Das ist schon 10 Jahre her? Himmel, wie die Zeit vergeht. Ein Tsunami erwischte an Japans Küste ein Atomkraftwerk und sorgte so für einen Totalausfall der elektrischen Steuerung der Brennstäbe, die dann auch gleich überhitzten. Der Nuklearunfall war eine knappe Nummer, dass hätte richtig ins Auge gehen können, und wurde später als ein ähnlich starker Unfall wie in Tschernobyl bewertet. Nur starben hier nicht so viele Menschen an den Spätfolgen des Katastropheneinsatzes. CAPELIGHT PICTURES veröffentlicht die Rekonstruktion der damaligen Ereignisse nun auf dem heimischen Markt.
Originaltitel: Fukushima 50
Regie: Setsuro Wakamatsu
Darsteller: Ken Watanabe, Koichi Sato, Takumi Saitoh, Hidetaka Yoshioka
Artikel von Kai Kinnert
Am 11. März 2011 um 14:46 Uhr Ortszeit wird Japan vom schlimmsten Erdbeben in der Geschichte des Landes erschüttert. Das Beben löst einen verheerenden Tsunami aus, der das Kernkraftwerk von Fukushima unter einer gigantischen Flutwelle begräbt. Die Naturkatastrophe verursacht einen gefährlichen Stromausfall in der gesamten Anlage – Explosionen, Brände und irreparable Schäden an vier Reaktorblöcken führen zu Kernschmelzen und massiver Freisetzung radioaktiver Stoffe. Schichtleiter Isaki und Werkschef Yoshida stehen vor einer schweren Entscheidung: Sollen sie und ihre Arbeiter vor der gefährlichen Strahlung fliehen oder ihr Leben aufs Spiel setzen, um den Super-GAU zu verhindern?
Der Film ist außerordentlich japanisch. Es gibt eine Menge erklärender Dialoge und jede Menge Verbeugungen während des Vortragens, auch das Overacting ist nicht weit. So viele Verbeugungen wie in Fukushima sieht man selten in einem Film. Der Streifen widmet sich in der ersten Stunde hauptsächlich der Rekonstruktion von Entscheidungen, der mangelnden Kommunikation zwischen Tokyo und Fukushima und den Versuchen, den Druck im Reaktor abzubauen und die Kühlung aufrecht zu erhalten. Hier gibt der Film quasi Vollgas und beginnt schon in der ersten Minute mit dem Tsunami, der auf das Kernkraftwerk trifft. Fortan ist die Handlung 60 Minuten lang damit mit befasst, wie man mit Autobatterien eine improvisierte Stromversorgung aufbaut, Wasser in die Reaktorblöcke pumpt, sich über Vorgesetzte ärgert und Selbstmordkommandos zu den Ventilen schickt, um Druck abzulassen, was eine Evakuierung der Stadt Fukushima bedeutete. Der Krisenstab hatte eine ganze Menge damit zu tun, die große Katastrophe abzuwenden und jedem Mitarbeiter wurde bewusst, dass er hier seine Gesundheit für die Rettung der Bevölkerung opferte.
Was den Film in seine zweite Hälfte führt, den zweiten 60 Minuten sozusagen, die sich, nach der Action am Anfang, nun der Emotionalisierung und einigem privaten Background der Protagonisten widmet. Hier geht es um den Heldenmut der Beteiligten, um sentimentale Erinnerungen, dankbare Opferungen und um die Entschuldigung für generelles Versagen. Da schlägt schon mal die Stirn ans Knie, so tief wird sich hier verbeugt. Während in der ersten Stunde des Streifens im Kern die technischen Vorgänge das Geschehen bestimmen, ist es in der zweite Stunde das Aufopfernde, das Entschuldigende und auch das Verklärende des nuklearen Unfalls. Fukushima mag zwar im Ansatz den Unfall rekonstruieren, klammert dabei aber fast komplett die wahre Gefahr durch Strahlung aus. Während in Chernobyl (2019) die erbarmungslose Kraft der Strahlung durch das geschickte Inszenieren eines mit Graphit kontaminierten Trümmerfeldes spürbar und sichtbar wurde, gibt es all diese Gefahr in Fukushima nicht. Klar, die Strahlung ist da, es ist auch heiß, aber die Selbstmordkommandos lassen sich auf ihrem Weg zu den Ventilen erstaunlich viel Zeit, halten inne, bequatschen ihre Situation und werden später auch noch von ihren Kollegen mit bloßen Händen aus den kontaminierten Schutzanzügen befreit. Bis auf Schweiß auf der Stirn und etwas tropfende Schmelze gibt es kein Gefühl für die apokalyptische Gefahr, die seitdem in Fukushima herrscht. Der Streifen klammert gänzlich aus, dass die Kommandos in völliger Dunkelheit bei einem Reaktor amerikanischer Bauart den Druck ablassen sollten, der aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht zum Druck ablassen vorgesehen war. Auch die Explosionen bleiben distanziert, selbst wenn in einer Szene fette Gehäusebrocken auf Autos knallen…die Gefahr an sich bleibt merkwürdig fern.
Fukushima hat zwei Stärken, die den Streifen im unterhaltsamen Mittelfeld halten. Wenn man mal einige ergebene und erklärende Dialoge außen vor lässt und den Hang zum Overacting vergisst, dann bleibt eine rasante erste Stunde, die auf spannende Art und Weise die Vorgänge rekonstruiert und den Film wie eine Karte inszeniert. Uhrzeiten und Einblendungen umschreiben nüchtern die realen Ereignisse und Orte des Geschehens, die Kamera bleibt dabei distanziert und der Schnitt ist ruhig. Die zweite Stärke des Films ist Ken Watanabe als Werkschef Yoshida, der das fette Ass im Ärmel dieses Katastrophenfilms ist. Watanabe trägt den gesamten Film, ist in internationaler Form und verkörpert den engagierten und führungsstarken Experten als beste Besetzung. Ohne ihn gäbe es die filmische Kernschmelze.
Insgesamt wirkt der Film wie eine Entschuldigung des Energiekonzerns TEPCO, der aufopfernd sein Bestes gab, um die große Katastrophe für Japan abzuwenden und nur wenig Kritik an der Planlosigkeit an sich geltend macht. Die Gefahr kommt nicht ganz so rüber. Wer sich für das Thema interessiert, bekommt hier eine gute Stunde lang kompakt den Ablauf des Unfalls rekonstruiert und außerdem einen Ken Watanabe, der seine Rolle erstklassig ausfüllt. Der Rest zerfranst etwas im Angesicht der Kirschblüte, die hier sentimental das Finale rahmt und am Ende erneut die Sonne über Japan aufgehen lässt. Ob der realen Gefahr hätte der Film packender sein können.
Das Bild der Blu-ray ist gut, der Ton ebenso. Als Extras gibt einen Trailer und ein Wendecover ohne FSK-Logo.
Trailer: