Nach einer etwas längeren Pause widmen wir uns heute mal wieder einem Film aus der glorreichen Edgar-Wallace-Reihe, die sich langsam aber sicher Richtung Zielgerade bewegt. IM BANNE DES UNHEIMLICHEN (1968) wird von vielen Fans als letzter wirklich gelungener Wallace-Krimi bezeichnet, der noch einmal alle bekannten Elemente vereint und diese gekonnt in die Farbfilm-Phase transportiert. Ob Blacky Fuchsbergers Jagd auf die „lachende Leiche“ dem gerecht wird, erfahrt ihr in der neuesten Ausgabe unseres Specials.
„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“
Drehbuch: Ladislas Fodor
Regie: Alfred Vohrer
Darsteller: Joachim Fuchsberger, Siw Mattson, Wolfgang Kieling, Claude Farell, Peter Mosbacher, Pinkas Braun, Hubert von Meyerinck, Siegfried Rauch, Renate Grosser, Hans Krull, Ilse Pagé…
Artikel von Christopher Feldmann
Da das Jahr 1967 in Sachen Edgar Wallace recht erfolgreich für Rialto Film verlief, plante man großzügig die Realisierung weiterer Projekte voraus. So wurde nicht nur Stammautor Herbert Reinecker mit Drehbüchern für potenzielle Verfilmungen beauftragt, auch die Neuzugänge Paul Hengge, sowie der von CCC-Film übergelaufene Ladislas Fodor wurden mit dem Schreiben von Drehbüchern, frei nach Romantiteln von Edgar Wallace betraut. Man entschied sich dazu, 1968 ganze drei Wallace-Krimis zu produzieren, war die Konkurrenz im Genre doch zunehmend verschwunden. Fodor sollte eine Geschichte im Stil von DER UNHEIMLICHE MÖNCH (1965) zu Papier bringen, was er auch prompt tat, unter dem Titel DER UNHEIMLICHE, der schon im Goldmann-Taschenbuchverlag unter der Nr. 55 erschien. Ursprünglich war geplant, auf den Vorgänger DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE (1968) den Film DER GORILLA VON SOHO (1968) folgen zu lassen. Da man sich allerdings kurzfristig dazu entschieden hatte, nicht direkt einen Film in die Kinos zu bringen, der ein Tier im Titel trug, musste man umdisponieren. Für den GORILLA waren schon sämtliche Vorbereitungen in Sachen Cast und Crew getroffen, glücklicherweise konnte man einen Großteil der Besetzung für DER UNHEIMLICHE gewinnen, unter anderem Joachim Fuchsberger, Wolfgang Kieling und Siw Mattson. Schlussendlich kam noch einmal Paul Hengge zum Zug und überarbeitete Fodors Skript. Dies hatte auch eine Änderung des Titels zu Folge, aus DER UNHEIMLICHE wurde schließlich IM BANNE DES UNHEIMLICHEN, der ebenfalls das Cover eines Wallace-Romans ziert, welches bei Goldmann als Nr. 117 veröffentlicht wurde. Trotz einiger Albernheiten und Skurrilitäten ist der 26. Edgar-Wallace-Film ein letztes Aufbäumen alter Tugenden und stellt einen der gelungenen Filme der Spätphase dar.
Handlung:
Während der Trauerfeier für Sir Oliver Ramsey, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, kommt es zu bizarren Ereignissen. Aus dem Sarg des Verstorbenen ertönt ein unheimliches Lachen, was nicht nur für Schlagzeilen sorgt, sondern auch den Ramseys Bruder Sir Cecil (Wolfgang Kieling) in Furcht versetzt, denn der glaubt, dass sein Sir Oliver noch unter den Lebenden weilt. Als eines Abends der Familienanwalt Dr. Merryl (Otto Stern) von einer maskierten Gestalt mit einem Skorpionring ermordet wird, übernimmt Inspektor Higgins (Joachim Fuchsberger) von Scotland Yard die Ermittlungen. Gemeinsam mit der Journalistin Peggy Ward (Siw Mattson) lüftet der Ermittler so manches Geheimnis, während weitere Personen aus Sir Cecils Umfeld dem „Unheimlichen“ zum Opfer fallen.
Als 2004 die Edgar-Wallace-Parodie DER WIXXER in den deutschen Kinos startete, saß ich natürlich im zarten Alter von elf Jahren vor der Leinwand. Nicht unbedingt, weil ich eine lustig alberne Komödie mit den schon damals prominenten Comedians Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka sehen wollte, sondern weil ich großer Fan der klassischen Krimis war (und natürlich immer noch bin), die in dieser liebevollen Persiflage veralbert wurden. Die Sichtung des Films brachte mich schnell zu IM BANNE DES UNHEIMLICHEN (1968), den ich bis Dato noch nicht gesehen hatte, wurden die Beiträge aus der Farbfilm-Phase doch kaum im Free-TV ausgestrahlt. Immerhin war die Kostümierung des Wixxers ein Rückgriff auf den Schurken in der hier vorliegenden, kuschlig skurrilen Whodunit-Perle, so dass ich natürlich Feuer und Flamme für einen unheimlichen Mörder mit Totenkopfmaske war. Allerdings ist der zweite Wallace-Streifen aus dem Jahr 1968 kein nervenzerrender Grusel-Krimi, sondern eher ein überdrehtes, fast schon trashiges Spektakel für Freunde deutscher Pulp-Kost.
Das ursprüngliche Drehbuch von Ladislas Fodor wurde noch einmal von Paul Hengge überarbeitet, die Unterschiede sind derweil nicht auszumachen, jedoch wurden wohl einige Szenen, die der Atmosphäre dienlich waren, fallen gelassen, um den finalen Film vermutlich straffer und temporeicher zu gestalten. Die Handlung schafft das Kunststück, einen Spagat zwischen klassischen und modernen Elementen zu finden. Man bedient sich bei bereits etablierten Motiven, so findet sich auch hier ein kriminelles Geflecht aus Personen wieder, die nacheinander ihr Leben lassen müssen, auch das Setting mit seiner, natürlich gestellten, britischen Dorfromantik, dem Herrenhaus der Ramseys und dem, von Nebel durchzogenen, Friedhof biedert sich an ältere Verfilmungen der Reihe an. Zwar gelingt IM BANNE DES UNHEIMLICHEN nie eine derart gute Atmosphäre wie zum Beispiel bei DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) oder DIE SELTSAME GRÄFIN (1961), allerdings setzt man den Schwerpunkt deutlich bei den moderneren Elementen, wollte man der Reihe doch einen neuen Schwung verpassen.
Dies ist schon direkt an der weiblichen Hauptfigur auszumachen. Die Journalistin Peggy Ward wird als starke Frauenfigur etabliert, die sich gegenüber ihren männlichen Kollegen behaupten kann und ihnen immer wieder die Butter vom Brot nimmt. Der Mix aus feministischer Stärke und nicht zu leugnendem Sex-Appeal dürfte von der britischen Serie MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE (1961-1969/1976-1977) inspiriert sein, Peggy kommentiert sogar ihr Auftreten an einer Stelle mit „Das ist mein Emma-Peal-Outfit“. Eine Figur wie diese stellt nach all den Karin Dors, Brigitte Grothums und Uschi Glases, die immer nur in der Rolle der „Damsel in Distress“ fungierten, eine Premiere dar. Eine der wenigen Neuerungen innerhalb des Krimi-Reigens, die wirklich als modern zu betrachten sind. Natürlich gab es auch andere, vor allem in Sachen Skurrilität und Witz. Die Kostümierung des Bösewichts ist zwar schön anzusehen, dessen Habitus allerdings vollkommen albern, immerhin ermordet er seine Opfer mit einem Giftring, der aussieht, als hätte er ihn beim Dosenwerfen gewonnen und sind wir mal ehrlich, das Kostüm sieht, trotz des Looks, irgendwie schon nach Fasching aus. Auch in Sachen Tempo zieht IM BANNE DES UNHEIMLICHEN deutlich an. Hatten die letzten Filme, deren Unterhaltungswert unbestritten ist, doch noch ein paar Längen zu verzeichnen, kam hier bei erneuter Sichtung kaum Langeweile auf. Das Drehbuch wirft die Figuren immer wieder in neue Situationen und Locations, die schon mal aus einem exotisch weirden Restaurant oder einem mondänen Büro bestehen.
Alfred Vohrer, der zu dieser Zeit einen Wallace-Krimi nach dem anderen drehen durfte, wusste inzwischen schon genau, nach was das Publikum verlangte. Einen Hauch Grusel, ein wenig Gruft-Stimmung, Mystery, halbseidene Nebenfiguren und die obligatorische Portion Humor. So werden auch hier wieder einige Schenkelklopfer aufgetischt, die meistens auf das Konto des durchaus harmonischen Zusammenspiels von Peggy Ward und Inspektor Higgins aber natürlich auch von Sir Arthur vorgetragen werden, der den pensionierten Sir John abgelöst hat. War Sir John noch eine sympathisch ulkige Figur, ist der neue Chef von Scotland Yard nun ein absoluter Comic-Relief. Einzig im letzten Drittel tritt IM BANNE DES UNHEIMLICHEN dann doch etwas auf der Stelle und präsentiert eine etwas hüftsteife, sowie gar nicht mal sonderlich überraschende Auflösung, die man als Zuschauer kommen sieht und mit einer wirklich hanebüchenen Erklärung versehen wird, die den sympathischen Trash-Faktor noch zusätzlich steigert. Mittlerweile galt bei Wallace nämlich Action vor Logik.
Zum vorerst letzten Mal übernahm Joachim Fuchsberger die Rolle des Ermittlers. Der 2014 verstorbene Kino- und Fernsehstar prägte das Heldenbild dieses Genres wie kaum ein anderer, wirkt hier allerdings ab und an doch etwas gelangweilt. Seinen Part spielt er aber trotzdem aus der Hüfte. Siw Mattson ist der größte Pluspunkt des Films, als Journalistin Peggy Ward macht sie eine glänzende Figur und kann sich damit rühmen, eines der besten Wallace-Girls zu sein. Im Film wird die schwedische Schauspielerin von Renate Küster gesprochen. Zum letzten Mal innerhalb der Reihe ist Pinkas Braun zu sehen, der als mysteriöser Mr. Scott wieder eine bravouröse Performance abliefert. Bis auf Ilse Pagé, die hier wieder die quirlige Ms. Finley gibt, besteht die Besetzung aus größtenteils neuen Gesichtern. Otto Stern und Siegfried Rauch waren zuvor schon in jeweils einem Wallace-Film zu sehen, Wolfgang Kieling, Claude Farell, Peter Mosbacher und Hans Krull waren zum ersten und einzigen Mal in einem Film der Reihe zu sehen. Alle Darsteller füllen ihre Rollen gut aus, auch wenn Kieling ein wenig übertreibt, so viel muss gesagt sein. Eine nette Randnotiz, ist die Tatsache, dass die Bibliothekarin, die von Higgins nach einem Buch über seltene Gifte gefragt wird, von Ewa Strömberg gespielt wird, die bereits in DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE (1967) als Pam, das erste weibliche Mordopfer, zu sehen war. Der Mitarbeiter der Fluggesellschaft, der Higgins Informationen über den Absturz von Sir Oliver gibt, wird von Synchronlegende Thomas Danneberg verkörpert, der bereits in DIE BLAUE HAND (1967) zu sehen war und als deutsche Stimme von Terence Hill, Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und John Travolta bekannt ist. Abgerundet wird das Ensemble durch Hubert von Meyerinck, der Siegfried Schürenberg in der Rolle des Scotland-Yard-Chefs beerbt. Hier noch zurückhaltender, sollte Hubsi spätestens im nachfolgenden DER GORILLA VON SOHO (1968) für Kopfzerbrechen sorgen. Der „Unheimliche“ wird indes von Regisseur Alfred Vohrer gesprochen. Die Musik stammte abermals von Haus- und Hofkomponist Peter Thomas und erstmals seit DAS GASTHAUS AN DER THEMSE (1962) gibt es mit „The Space of Today“ wieder einen klassischen Titelsong, der sofort ins Ohr geht.
Gedreht wurde IM BANNE DES UNHEIMLICHEN vom 29. Januar bis zum 13. März in West-Berlin und sogar mal wieder an Originalschauplätzen in London. Als Kulisse diente unter anderem zum wiederholten Mal die Berliner Pfaueninsel, während Innenaufnahmen in den Ateliers von CCC-Film über die Bühne gingen. Erstmals tauchte sogar das 1967 bezogene New-Scotland-Yard-Gebäude in einem Edgar-Wallace-Film auf. Die Uraufführung fand am 26. April 1968 in drei verschiedenen Städten statt, nämlich Bremen, Oberhausen und Saarbrücken, die FSK vergab eine Freigabe ab 16 Jahren, wobei der Film im Jahr 1991 mit einer 12er-Freigabe neu geprüft wurde. Mit 1,8 Millionen Zuschauern erwies sich auch der 26. Film der Reihe als zufriedenstellender Erfolg, allerdings sollte sich dies ab dem nächsten Film ändern.
Fazit:
IM BANNE DES UNHEIMLICHEN (1968) ist keine Sternstunde der Reihe, gehört aber mit zu den besten Filmen der Farbfilm-Phase. Eine lockere Story, ein schönes Ensemble und eine gekonnte Atmosphäre, die trotz Modernisierungen noch einmal an alte Zeiten anknüpft. Gemessen an den Nachzüglern, gibt es hier ein letztes Mal echtes Wallace-Feeling!
3,5 von 5 lachenden Leichen!
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