Nachdem Lex Ortega selbst einige Kurzfilme gedreht hatte, hob er 2014 die Horror-Anthologie México Bárbaro – Grausame Legenden aus der Taufe, für die er sieben Regisseure des mexikanischen Underground-Films gewinnen konnte. Inspiriert wurde Lex Ortega von der amerikanischen Horror-Anthologie ABCs of Death (2012), in die es beinahe auch sein Kurzfilm T is for Tamales (2011) geschafft hätte. México Bárbaro besteht aus acht Kurzfilm-Segmenten, die alle auf mexikanischer Mythologie basieren. Der Titel für diese Anthologie wurde inspiriert durch ein Buch des Schriftstellers John Kenneth Turner, welches den Titel Barbarous Mexico – An Indictment of a Cruel and Corrupt System trägt und im Jahr 1910 veröffentlicht wurde. Am 8. Oktober 2014 wurde México Bárbaro auf dem Sitges-Festival uraufgeführt und lief auch auf weiteren Festivals. Am 25. Februar 2019 veröffentlichte Rawside Entertainment den Film in vier limitierten Mediabooks auf Blu-ray und DVD. Die Mediabooks sind jeweils auf 222 Exemplare limitiert und im Gegensatz zur Veröffentlichung von Donau Film ist der Film hier komplett ungekürzt. Bei den FSK-geprüften Veröffentlichungen von Donau Film fehlen hingegen etwa vier Minuten.

Originaltitel: México Bárbaro / Barbarous Mexico

Deutscher Alternativtitel: México Barbaro – Grausame Legenden

Regie: Isaac Ezban, Laurette Flores Bornn, Jorge Michel Grau, Ulises Guzman, Edgar Nito, Lex Ortega, Gigi Saul Guerrero, Aaron Soto

Darsteller: Guillermo Villegas, Harold Torres, Leslie Arce, Rubén Zerecero, Anuar Zuñiga Naime

Artikel von Holger Braasch

Man verzeihe mir, wenn die folgende Besprechung recht kurz und kritisch ausgefallen ist. Der zeitgenössische Horrorfilm ist definitiv nicht mehr mein Fall. Als Beispiele fallen mir da die Filme von Jordan Peele ein. Während Get Out (2017) seine gesellschaftspolitischen Ansätze zugunsten einer unoriginellen „Körperfresser“-Variation mit hanebüchener (weil extrem aufgesetzt wirkender) Rassismus-Botschaft verheizt, kommt Wir (2019) mit einer verschwurbelten Kapitalismus-Parabel um die Ecke, welche die Geschichte mit unfreiwillig komisch anmutender Symbolik und ermüdenden dramaturgischen Verrenkungen interessanter zu gestalten versucht, als sie eigentlich ist. Auch Ari Asters vielgelobter Hereditary – Das Vermächtnis (2018), der mit einem starken und atmosphärisch dichten Aufbau beginnt, endet leider in einem nichtssagenden Finale, welches lediglich billige Genre-Stilmittel feilbietet (wobei sich die Bezeichnung „billig“ nicht auf das Produktionsniveau bezieht) und spätestens an dieser Stelle offenbart, dass die Filmemacher eigentlich doch nicht so viel zu erzählen hatten, wie es zunächst schien. So mancher mag hier sicherlich empört aufschreien (bzw. nicht mehr weiterlesen), aber für mich sind die genannten Filme prominente Beispiele dafür, das sich der Horrorfilm selbst überlebt hat. Vielleicht ist ihm aber auch nur eine gewisse Unbedarftheit abhanden gekommen, um wirklich überzeugen zu können. Es scheint mir so, als würden viele Filmemacher heutzutage nicht mehr wirklich an ihre Filme glauben und deshalb muss mit aufgesetztem künstlerischen Anspruch oder möglichst krasser und „realistischer“ Inszenierung nachgeholfen werden. Zwar weisen selbst die Werke von blutigen Anfängern heutzutage schon ein vergleichsweise hohes Produktionsniveau und eine gewisse Routine auf, aber in kreativer Hinsicht empfinde ich diese Sachen als weit weniger interessant, als beispielsweise einen abenteuerlich zusammengewurschtelten Low Budget-Streifen aus den 70er-Jahren. Zeiten ändern sich – und damit auch das Stilempfinden.

In der Anthologie México Bárbaro zeigt sich, dass auch die mexikanische Underground-Filmszene nur mit Wasser kocht. Lediglich der kulturelle Hintergrund unterscheidet sich deutlich von US-amerikanischen Produktionen, was in diesem Fall aber leider auch den einzigen Reiz ausmacht. In acht Kurzfilmen erzählen acht mexikanische Regisseure mysteriöse und unheimliche Geschichten, die nicht selten auch blutig enden. Dabei sind die kulturellen und sozialkritischen Bezüge durchaus erkennbar, doch meiner Meinung nach schafft es keiner der Filmemacher, seine (sicherlich vorhandene) Botschaft schlüssig und nachhaltig zu vermitteln. Die Bezeichnungen Trash und Exploitation passen hier allerdings auch nicht, denn die einzelnen Filmsegmente geben sich durchaus anspruchsvoll und sind filmtechnisch auf hohem Niveau in Szene gesetzt. Zwischen den Episoden gibt es jeweils eine kurze computeranimierte Sequenz, wo Haut mit einem Folterwerkzeug bearbeitet wird.

1 – Tzompantli von Laurette Flores

Ein Reporter wird von einem Mafia-Gang-Mitglied in ein grausiges Ritual eingeweiht bei dem ein Tzompantli die zentrale Rolle spielt. Hierbei handelt es sich um ein Holzgestell auf dem die Schädel von Verstorbenen (bzw. unfreiwillig aus dem Leben geschiedenen) Menschen aufgebahrt werden. Die Pointe ist alles andere als überraschend, da schon das ganze Ambiente und Szenario darauf hindeutet. Selbst für einen Kurzfilm von nicht einmal 10 Minuten Länge ist das wenig Inhalt und der Schockeffekt bleibt aus, da weder eine richtige Figurenzeichnung noch eine Spannungskurve vorhanden sind.

2 – Jaral de Berrios von Edgar Nito

Zwei abgekämpfte Outlaws reiten durch die einsame Steppe und finden schließlich in einem alten Gemäuer einen Platz zum übernachten. Dort spukt ein weiblicher Geist herum und dieser hat schon auf die beiden Männer gewartet. Die Bildgestaltung am Anfang lässt erahnen, welche Vorbilder Edgar Nito für seinen Gruselwestern im Sinn hatte. Neben Sergio Leone dürfte vor allem Alejandro Jodorowsky für diese Episode Pate gestanden haben. Danach wechselt die Szenerie zu einem Lost-Place-Geisterhorror mit den typischen Jump-Scare-Einlagen. Auch das ist leider nicht sonderlich überraschend und eine richtige Pointe gibt es hier auch nicht, nur verquaste Symbolik, die auf höhere Mächte hindeutet. Nun ja.

3 – Drena (Drain) von Aaron Soto

Eine junge Frau findet eine Leiche an einer Böschung. Die Leiche hat noch einen Joint in der Hand, den sich die Frau mit nach Hause nimmt. Als sie sich diesen später zuhause reindübelt, erscheint plötzlich ein Dämon, der ihr befiehlt, sie solle ihm das Blut ihrer Schwester opfern. Diese ist nämlich noch Jungfrau. Natürlich hält die junge Frau das Ganze zunächst für einen schlechten Trip, doch als der Dämon androht, er würde ihr die Seele aus dem Anus saugen, wenn sie sich seinem Befehl widersetzt, willigt sie ein und macht sich sogleich ans Werk. Natürlich geht dabei etwas schief und die Aktion endet mit einer makabren Schlusspointe. Doch auch diese Schlusspointe kommt keineswegs überraschend und am Ende habe ich mich gefragt, ob das nun schwarzer Humor, oder einfach nur das Ergebnis eines schlechten Drogentrips war.

4 – La cosa más preciada (That Precious Thing) von Isaac Ezban

Ein junges Paar in einer Waldhütte wird mit einem besonders bösartigem Troll konfrontiert, der es vor allem auf Jungfrauen abgesehen hat. Es gelingt dem Troll die beiden zu trennen und nun kann er sich ungestört über die Frau hermachen. Ein schöner Anblick ist der „Alux“ (so die Bezeichnung des Trolls) nicht gerade. Splitternackt und mit ekligen Pusteln übersät, vergewaltigt der Waldgeist das bemitleidenswerte Opfer – und das nicht nur einmal. Am Ende sieht sich die Frau im Wald von mehreren Trollen umzingelt, die ekstatisch um sie herumtanzen, während sie ein weiteres Mal durchgenommen wird. Das groteske Szenario ist mit einem Filter versehen, der dem Film einen GRINDHOUSE-Filmlook verleiht. Allerdings kann dieser die Digital-Video-Optik nie vollständig verhehlen.

5 – Lo que importa es lo de adentro (What’s Important Is Inside) von Lex Ortega

Eine triste Wohngegend, die von grauen Betonbauten dominiert wird – hier treibt ein blutrünstiger Kindermörder sein Unwesen. Ein mysteriöser Obdachloser, der auf der Straße herumhängt, entpuppt sich als Teufel höchstpersönlich. Doch dies wird offenbar nur von den Kindern wahrgenommen, die sogleich spurlos verschwinden. Währenddessen kämpfen die Eltern um ihre Existenz in der trostlosen Betonwüste. In irgendeinem dunklen Keller vergewaltigt und zerstückelt der Teufel die entführten Kinder, was diese Episode zur unangenehmsten und härtesten der ganzen Anthologie macht. Allerdings frage ich mich auch hier, was uns der Filmemacher nun damit sagen wollte – außer vielleicht: Es gibt keinen Gott – es gibt nur den Teufel.

6 – Muñecas (Dolls) von Jorge Michel Grau

Auf der „Isla de las Munecas“ (zu deutsch: „Insel der Puppen“) wird eine Frau von einem säbelschwingenden Irren durch die Sümpfe gejagt. Die überall herumliegenden Puppen wirken wie stumme Beobachter und scheinen ein schreckliches Geheimnis zu hüten, welches den Killer zu seinen Taten treibt. Zwischendurch rührt der Killer in einem Topf eine unappetitliche Wasserbrühe zusammen. Auch hier bleibt am Ende alles nebulös und die kunstvolle Schwarz-Weiß-Optik verleiht dem Szenario auch nicht mehr Tiefe. Ein paar stimmungsvolle Bilder, aber leider verpufft deren Wirkung sehr schnell.

7 – Siete veces siete (Seven Times Seven) von Ulises Guzman

Ein Mann erweckt durch ein bizarres Ritual einen Verstorbenen wieder zum Leben – doch nur, um ein perfides Spiel mit ihm zu treiben. Auch hier hat Alejandro Jodorowsky eindeutig als Vorbild gedient, doch wo dieser wirklich Charaktere zum Leben erweckt und die bedacht eingesetzte Symbolik intuitiv einen tieferen Sinn erkennen lässt, verpufft bei dieser morbiden Kurzgeschichte alles in einem nichtssagenden Bildercocktail.

8 – Día de los Muertos (Day Of The Dead) von Gigi Saul Guerrero

Die letzte Geschichte ist dann ziemlich dreist von From Dusk Till Dawn (1996) abgekupfert und kann meines Erachtens nicht wirklich als Hommage durchgehen. In einer Stripper-Spelunke verwandeln sich die Tänzerinnen urplötzlich in blutdürstige Furien, die ihren Opfern die Köpfe abreißen und deren Blut trinken. Ziemlich unoriginell, da reißt auch der kulturelle Bezug zum mexikanischen „Tag der Toten“ nichts mehr heraus. Immerhin sind die Masken der Tänzerinnen schrill anzusehen.

Anzumerken ist, dass die deutsche Synchro sehr professionell ist. Überhaupt gibt es hier technisch nichts zu beanstanden. Im Bonusmaterial finden sich: Trailer zu México Barbaro 1, Trailer zu México Barbaro 2, Hinter den Kulissen von „Day of the Dead„, „Tzompantli“ und „Javal de Berrios„, Szenen vom Dreh und eine Bildergalerie (27 Bilder). Außerdem gibt es noch ein 24seitiges Booklet mit informativem Text von Christoph N. Kellerbach.

Trailer:

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