Freunde anspruchsvoller Horrorkost sollten schnell weiterscrollen, denn hier hat CMV LASERVISION einen frühen Genrefilm von „Altmeister“ Fred Olen Ray ausgegraben, dem bislang eine persönliche ARTE-Reihe, aus verständlichen Gründen, verwehrt blieb. Wer aber auf schundige Videothekenware steht, die so schlecht ist, dass sie selbst in der Blütezeit der Verleihgeschäfte in den unteren Regalreihen versteckt wurde, der ist hier goldrichtig. Tatsächlich kann man SCALPS einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen, zumal man mit dieser Veröffentlichung die unzensierte, ziemlich saftige Version zu Gesicht bekommt.
Originaltitel: Scalps
Regie: Fred Olen Ray
Darsteller: Jo-Ann Robinson, Richard Hench, Kirk Alyn, Roger Maycock, Carol Sue Flockhart
Artikel von Christian Jürs
„Du kannst gehen, aber Deine Kopfhaut bleibt hier.“
Die Ärzte
Der Universitätsprofessor Machen (Kirk Alyn) plant, zusammen mit einer Gruppe seiner Studenten, irgendwo in der amerikanischen Einöde (in der Realität eine Ranch, die heute Schock-Rocker Alice Cooper gehört) indianische Artefakte auszugraben. Da die Schulleitung ihm aber unmissverständlich klarmacht, dass dies verboten sei und ihn stattdessen zu Büroarbeit über´s Wochenende verdonnert, schickt er seine sechsköpfige Studententruppe heimlich alleine auf die Suche nach den verborgenen Schätzen. Ob das wohl gut geht?
Die Antwort lautet natürlich nein, wie wir bereits in der schrägen Eröffnungssequenz des Streifens erahnen können, was von Meisterregisseur Fred Olen Ray angeblich gar nicht so geplant war. Denn damals entzog man dem Newcomer schlichtweg den Final Cut und schnitt einige Mordszenen hier und da als Foreshadowing in den Film hinein. So beginnt Scalps – Der Fluch des blutigen Schatzes auch prompt mit einer Aufnahme der günstigen Indianermaske, gefolgt von einer durchaus gut getricksten, schmadderigen Enthauptungsszene, bei der man, wenn man genau hinschaut, erkennen kann, welchem Teammitglied unserer Studententruppe hier das Lebenslicht ausgeblasen wird. Es sollte nicht der einzige Moment dieser Art bleiben. Auch gibt es Aufnahmen eines Mannes mit kostengünstiger Löwenmaske, die laut Fred Olen Ray lediglich zu Testzwecken aufgenommen wurden und niemals in den endgültigen Film hätten landen sollen. Ich tendiere allerdings zu der Meinung, dass eben diese Aufnahmen den Unterhaltungswert des trashigen Horrorstreifens durchaus gesteigert haben. Denn wären diese Szenenhäppchen nicht in die frühen Szenen eingestreut worden, gäbe es, abgesehen vom eher belanglos gefilmten Ableben eines weiteren Eröffnungsszenencharakters, in der ersten Filmhälfte nicht allzuviel zu entdecken.
Besagte erste Hälfte verschleudert ansonsten seine Laufzeit mit der Anreise unserer wenig interessanten Studententruppe, von denen lediglich zwei der Beteiligten wirklich schauspielen konnten (Jo-Ann Robinson & Richard Hench). Der Rest vom Cast wurde offenbar, im Falle der weiblichen Protagonisten, aufgrund ihres Aussehens (was nicht das schlechteste Kriterium für ein Casting ist) und im Falle der männlichen Darsteller, aufgrund von „die waren billig zu haben“ engagiert. Jedenfalls werden wir minutenlang Zeuge, wie unsere Studenten durch die Gegend fahren, wobei oftmals nur Bild-, aber keine Tonaufnahmen Verwendung fanden. Der stimmige Soundtrack sorgt hierbei allerdings für eine unheilvolle Atmosphäre, die die eigentlich nur gefilmte Fahrt ans Filmset irgendwie interessant werden lässt (und dem Streifen so eine Spielfilmlänge beschert). Zwischendurch hält man an einer Tankstelle, wo ein alter Zausel, in bester Crazy Ralph-Manier, die Studenten vor der Weiterfahrt warnt („You´re all doooomed„). Selbstredend glaubt niemand seinen Blödsinn. Was für ein blöder, letzter Fehler.
Ungefähr nach der Hälfte der Laufzeit geht´s dann aber rund. Randy (Richard Hench) findet ein Indianeramulett, bindet es sich um den Hals und verhält sich…ääähh…merkwürdig. Merkwürdig bedeutet in diesem Fall, dass er seine Freundin Louise (Carol Sue Flockhart) ungewollt kräftig durchnimmt (im Volksmund „vergewaltigt“ genannt) und ihr anschließend der Kopfhaut beraubt. Sein Gesicht mutiert dabei zu einer entstellten Indianerfratze. Im weiteren Verlauf müssen weitere Freunde das Zeitliche segnen. Die schüchtern wirkende D.J. (Jo-Ann Robinson) verschont der killende Randy allerdings. Dafür schenkt er ihr ein seltsames Amulett, welches die junge Frau fortan fasziniert um den Hals trägt…
Fred Olen Ray ist ein fleißiges Lieschen, der sich seine Rente mittlerweile mit allerlei mittelprächtigen TV-Produktionen aufbessert. Zu Beginn seiner Karriere kurbelte er eine Menge Horror-Videoramsch herunter, der im Laufe der Jahre immer schlechter wurde. Scalps – Der Fluch des blutigen Schatzes war aber erst seine dritte Regiearbeit, die zwar handwerklich wie inhaltlich ebenfalls kein großer Wurf war (nicht ohne Grund war der Film einst Teil der Trash Collection von cmv-Laservision), jedoch einen ungewöhnlichen Unterhaltungswert besitzt und neben dem Nachfolgefilm Biohazard wohl zu den gelungensten Werken von Fred Olen Ray zählt.
Es ist diese Mischung aus extrem körnigen, teils unscharfem Bildmaterial, welches künstlich auf 35mm aufgeblasen wurde, kombiniert mit dem atmosphärischen Soundtrack und angereichert mit teils derben Splattereffekten, die den besonderen Charme von Scalps – Der Fluch des blutigen Schatzes ausmachen. Wen kümmern da schon stümperhafte Fehler wie ständig (teils innerhalb einer Szene) wechselnde Tageszeiten? Im Gegenteil, wenn Randy auf ein 5 Meter entferntes Lagerfeuer am Tag zuläuft und erst bei Nacht ankommt, kann man mit Recht behaupten, so etwas noch nie zuvor gesehen zu haben. Hier wurde halt munter drauflos gedreht, ohne Rücksicht auf (inhaltliche) Verluste. Die Splatterszenen, wie zum Beispiel die onscreen Skalpierung einer der Darstellerinnen, fiel damals der Schere zum Opfer und wurde nun, in teils unterirdischer VHS-Qualität, wieder eingefügt. Trotz der in diesen Szenen vorhandenen, schmierigen Bildqualität, eine echte Aufwertung des Streifens. Ein Hauch von Maniac weht hier durch den Film.
Die Bildqualität (1,78:1) ist also, vorlagenbedingt, kein großer Wurf. Die Tonqualität der deutschen Synchronfassung ist zwar auch nicht die Welt, dem dumpfen Originalton gegenüber aber eine Wohltat (beide in Dolby Digital 2.0). Zumal die deutschen Stimmen die Schauspielkunst der Protagonisten enorm aufwerten, ließ man hier doch Profis wie Simone Brahmann (Stimme von Daryl Hannah) ans Mikrofon. Im Bonusbereich gibt es eine Featurette „Remembering Scalps“, den Trailer, einen Szenenvergleich zwischen der Unrated-Version und der alten, deutschen Fassung, eine Bildergalerie und einen Audiokommentar von Fred Olen Ray himself, der aus dem Nähkästchen plaudert. Drei weitere Werbetrailer aus dem Programm von cmv-Laservision ergänzen das Bonusmaterial.