Derzeit ist es ratsam, daheim zu bleiben. Auch Naomi Watts hält sich im vorliegenden Film vorbildlich an diesen Rat. Doch der Film spielt nicht in der von einer Pandemie gebeutelten Gegenwart, sondern im Sommer 1977 in New York, als Unruhen herrschten und ein Serienmörder die Stadt in Angst und Schrecken versetzte. Es war der sogenannte Summer of Sam. KOCH FILMS hat den Psychothriller kürzlich veröffentlicht. Wir sind auch drinnen geblieben und haben den Thriller auf den Prüfstand gestellt.
Originaltitel: The Wolf Hour
Regie: Alistair Banks Griffin
Darsteller: Naomi Watts, Jennifer Ehle, Emory Cohen, Kelvin Harrison Jr.
Artikel von Christian Jürs
Einst war June Leigh (Naomi Watts) eine erfolgreiche Aktivistin und Schriftstellerin. Doch gewisse Umstände, die wir hier nicht spoilern möchten, da sie erst im Laufe des Films offenbart werden, trieben die Frau nicht nur in eine Schreibblockade, sondern auch in finanzielle Nöte und in eine Agoraphobie. Bei Letzterem handelt es sich um die Angst, die Wohnung zu verlassen. Seither lebt sie in der dunklen Behausung, die sie von ihrer Großmutter geerbt hat, inmitten der New Yorker Bronx, wo June ängstlich vom Fenster aus das Treiben in der Außenwelt beobachtet.
Wir schreiben das Jahr 1977. Es ist der Summer of Sam, in dem ein Serienmörder in der Stadt sein Unwesen treibt. Die Hitze ist drückend und ein Stromausfall wird in der Bronx, in der unsere Hauptfigur lebt, schließlich zu Plünderungen und Vandalismus führen. Doch zunächst bleiben wir als Zuschauer in der Wohnung von June mit der verängstigten Frau zusammen haften. Sie leidet unter ihren Ängsten, der Hitze, dem Druck ihrer Verleger und einem Trauma, welches sie mit ihrem letzten Buch auslöste (wie erwähnt spoiler ich hier nix). Nur wenige Male erhält sie Besuch, beispielsweise vom Lieferjungen Freddie (Kelvin Harrison Jr.), der sie allerdings ganz offensichtlich übers Ohr zu hauen scheint, als er Zigaretten abkassiert, die nicht in der Lieferung enthalten sind. Er wird sie mehrfach im Laufe der Handlung aufsuchen. Außerdem kommt noch Junes Schwester Margot (Jennifer Ehle) vorbei, die der verängstigten Frau Mut zu machen versucht. Doch June bleibt gefangen in ihren Ängsten. Da hilft es auch wenig, dass immer wieder jemand zu unmöglichen Zeiten klingelt. Nur ein Streich oder steht der Serienkiller möglicherweise vor ihrer Türe?
Stunde der Angst baut langsam aber sicher eine Bedrohung von außerhalb auf, die aber letztlich nahezu im Nichts verpufft. Stattdessen verlässt sich Regisseur und Drehbuchautor Alistair Banks Griffin voll und ganz auf das Talent seiner Hauptdarstellerin und das klaustrophobische Ambiente. Zweifelsfrei schafft es die talentierte Naomi Watts, das Interesse beim Publikum aufrecht zu erhalten, doch kann auch sie nicht verhindern, dass die Geschichte letztlich im Sande verläuft. Es fehlt einfach an Thrill in der Geschichte. Da nützt es auch nichts, dass sich June gegen Ende tatsächlich vor die Tür wagt (das Cover spoilert dies bereits, weswegen ich es hier auch ohne Reue erwähne), wenn nichts aufregendes passiert.
Hinzu kommt, dass der Film sich einen Fehler erlaubt, der mir, als Heimfilmnerd der ersten Stunde, ein Kopfschütteln entlockt. So erfahren wir die Hintergründe über ihre Angststörung durch ein Videoband, welches ein TV-Interview enthält, dass die ganze Misère, in der sich die einst erfolgreiche Frau befindet, überhaupt erst auslöst. Warum dies ein Problem sei, werden sich jüngere Leser nun fragen? Nun, anno 1977 hatte noch kaum jemand ein solches Gerät daheim und die Videorecorder von Einst sahen auch wesentlich klobiger aus, als hier im Film dargestellt. Auch war die Aufnahmequalität damals wesentlich schlechter. Doch das ist Nerdtalk und natürlich kann man darüber hinwegsehen. Nicht allerdings über die vertanen Chancen, den Serienkiller und die Unruhen in der Bronx nur so lapidar abzuhandeln. Hier wäre einfach mehr drin gewesen.
Was bleibt, ist ein Film für Fans von Naomi Watts, deren Karriere einst große Werke wie Mulholland Drive, King Kong (2005), die US-Remakes zu The Ring und Funny Games sowie das Revival der Serie Twin Peaks (2017) vorweisen konnte und die nun, nachdem die Prequelserie zu Game of Thrones, in der sie die Hauptrolle übernehmen sollte, bereits nach Fertigstellung des Piloten eingestellt wurde, einen deutlichen Knackser erlitten hat. Dass sie einen Film mit ihrem Talent und ihrer Ausstrahlung immer noch stemmen kann, beweist sie hier eindrucksvoll, doch kann auch eine Naomi Watts nicht gegen ein schwaches Skript anstinken.
Punkten kann dafür die Veröffentlichung von Koch Films, deren Bild- und Tonqualität ordentlich ist und die eine gute Synchro vorweisen kann (Naomi Watts hat wieder ihre Hauptsprecherin Irina von Bentheim). Wer zur Scheibe greift, erhält außerdem als Bonus Trailer, eine Bildergalerie, eine Behind the Scenes-Featurette und Interviews.
Kurzum, wer die Erwartungen niedrig hält und einfach einmal wieder Naomi Watts in einer starken Performance sehen möchte, der kann zugreifen. Allen anderen sei der 90er Nägelkauer-Thriller Copykill ans Herz gelegt, in dem Sigourney Weaver nach einer Serienkillerbegegnung ebenfalls an Agoraphobie litt. Der ist wirklich nichts für schwache Nerven.
Trailer: