„What the fuck did I just watch?“ Jesús Franco, Regisseur von Werken wie Vampyros Lesbos, Oase der Zombies und Die Säge des Todes, erschuf mit dem vorliegenden Film eine wilde Mischung aus Nun-Sploitation, Hexenfolterschocker, Exorzismusgrusler und Kostümdrama, vollgepackt mit jungen Darstellerinnen, die, wenn sie nicht gerade gefoltert werden, sich nackig und sinnlich auf dem Bett räkeln und extatisch ihre buschige Schambehaarung in die Kameralinse halten. Jahrelang indiziert und zudem noch stark beschnitten (der Film, nicht die Darsteller), hat WICKED VISION tief in die Portokasse gegriffen und den Schocker in vier Fassungen (inklusive aufwändiger Neusynchronisation der einst fehlenden Szenen) in drei hübschen Mediabookvarianten veröffentlicht. Tolles Futter für das Sammlerregal des trivialen Filmfans.
Alternativtitel: Sündige Novizinnen
Originaltitel: Les démons
Regie: Jesús Franco aka Jess Franco (hier als Clifford Brown)
Darsteller: Anne Libert, Carmen Yazalde (als Britt Nichols), Cihangir Gaffari (als John Foster), Karin Field, Howard Vernon
Artikel von Christian Jürs
In der guten, alten Zeit hatte der Mann noch das Sagen. Wenn Frauchen aufmüpfig wurde, schrie man „Hexe“ und das Schicksal der Holden war besiegelt. Denn die Pseudo-Hexen-Tests, denen sich die armen Frauen unterziehen mussten, waren schlichtweg nichts anderes als sadistische Folter. Sofern die Malträtierung nicht bereits der jeweiligen Dame den Rest gegeben hat, endete sie im Anschluss oftmals auf dem Scheiterhaufen, um das Volk zu belustigen. Damals hatte man halt noch nicht Die Helene Fischer Show, was sollte man da anderes machen?
Die Dame, die es zu Beginn trifft, sieht aus wie eine optimale Kandidatin für Frauentausch oder wie ein Klon von Heidi Klum …an Halloween. Tatsächlich entpuppt sich die Holde Maid als echter Satansbraten. Deshalb wird sie auch zugleich flambiert, um Schlimmeres, wie zum Beispiel den Ausbruch einer Pandemie, zu verhindern. Doch nicht, ehe die Warzenoma noch ein paar wilde Flüche zum Besten gegeben hat, bevor sie wild grimassierend und lachend zu Grunde geht. „Die BBQ-Saison ist eröffnet.“, denke ich mir und lehne mich entspannt zurück. Doch was hat das Ganze denn nun mit Nonnen zu tun? Und vor allem, warum nennt man im deutschen Titel die französische Gemeinde Clichy? Nun, der damalige Verleiher wollte mit dem Verweis auf Henry Millers Roman Stille Tage in Clichy und dessen Verfilmung aus dem Jahr 1970 einfach zusätzlich Kasse machen, so einfach ist das. Dabei spielt der Film im damaligen England, auch wenn er zumindest in Frankreich und Portugal gedreht wurde.
Immerhin gibt es Nonnen. Wie die da reinpassen? Nun, Hexe Schrumpeldeis Flüche galten ihren Peinigern, dem Richter Jeffries (Cihangir Gaffari), der sadistisch veranlagten Lady de Winter (Karin Field) und ihrem Liebhaber Thomas Renfield (Alberto Dalbés). Ausführen sollen die Hexenrache ihre unehelichen Töchter Kathleen (Anne Libert) und Margaret (Carmen Yazalde). Diese werden von Lady de Winter in einem Kloster aufgespürt, womit dann auch die Nonnen ins Spiel kommen. Erstaunlicher- und auch glücklicherweise, kommen die beiden jungen Damen optisch wohl eher nach ihrem Vater und sehen zum Anbeißen aus, weswegen sie auch im Jahr zuvor von Jess Franco in dessen Vampirfilm Die Nacht der offenen Särge besetzt wurden. Hier jedenfalls leben sie im Blackmoor Convent, nur etwa 450km von Clichy entfernt. Quasi ein Katzensprung. Lady de Winter unterzieht Kathleen, die dummerweise behauptet, nachts vom Gesandten des Teufels heimgesucht und durchgepudert zu werden, einer selbstlosen, aber ausgiebigen Prüfung. Hierbei stellt sie fest, dass die Nonnenschülerin gar keine Jungfrau mehr ist. „Skandal“ rufe ich da empört. Aus Angst, in der sündigen, jungen Frau die rachenehmende Hexe gefunden zu haben, lässt die Lady das arme Mädchen verhaften und den obligatorischen, qualhaften Hexenprüfungen unterziehen. Anschließend wird ihr notariell beglaubigt, dass sie eine waschechte Hexe ist und deshalb auch auf Garstufe well done gegrillt werden soll. Da hat aber Malcolm De Winter (Howard Vernon) was dagegen. Der hat seine olle Lady satt und hat sich in die potentielle Hexenbraut verguckt, der er zur Flucht verhelfen möchte…
Wäre ich ein echter Filmkritiker und kein wandelnder Nerd, ich hätte während der Sichtung von Die Nonnen von Clichy warscheinlich mehrfach mit Anlauf den Kopf gegen die Wand gerammt. Kollege Robrahn von Pantoffelkino nannte Jess Franco neulich einen Stümper. Oberflächlich gesehen hat er da auch durchaus recht, denn die billigen Horroreffekte, deren Höhepunkt hier eindeutig die mehrfache Verwendung eines Plastikskeletts ist, welches die Crew mit Sicherheit dem Biologieraum der nächstgelegenen Schule entwendete, wirken auf den Otto-Normalzuschauer lachhaft. Oben drauf dann noch die vielen nackten Darstellerinnen, die sich wie in Trance rollig auf den Betten räkeln und unsittlich berühren, düften den Moralaposteln zudem sauer aufstoßen. Dazu noch eine Kamera, die ständig auf der Suche nach dem eigentlichen Motiv und dem richtigen Fokus zu sein scheint (und dabei so manches mal ihr Ziel verfehlt), sowie eine seltsam unpassende Beatnik Musik, die das Geschehen untermalt, da ist das Feuilleton selbstredend gründlichst überfordert. Dabei sind es eben genau diese Elemente, die zusammengepackt das ungewöhnliche Jess Franco Filmerlebnis formen, welches uns hier erwartet. Keine Frage, Francos Spätwerke sind allesamt ziemlicher Abfall und auch zwischendurch bannte der Massenfilmer, der aus Kostengründen nicht selten gleich mehrere Filme zeitgleich inszenierte, filmische Totalausfälle wie Oase der Zombies auf Zelluloid. Doch unter seinen insgesamt 207 inszenierten Werken finden sich auch außergewöhnliche Kunstwerke, wie zum Beispiel die Jack the Ripper Verfilmung mit Klaus Kinski, der mit Christopher Lee besetzte Der Hexentöter von Blackmoor, der sinnliche Vampyros Lesbos oder eben Die Nonnen von Clichy. Werke, die, wenn man ihnen offen gegenüber ist, einen absonderlich-bizarren Charme versprühen.
Das hat auch Wicked Vision erkannt und spendierte dem Film eine aufwändige Limited Collector´s Edition, die wohl auch zukünftig nicht mehr zu toppen ist. Auf zwei Blu-rays bekommen wir nicht nur die ungekürzte Langfassung (118 Minuten) mit nachsynchronisierten Szenen, die von erstklassigen Sprechern (u.a. Bernd Egger) eingesprochen wurden, sondern auch noch die alte, deutsche Kinofassung (88 Minuten), den Directors Cut (104 Minuten) und die Exportfassung (88 Minuten) oben drauf. Zahlreiche Extras, bestehend aus zwei Featurettes, diversen Trailern, einer Bildergalerie, einem 24 seitigen Booklet und diversen Vorspannvarianten, runden das Gesamtbild ab. Absolutes Highlight ist aber der Audiokommentar, den Dr. Rolf Giesen, Dr. Gerd Naumann und Matthias Künecke eingesprochen haben. Die machen sich gar nicht erst die Mühe, auf einzelne Handlungsteile einzugehen. Stattdessen steht die Entstehungsgeschichte und Vermarktung im Fokus ihrer Unterhaltung, die fast noch besser ist als der eigentliche Hauptfilm (Volker Robrahn würde mir hier recht geben).
Cineasten, lauft so schnell Ihr könnt, denn das hier ist nix für Euch. Überlasst diese wunderschöne Limited Edition lieber den Leuten, die sich, wie ich, darüber freuen können und diese feine Sammleredition mit Freuden ins Regal stellen.
Trailer: