Das Leben im australischen Kleinstadtkaff Porpoise Spit ist die Hölle – so empfindet es zumindest Muriel. Ihre Freundinnen hingegen empfinden besonders Muriels Anwesenheit als unangenehm. Ihr eigener Vater, ein schmieriges Stadtratsmitglied, ist von seiner Tochter ebenfalls schwer enttäuscht. Als die tranige, korpulente und auch noch ungeschickte junge Frau per Zufall einen Blankoscheck ihres Vaters in die Hände bekommt, wagt Muriel den Ausbruch aus ihrer langweiligen Normalität und findet so langsam ihren Weg ins Leben. Dargestellt wird sie von der damals noch blutjungen Toni Collette, die hierfür den Preis als beste Hauptdarstellerin bei den AFI Awards gewann und die Tür nach Hollywood damit aufstieß, wo sie bis heute eine beeindruckende Karriere hinlegte. Warum ihr Karrieredurchbruch auch heute noch in jedes Filmregal gehört, schildern wir Euch anhand der neuen Veröffentlichung von STUDIOCANAL / ARTHAUS, die Muriel jetzt besonders scharf in HD veröffentlichten.
Originaltitel: Muriel´s Wedding
Drehbuch und Regie: P.J. Hogan
Darsteller: Toni Collette, Rachel Griffiths, Bill Hunter, Jeanie Drynan, Rosalind Hammond
Artikel von Christian Jürs
Während Tania (Sophie Lee) auf Wolke 7 schwebt, weil sie ihre Jugendliebe Chook (Nathan Kaye) ehelichen kann, hält das Leben für Muriel Heslop (Toni Collette) nicht gerade das große Glück auf dem Silbertablett bereit. Im Gegenteil, sie wird auf der Hochzeit ihrer vermeintlich besten Freundin mit Handschellen abgeführt, da Muriel ihre Abendgaderobe dem Bekleidungsladen gewissermaßen „entliehen“ hat.
Womit hätte sie auch bezahlen sollen? Ihre Sekretärinnenausbildung, die Muriel auf Kosten ihres Vaters (Bill Hunter), einem schmierigen und leidlich erfolgreichen Lokalpolitiker, antrat, war von wenig Erfolg gekrönt. Und so lebt sie, ebenso wie ihre zahlreichen Geschwister, gelangweilt in den Tag hinein und hört zur Aufmunterung Abba-Songs, die ihr von einer besseren Welt erzählen. Ihr Vater wird derweil nicht müde, vor jedermann zu erwähnen, wie nutzlos doch seine Kinder seien, die er mit seiner lethargischen Frau Bettie (Jeanie Drynan) in die Welt setzte. Bei der arroganten „Schönheitsberaterin“ (im Volksmund: Vertreterin) Deidre Chambers (Gennie Nevinson) verschafft sich der Herr Papa derweil Abwechslung vom Ehealltag und lockt der Dame noch einen Job für seine Tochter aus der Tasche. Da Muriel sich jedoch erstmal mit den Kosmetika eindecken muss, die sie auf Kommission von Deidre bekommt, gibt die gutgläubige Mama ihrer Tochter einen Blankobarscheck in die Hände. Ein böser Fehler für die Eheleute, jedoch auch das Ticket heraus aus der Tristesse für Muriel. Die plündert nämlich kurzerhand Daddys Konto und reist ihren vermeintlichen Freundinnen Tania, Cheryl (Rosalind Hammond) und Nicole (Pippa Grandison) auf die Ferieninsel Paradise Island hinterher. Dort versucht sich Tania gerade vom ersten Fremdgeh-Schock ihres geliebten Ehemannes Chook zu erholen, als sie und ihre Freundinnen empört Muriel erblicken und ihr unmissverständlich klar machen, dass sie nicht willkommen ist. Für die schüchterne Muriel eigentlich ein Schock, wäre da nicht die lebenslustige Rhonda (Rachel Girffiths), die sich mit Muriel anfreundet und sie aus der Lethargie herausreisst. Umkehrpunkt in Muriels Leben ist ausgerechnet ein gemeinsamer Auftritt beim Cluburlaub Talentwettbewerb, bei dem die beiden jungen Damen eine Darbietung von Waterloo zum Besten geben. Anfangs stampft Muriel noch unbeholfen ihre Tanzschritte mit glasigem Blick ins Nichts vor sich hin, als es sie plötzlich packt und sie ihren Lebensmut findet. Das Aufblühen in Muriels Gesicht, welches plötzlich glasklar strahlt, ist ein großartig gespielter Moment, der zeigt, warum Toni Collette ein Star wurde.
Den weiteren Verlauf der Handlung zu spoilern, wäre hundsgemein, denn P.J. Hogans erster abendfüllender Spielfilm besitzt ein wirklich gutes, teils überraschendes Drehbuch. Außerdem ist der Film mitreißend inszeniert und vor allem, wird er von seinen beiden Hauptdarstellerinnen Toni Collette und Rachel Griffiths so lebensnah gespielt, dass man die beiden einfach lieben muss und uns jeder Schicksalsschlag (und der kommt) tief erschüttert. Doch keine Angst, Muriels Hochzeit ist ein in seiner Gesamtheit sehr fröhlicher Film, der uns an der Entwicklung vom hässlichen Entlein zum Schwan teilhaben lässt…und geheiratet wird auch noch. Collette fraß sich für die Rolle der Muriel 18kg an und sieht mit ihrem pickeligen Gesicht und dem geistesabwesenden Blick einfach furchtbar aus. Dagegen wirkt sie als durchgeknallte Ökomami in About a Boy – Der Tag der toten Ente fast schon wie ein Model. Umso erstaunlicher, wie schön sie in der zweiten Hälfte dieses Filmes erstrahlt, wenn sie nicht gerade in Lachkrämpfe zum falschen Moment verfällt. Heute kennt Toni Collette jedermann, aus Hits wie The Sixth Sense, Little Miss Sunshine und vor allem Hereditary – Das Vermächtnis. Sie erwies sich als wunderbar wandelbar und es ist immer wieder eine Freude, sie auf der Besetzungsliste zu erhaschen.
Rachel Griffiths entwickelte sich nach diesem Film zur gefragten Seriendarstellerin. Herausragend war sie als Brenda Chenowith in der Serie Six Feet Under, in der auch Michael C. Hall (Dexter) agierte. Derzeit sieht man sie in der Serie Total Control und demnächst an der Seite von Pierce Brosnan in dem Fantasyfilm The King´s Daughter. Aber auch die anderen Darsteller in Muriels Hochzeit sind hervorragend besetzt. Bill Hunter als schmieriger Vater etwa, aber vor allem auch Jeanie Drynan in der Rolle ihrer Mutter, die besonders bemitleidenswert ist. P.J. Hogan konnte ein wirklich tolles Ensemble um sich herum scharren.
Auch P.J. Hogan schaffte den Sprung von Australien nach Hollywood, wo er mal mehr (Shopaholic – Die Schnäppchenjägerin) und mal weniger Glück (Peter Pan) hatte. Sein populärster Film wurde Die Hochzeit meines besten Freundes mit Julia Roberts und Cameron Diaz, in dem Rachel Griffiths ebenfalls auftrat.
Qualitativ kann sich die mir vorliegende Blu-ray aus dem Hause Arthaus / Studiocanal wirklich sehen und hören lassen. Natürlich gibt es hier ein 5.1 Surroundgewitter, der Film ist, so wie er gehört, in Stereo aufgespielt (Deutsch und Englisch). Deutsche Untertitel sind optional anwählbar. Als Bonus ist ein kurzes Video vom Dreh, sowie diverse dort ebenfalls entstandene Interviews enthalten und natürlich Trailer.
Von mir also eine klare Empfehlung – holt Euch die Dancing Queen Muriel (oder Mariel?) nach Hause.
Trailer: