Pierrot le Fou beglückt Freunde des zeigefreudigen Genre-Kinos einmal mehr mit einem vielversprechenden Titel in ihrer „Uncut“-Reihe. RED SCREENING – BLUTIGE VORSTELLUNG (2020) wandelt auf den Spuren des italienischen Giallos und versteht sich als Hommage an Zeiten, in denen schwarzbehandschuhte Killer noch zum Standardrepertoire für ordentliche Thriller-Kost gehörten. Ob der Film überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Al morir la matinée

Drehbuch: Maximiliano Contenti, Manuel Facal

Regie: Maximiliano Contenti

Darsteller: Luciana Grasso, Ricardo Islas, Julieta Spinelli, Franco Duran, Pedro Duarte…

Artikel von Christopher Feldmann

Als großer Fan des italienischen Genre-Kinos, speziell des Giallos, war ich sehr neugierig auf die neueste Veröffentlichung aus dem Hause Pierrot le Fou, sind klassische Gialli doch heutzutage Mangelware und noch aktive Regie-Ikonen wie Dario Argento, die diese Spielart des Psychothrillers ein Leben lang beackert haben, nicht mehr fähig einen mindestens soliden Streifen zu drehen. So kann man sich maximal mit den sogenannten Neo-Gialli trösten, insbesondere denen der Gebrüder Onetti, die aber meistens mehr darauf aus sind, den Stil und die Ästhetik der 1970er Jahre zu rekreieren. Wirklich moderne Produktionen, die die bewährten Elemente aktuell umsetzt, sind eine wahre Seltenheit. Da bleibt einem schlussendlich nur übrig, die alten Klassiker zu schauen oder eben RED SCREENING eine Chance zu geben. Zwar stammt der Film nicht aus Italien, sondern aus Uruguay, wohlige Gedanken an alte Zeiten werden jedoch trotzdem hervorgerufen. Und auch wenn das Ganze nicht frei von Fehlern ist, dürften Fans des abseitigen Kinos ihren Spaß an dem blutigen Kinoabend haben.

Handlung:

Montevideo 1993: die Nacht ist stürmisch, im Kino „Cine Opera“ läuft ein Horrorfilm. Ana (Luciana Grasso), die Tochter des Filmvorführers, hat ausnahmsweise die Nachtschicht für ihren Vater übernommen. Eigentlich kein Job, der besonders aufregend ist, eher das Gegenteil. Doch in dieser Nacht kann von Ruhe und gediegener Langeweile nicht die Rede sein: Ein erbarmungsloser Killer hat für die Vorstellung ein Ticket gelöst! Im Schutz der Dunkelheit des Kinosaals lässt der blutrünstige Mörder seinem Drang freien Lauf und metzelt, was das Zeug hält. Schon bald muss Ana nicht nur um ihr Überleben kämpfen, sondern auch versuchen, möglichst vielen Besuchern einen grausamen Tod zu ersparen.

Über die Story braucht man im Falle dieses Films gar keine großen Worte zu verlieren, ist sie doch schlicht nicht existent. Zuschauer müssen sich mit dem Aufhänger „psychopathischer Killer treibt in einem Kino sein Unwesen“ begnügen, denn mehr Inhalt hat das blutige Treiben nicht zu bieten. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Motive des Mörders bleiben ein Rätsel, was man prinzipiell machen kann und der Atmosphäre dienlich ist. Allerdings bleiben auch sämtliche weiteren Figuren, die die Spätvorstellung eines Horrorfilms besuchen gänzlich farblos. Einzig Protagonistin Ana, die die Spätschicht als Filmvorführerin ihres Vaters übernimmt, bekommt ein wenig mehr Kontur, allerdings nur auf einem minimalen Level. Das sorgt mit zunehmender Laufzeit dafür, dass die Geschehnisse im Saal das Publikum weitestgehend kalt lassen. So dienen die Figuren, die aus einem alten mürrischen Filmfan, einem kleinen Jungen, der sich in den Streifen geschlichen hat, einem First-Date-Pärchen und einem Trio von Jugendlichen bestehen, lediglich als Kanonenfutter für möglichst explizite Kills.

Die haben es auch in sich. Mit größtmöglicher Brutalität werden Köpfe durchbohrt, Augen herausgerissen und Kehlen aufgeschlitzt. Der Verbrauch an Kunstblut ist ist ziemlich hoch und die Effekte handgemacht, ein klares Lob an die Make-Up-Abteilung, die hier einen wirklich guten Job gemacht hat. Allerdings muss man an dieser Stelle auch die fehlende Logik ankreiden. Klar, klassische Slasherfilme oder eben Gialli glänzten in den wenigsten Fällen durch eine hieb- und stichfeste Dramaturgie, im Falle von RED SCREENING muss man allerdings des Öfteren die Nase rümpfen wie es denn sein kann, dass jemand in einem Kinosaal mehrere Menschen massakriert, ohne dass es jemand mitbekommt. Das sind die größten Schwächen des kurzweiligen Streifens, der sich mehr darauf konzentriert, die blutgierige Fraktion zu befriedigen. Und wenn am Ende der Killer demaskiert wird, tut sich das Ganze mit aufgesetztem Ekel nicht unbedingt einen Gefallen. Wenn man schon minimalistisch erzählen möchte, sollte man es auch bis zum Ende durchziehen.

Seine inhaltlichen Schwächen kompensiert RED SCREENING aber gut durch seine Inszenierung. Maximiliano Contenti versteht sein Handwerk und serviert stylische Bilder, die von einem stimmungsvollen Synthwave-Score untermalt werden. Auch das Spiel mit Farben erinnert in vielen Moment an die psychedelischen Kompositionen eines Mario Bava und das Setting wirkt auch nicht zufällig gewählt, sondern dürfte eine klare Hommage an Dario Argentos OPERA (1988) sein, in dem ein Killer in einem Opernhaus zuschlägt. Ganz so verspielt und mit großartigen Kamerafahrten ausgestattet, ist RED SCREENING am Ende zwar nicht, doch das Talent des Regisseurs blitzt immer wieder auf, gerade das Opening ist unfassbar atmosphärisch und macht Lust auf mehr. Mit nicht einmal 90 Minuten Laufzeit ist der Film zudem relativ kurzweilig, auch wenn der hungrige Gorehound ein wenig Geduld aufbringen muss, bis das fröhliche Morden seinen Lauf nimmt. Die Darsteller sind indes nicht der Rede wert, denn auf großes Schauspiel kam es hier nicht an.

Pierrot le Fou veröffentlicht den blutigen Kinobesuch im April im limitierten Mediabook, das neben der Blu-ray auch die DVD-Version enthält. Als Extras gibt es Featurettes zu Dreharbeiten und den Effekten, sowie ein Making-Of und den Trailer. Zusätzlich wird das Paket von einem Booklet und einem Poster abgerundet.

Fazit:

Mit RED SCREENING – BLUTIGE VORSTELLUNG (2020) gibt es Nachschub für Freunde deftiger Slasherkost, die sich gemütlich an das italienische Giallo-Kino anbiedert. Das logische Denken sollte man zuvor besser abschalten und dem lauen Drehbuch nicht allzu viel Aufmerksamkeit beimessen. Wer das kann, bekommt einen stylisch inszenierten, atmosphärisch gestalteten Streifen geboten, der ordentlich Gekröse bietet. Für Genre-Fans durchaus eine Empfehlung.

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