der Neuverfilmung die Schwäche der anderen Version: Roberto Benigni. Nach vielen Jahren der Leinwandabstinenz (zuletzt trat er 2012 in Woody Allens To Rome with Love auf), verzaubert er hier sein Publikum mit der Darbietung des liebevollen Geppetto. Doch da liegt leider auch der Knackpunkt, denn die Geschichte von Pinocchio ist hinlänglich bekannt und obwohl der Film von grandios entworfenen Masken und skurrilen Einfällen nur so strotzt, die Erlebnisse des sich auf der Suche befindlichen Geppetto wären so viel Interessanter beizuwohnen gewesen, als die des kleinen Holzjungen. Ob es an der nervigen Naivität des Jungen oder an der emotionslosen Mimik lag? Ob es die durchgeknallten Figuren mit ihrem hierzulande schwer verdaubarem italienischem Witz oder aber die ruhige Erzählweise der mit 125 Minuten etwas ausufernden Laufzeit war, die mich streckenweise langweilen ließ? Oder vielleicht die allzu bekannte Geschichte, die ich bereits in Kindertagen in der japanischen Zeichentrickserie und dem Trickfilm von Walt Disney verfolgen durfte?

Die Veröffentlichung von Capelight Pictures hingegen ist ohne Zweifel grandios. Bild (2,39:1) und Ton (Deutsch und Italienisch in DTS HD-Audio 5.1) der mir zum Test vorliegenden Blu-ray sind fantastisch. Die 4K-Variante dürfte hier noch mehr punkten. Die Synchronisation ist spitze und man vergaß in all den Jahren nicht, dass der grandiose Lutz Mackensy auf Roberto Benigni gehört. Als Bonus gibt es den Trailer und ein kurzes Making Of, welches sich vorrangig auf Benigni konzentriert und zeigt, dass in Italien auch heute noch jedes Kind den Komiker kennt. Ich empfehle das wunderschöne Mediabook (Limited Collectors Edition), welches mit einem hochwertigen Booklet mit Illustrationen, Produktionsskizzen und Designkonzepten zusätzlich punkten kann. Einmal mehr, wurde hier enorm hochwertiges, dickes Papier verwendet.

Letztlich ist es eine Geschmacksfrage, denn handwerklich ist der Verfilmung von 2019 absolut nichts vorzuwerfen. Wer Spaß an der Märchengeschichte hat, gute Kameraarbeit und Ausstattung zu schätzen weiss und dem etwas abgedrehten, italienischen Humor zugeneigt ist, der wird hier seine wahre Freude haben. Mir persönlich gefielen die wenigen Filmminuten mit Roberto Benigni am besten, doch die sind leider, storybedingt, auf Anfang und Ende des Films beschränkt.

Trailer:

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